Bysykkel - eines der am besten ausgebauten Leihfahrradsysteme in Europa
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Städte für Menschen und Räder [7]

Die Stadt ohne Auto?

Oslo auf dem Radweg zur Verkehrswende

Oslo ist damit die erste größere Stadt in Europa, die im Interesse der Umwelt und einer höheren Lebensqualität Autos weitgehend aus der Innenstadt verbannt. In einigen Kerngebieten dürfen mittlerweile nur noch wenige gewerbliche Fahrzeuge, Anwohner und E-Autos einfahren. In anderen Gebieten wurde das Einfahren, etwa durch den Rückbau der Parkplätze und durch Neuverteilung des Raumes zugunsten von Radfahrern und Fußgängern, derart unattraktiv gemacht, dass Einfahren kaum mehr lohnt. Der Plan dazu geht zurück auf das Jahr 2015 und eine Initiative der damals neuen links-grünen Stadtregierung, die fortan dieses Ziel fast generalstabsmäßig vorantrieb. Praktisch alle öffentlichen Autoparkplätze wurden seither aufgelöst und zugleich die Preise für die verbleibenden, die es fast nur noch in wenigen Parkhäusern gibt, deutlich erhöht. 60 Kilometer neue und sanierte Radwege entstehen dafür und führen vom Zentrum aus in alle Richtungen. Über eine neue und sichere Radwegeinfrastruktur will man den Wandel herbeiführen. Viele (wenn auch nicht alle) neue Radwege entsprechen dabei dem »Oslo-Standard«, einem 2016 eingeführten Regelwerk für die bauliche Umsetzung der Radinfrastruktur, das den Zielen der Stadt und dem Sicherheitsbedürfnis der Einwohner Rechnung trägt. Flankiert wird dies von weiteren Maßnahmen. Um Bürger vom Kauf eines Autos abzuhalten, gewährte die Stadt ihnen für ein elektrisches Lastenfahrrad einen Zuschuss von rund 1.000 Euro, für ein Standard-E-Bike immerhin rund 500 Euro. Dazu kommt mit »Bysykkel« eines der europaweit am besten ausgebauten Systeme von Leihrädern über die ganze Stadt verteilt – mit mittlerweile über zwei Millionen Buchungen pro Jahr.

Mit ihren Plänen liegt die Stadtregierung im Trend. Norwegen – immerhin ein gleichermaßen ölreiches und wohlhabendes Land – ist schon seit Jahren dabei, den Autoverkehr einzuschränken. Wer in Oslo unterwegs ist, staunt vor allem über die vielen E-Autos von Tesla. Norwegen ist nach den USA und China dessen drittgrößter Markt weltweit, und gefühlt scheint schon jedes fünfte Auto in der Kapitale ein Tesla zu sein. Pro Kopf werden in Norwegen sogar mehr Teslas verkauft als anderswo auf der Welt. Und egal, womit man unterwegs ist: Bei zu schnellem Fahren mit dem Auto drohen drastische, bis zu vierstellige (Euro-) Geldstrafen. Da sieht man oft auch SUVs eher über Landstraßen schleichen als fahren. Dazu kommen Mautsysteme, insbesondere für das Fahren in die Städte hinein. Die ganzen Maßnahmen machen insbesondere in der Hauptstadt auch durchaus Sinn. Oslo wächst ähnlich schnell wie Frankfurt – um rund 10.000 Menschen pro Jahr. Und schon jetzt ist selbst in diesem Land der Wälder und Fjorde die Umwelt ein Thema. Vor allem winterliche Inversionswetterlagen können schnell für erstaunlich schlechte Luft sorgen. Laut Angaben des Gesundheitsamts verursacht die Luftverschmutzung in Oslo pro Jahr 185 Todesfälle. Um dem entgegenzuwirken, setzt die Stadt auf die Verkehrswende. Das mit dem Wachsen der Stadt wachsende Verkehrsaufkommen soll komplett durch ÖPNV und die fahrradgerechte Stadt absorbiert werden. Allein in den ÖPNV sollen seit Anfang des Jahrtausends und auf 25 Jahre verteilt umgerechnet fünf bis sechs Milliarden Euro investiert werden. Dazu kommen für die Jahre 2015 bis 2025 weitere 1,5 Milliarden für die Radinfrastruktur, die in der Hauptstadt dann auf rund 500 Kilometer Strecke ausgebaut werden soll. Ein ambitionierter Plan, da dazu 2015 noch über 300 Kilometer fehlten und man in den Jahren zuvor gerade mal um eineinhalb Kilometer pro Jahr vorankam. Genauso ambitioniert ist das Ziel der Stadtregierung, Oslo Radverkehr bis 2025 auf 25 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens zu steigern. Das wäre dann das gleiche Niveau, auf das sie den Autoverkehr in der Stadt senken möchte – mit der fahrrad- statt der autogerechten Stadt als klares Fanal für mehr Lebensqualität … (str. / dam.).