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Neue politische Farbenlehren?
Quelle: Barbara Walzer©

Neue politische Landschaft?

Leere. Angst. Hoffnung.

Ein Kommentar von Volker S. Stahr

Europa hat gewählt. Und die Botschaft ist eindeutig. Sie dokumentiert nichts Geringeres als eine neue politische Landschaft. Besonders deutlich zu sehen in den sechs großen (Noch-) EU-Staaten. Erste Erkenntnis: Die alten Volksparteien Konservative und Sozialdemokraten gleichen vielerorts offenbar nur noch leeren Hüllen ohne (politische) Inhalte. In den sechs Staaten können sich nur die Union in Deutschland und die Sozialisten in Spanien halten. In Großbritannien sind Tories und Labour implodiert. In Frankreich sieht es mit Sozialisten und den ehemaligen Gaullisten kaum anders aus. In Italien bricht Berlusconis Forza Italia noch mehr ein als die deutsche SPD. Dass auf europäischer Ebene der Umbruch noch milde ausfällt, liegt eher an kleinen Staaten, etwa mit den Siegen der Sozialisten in Portugal oder der Konservativen in Griechenland. Doch alles in allem verloren die Volksparteien ein Fünftel ihrer Mandate und die Mehrheit in Straßburg – abgestraft für die zunehmende Leere dieser Alt-Parteien …

Dabei scheint sich auch ein Paradigma aufzulösen, das den Volksparteien Jahrzehnte lang Konturen gab. Statt von »schwarz« und »rot«, von »rechts« und »links« wird die neue politische Landkarte von anderen, emotionalen Farben bestimmt. Zwei weitere Blöcke zeichnen sich ab. Noch neben, vielleicht bald statt der »alten« Parteien? Unübersehbar bleibt als zweite Erkenntnis der Vormarsch der (Rechts-) Populisten. Angst und einfaches Schwarz-Weiß-Denken als »Programm« bringen PiS in Polen 45 Prozent, Lega in Italien und Brexit Party in UK ein Drittel, Le Pens Bewegung in Frankreich ein Viertel der Stimmen. Nur in Deutschland und Spanien schwächeln die Populisten. Doch gegen sie und vielleicht gar als direkte Antwort formt sich ein dritter Block: ein buntes bürgerlich-liberal-ökologisches Lager, aus neuen und jungen Parteien. Umwelt statt Grenzen, Hoffnung statt Angst scheint deren Devise. Befördert durch die jugendlichen Friday-Bewegungen, welche Altparteien und Populisten so gar nicht auf dem Plan haben. In Deutschland sind es die Grünen, die – bis auf »neu« – all das vereinen: bürgerlich, liberal, ökologisch, jung. In Frankreich sind Macrons En Marche trotz Dämpfer bei fast 25 und die Grünen bei knapp 15 Prozent. Ähnlich in Großbritannien Liberaldemokraten und Grüne. In Polen formt sich ein neues Bündnis gegen PiS, in Spanien segeln im Schatten der Sozialisten eine bürgerlich-liberale und eine links-ökologische Protestpartei. Selbst in Italien sind Demokraten und Fünf Sterne fast ein solches Lager, auch wenn erstere unter sozialdemokratischer Flagge segeln und letztere eher die chaotisch-populistische links-grüne Variante sind. Nicht auszuschließen also, dass die politische Landkarte Europas bald dreigeteilt sein könnte. Und dass es nicht mehr so einfach sein wird, sie nach Farben zu sortieren. Angst versus Hoffnung scheinen dabei die Pole und Stimmungen, auf denen die neuen Parteien aufbauen. Und die Alt-Parteien? Müssen aufpassen, dazwischen nicht selbst in ihrer Leere zu verschwinden … (vss.).