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Cargo Biker auf Kopenhagens Fahrradbrücke Cykelslangen
Quelle: Jakob Munk / Butchers & Bicycles / Lizenz: Creative Commons CC-BY-SA-4.0 (s.u.)©

Städte für Menschen und Räder [1]

»Miljømetropolen« Kopenhagen

Dänemarks Kapitale als selbsternannte Fahrrad-Hauptstadt

»40.000« – Als der dänische Stadtplaner, »Urbanismus-Designer« und Mobilitätsexperte Mikael Colville-Andersen diese Zahl kürzlich auf dem Zukunftsforum »see conference« in Wiesbaden beiläufig fallenließ, musste der Moderator erst noch mal ungläubig nachfragen. »40.000?«. »Ja, 40.000«, bestätigte Colville-Andersen ohne mit der Wimper zu zucken. 40.000 ist die Zahl der Cargo Bikes (der Lastenfahrräder), die es in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gibt, und die wohl mehr als jede andere Zahl belegt, warum sich Kopenhagen gerne selbst als Fahrradwelthauptstadt betrachtet. 40.000 öffentliche, kommerzielle und vor allem private Cargo Bikes, mit welchen der Kopenhagener und die Kopenhagenerin tagtäglich die großen und kleinen »Dinge« des Alltags transportieren lässt oder einfach selbst transportiert – vom Möbelstück bis zum Kleinkind. 40.000 Cargo Bikes also auf rund 600.000 Einwohner …

Diese 40.000 Cargo Bikes sind eines der täglich sichtbaren Zeichen für die selbsternannte Fahrradhauptstadt. Ein anderes, eher statisches Zeichen ist Nørreport Station. Oder genauer gesagt: der oberirdisch sichtbare Platz von Dänemarks am meisten ausgelastetem Bahnhof im Herzen Kopenhagens, den jeden Tag 250.000 Menschen passieren. Er wurde 2015 völlig neu gestaltet, mit sorgsam aufgeteilten sowie organisch geformten und gestalteten Bereichen für verschiedene Verkehrsteilnehmer und mit Stationsdächern, deren runde Formen sowie helle und bewachsene Oberflächen einladend wirken. Der Clou allerdings sind die abgesenkten und nachts blinkenden Bereiche für insgesamt 2.500 Fahrräder. Durch die Absenkung wirkt selbst diese Masse an Drahteseln keineswegs beherrschend. Autos können den früher von ihnen dominierten Platz übrigens mittlerweile nur noch an einer Seite passieren. Apropos: Der gleichen Philosophie folgt auch Kopenhagens mittlerweile berühmte reine Fahrradbrücke Cykelslangen.

So verändert sich Kopenhagen ständig: real und im Bewusstsein der Menschen. 2009 war die Stadt Tagungsort für die große EU-Klimakonferenz COP15. Dies nahmen die Politiker zum Anlass, bereits zuvor neue Leitbilder für ihre eigene Nachhaltigkeitspolitik zu formulieren. 2007 und 2008 wurden die zentralen Dokumente »Miljømetropolen« (»Die Umweltmetropole«) und »Metropol for Mennesker« (»Metropole für Menschen«) verabschiedet. »Miljømetropolen« hatte unter anderem eine erhebliche Reduktion des CO2-Ausstoßes, eine deutliche Senkung von Luftverschmutzung und Lärmbelästigung sowie das Vorhaben, die fahrradfreundlichste Stadt der Welt zu werden, zum Ziel. »Metropol for Mennesker« war stark vom Denken des Stadtplaners Jan Gehl inspiriert und umfasste Pläne, den städtischen Raum positiv zu gestalten. Die Stärke dieser beiden Strategien war und ist es, dass sie von sämtlichen Parteien getragen wurden und werden. Jeder, der an der Stadtentwicklung beteiligt ist, weiß, was der andere meint, wenn von Begriffen wie »Nachhaltigkeit«, »lebendigem Stadtleben«, »Radfahrersicherheit« oder »menschlichem städtischen Raum« die Rede ist.

In Zusammenarbeit mit den umliegenden Kommunen werden derzeit eine Reihe existierender Radwege zu einem Netz von Superradschnellwegen ausgebaut. Neubauprojekte werden mit einer festgelegten Zahl von Radstellplätzen je nach Anzahl der Wohneinheiten ausgestattet, und eine gute Radverkehrsinfrastruktur sowie deren Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr werden von Beginn an in alle Planungen einbezogen. Ein großer Erfolg war die 2010 eingeführte Regelung, das Fahrrad kostenlos in der S-Bahn mitnehmen zu können. Die Anzahl der Fahrgäste stieg daraufhin um gut 10 Prozent. Und Radfahren sollte in der Debatte um zukünftige Mobilität – auch im Hinblick auf Diskussionen um autonome Fahrzeuge – sichtbarer werden. Ein weiterer Erfolg ist die Verbindung von Design, Ästhetik und Radverkehrsinfrastruktur – eine attraktive Gestaltung der Rahmenbedingungen, welche den Radfahrern und auch anderen Passanten das Gefühl vermittelte, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. So wie etwa mitten in der Stadt an Nørreport Station. Oder in Colville-Andersens Kopenhagenize Design Company, die sich auf die Entwicklung von fahrradfreundlichem Stadt-Design spezialisiert hat … (sfo. / dam.)