KURZESSAY | SONGS, SO WRONG [4]

Kreolisch müsste Fan können …

Bob Marleys legendäres »No Woman No Cry«

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Aus: Musiker in Frankfurt | (c) Barbara Walzer

Zu den größten Irrtümern, denen auch ich als Autor regelmäßig erlegen bin, gehörte lange Zeit die Fehldeutung des Titels »No Woman No Cry« als »Keine Frau, kein Weinen« oder »Ohne Frauen? Da gäb’s keinen Stress!«. Damit war ich gerade in Europa nicht allein, zumal viele Titelnennungen, die man in Zeitschriften las, nur ein einziges Komma aufwiesen: zwischen »No Woman« und «No Cry«. Und selbst auf Covers von Bob Marley wird der Titel mal mit diesem Komma, mal gänzlich ohne Kommas angegeben. »Keine Frauen, kein Ärger«, diese Deutung wirkte allerdings schon immer reichlich seltsam. Denn warum hatte der Song einen so beseelt-entspannten Reggae-Groove, und wieso schwenkten immer Tausende von Fans bei Konzerten glückselig ihre Feuerzeuge, wenn doch in den Lyrics so abschätzig über Frauen gesprochen wurde?

Des Rätsels Lösung heißt Patwa – andere sagen Patois, wieder andere Jamaika-Kreolisch. Und in dieser Kreolsprache mit englischen Wurzeln lautet »No Woman No Cry« genau genommen »Nuh (= don’t), woman, nuh (= don’t) cry« und bedeutet »Nicht, Frau, weine nicht!«. Statt sich also abfällig über das weibliche Geschlecht zu äußern, spendet das Ich des Songs einer Frau, zu der es spricht, auf rührende Weise Trost. Die mitreißende Liveaufnahme aus dem Jahr 1975 war der erste Welthit des jamaikanischen Reggaestars Bob Marley. Das Ich des Songs scheint an eine wichtige Stätte seiner Vergangenheit zurückgekehrt zu sein und spricht zu einer Frau, die nach wie vor dort lebt. Gegen Ende wird klar, dass er wieder abreisen wird, aber er tröstet die Frau, indem er die Community beschwört und voraussagt, dass schon alles gut werde. Der Ort ist das Armenviertel Trenchtown in Kingston. Der Sprecher erinnert sich an die guten Menschen, die er dort kannte und von denen einige bereits gestorben sind, aber auch an zwielichtige Gestalten, an Heuchler. Die Vergangenheit sei hart gewesen, aber nun mal ein wichtiger Teil seiner Lebenserfahrung – und die Zukunft werde großartig sein. Weshalb es einfach keinen Grund zum Weinen gebe: »Said, said, said, I remember when we used to sit / In the government yard in Trenchtown / Oba – obaserving the ‚ypocrites / As they would mingle with the good people we meet / Good friends we have, oh, good friends we’ve lost / Along the way / In this great future, you can’t forget your past / So dry your tears, I seh.«

In der zweiten Strophe erinnert der Sprecher zunächst daran, wie man zusammen gekocht und sein Essen mit anderen geteilt hat, um dann anzukündigen, dass er wieder fortgehen werde. Es folgt die endlos wiederholte Beschwörung, dass schon alles gut ausgehen werde. In Verbindung mit dem entspannten Groove des Songs ist es spätestens diese Stelle, die den Song in die Herzen des Publikums trägt und ein Gefühl des Trosts entfaltet: »My feet is my only carriage / So I’ve got to push on through / But while I’m gone, I mean / Everything’s gonna be all right / Everything’s gonna be all right / Everything’s gonna be all right …«. Wehmütiger Rückblick und hoffnungsvoller Blick in die Zukunft – dazu können sich Menschen der ganzen Welt gerne in Beziehung setzen … (ted.).