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Rund um den Europatunnel im Europaviertel
Quelle: Ivo Kuliš©

Implantieren | Im Europaviertel

Auf den Spuren der Expats

Gastbeitrag von Eleonora Herder (ID_Frankfurt)

Eine runtergekommene Backsteinwand verläuft hinter den glatten weißen Häusern der Europaallee und trennt – im Sinne einer klassischen Grenze – das Europa- vom Gallusviertel. In den verfallenen Garagen, die heute noch auf der Gallus-Seite stehen, waren einst Gastarbeiter untergebracht, die auf dem benachbarten Güterbahnhof arbeiteten. Heute befinden sich auch in den weißen glatten Häusern des Europaviertels »Gastarbeiter«. Nur nennt man sie heute nicht mehr so, sondern »Expats« oder »Young urban professionals«, Fachkräfte internationaler Unternehmen also, die für ein bis drei Jahre in einer Frankfurter Zweigstelle tätig sind. Menschen, ständig auf dem Sprung … »Hier ist es sehr international, aber angenehm international«, sagte eine Anwohnerin des Europaviertels. Was soviel heißt wie: Hier leben Menschen, für die Herkunft kein Thema ist, weil sie Teil einer globalisierten Elite sind, die überall zuhause ist. Sie leben auf der ganzen Welt in Vierteln wie diesem, die schon aus der Ferne nach Waschpulver und Yogi-Tee zu riechen scheinen.

Das Europaviertel ist eine der vielen »Privatisierungssünden«, die in den 1990er Jahren in Frankfurt begangen wurden. Anstatt das Gelände, das einst zu weiten Teilen der Deutschen Bahn als Hauptgüterbahnhof diente, in öffentlicher Hand zu halten, »verscherbelte« es die Bahn meistbietend an Investoren. Das neue Viertel wurde von dem Architekturbüro von Albert Speer Junior entworfen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gab Speer bereitwillig zu, dass er sich hier eigentlich nie aufhalte. Das Europaviertel – es ist ein Raum, aber kein Ort. Ein sogenannter »no place«. Und Ironie der Geschichte: Irgendwie ist es immer noch ein Bahnhof. Ein Raum, an dem sich Menschen nur vorübergehend aufhalten. Doch es ist damit zugleich auch ein ideales Biotop für die (groß-) städtischen Gedankenspiele und Kunstimprovisationen von »Implantieren«. Im Rahmen unseres Performancefestivals erklären wir das Viertel zum »Wellnessbereich« von Frankfurt. »Befreie dich durch die Arbeit an dir selbst!« ist der Slogan eines Audiowalks, der am Samstag und Sonntag durch das Europaviertel führt. Er ist ein partizipativer Parcour durch ein Viertel voller Work-Life-Balance und Selbstoptimierung …