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Kolumne von Jan Deck [6]

Bedingungsloses Grund-Vertrauen

Hilfsinitiativen für Künstler*innen statt ALG II

Als in den 1930er Jahren die schlimmste Wirtschaftskrise der jüngeren Geschichte wütete, setzte in den USA Präsident Franklin D. Roosevelt auf den »New Deal«, ein gigantisches Wirtschaftsprogramm zum Bau von Flughäfen, Straßen, Schulen. Und: Über das Public Works of Art Project und das Federal Art Project wurden auch zahlreiche Kunstprojekte finanziert. Die lapidare Begründung des New-Deal-Chefs Harry Hopkins: »Die (Künstler) müssen genauso essen wie alle anderen auch«. Das scheinen jetzt in der vielleicht größten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik auch Politiker hierzulande langsam zu verstehen. Auf Initiative Bremens forderten die Wirtschaftsminister der Länder am 8. April die Bundesregierung einstimmig auf, Solo-Selbständigen, die in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht seien, auch ohne Beantragung von ALG II zu helfen. Alle Selbstständigen, die Dienstleistungen »außer Haus und beim Kunden« erbringen, sollten einen monatlichen Pauschalbetrag von 1000 Euro erhalten, wenn sie durch Corona Umsatzverluste von mindestens 50 Prozent haben. Betriebskosten sollen zusätzlich bezuschusst werden.

Diese 1000 Euro monatlich ohne Belegpflicht und ohne Prüfungen wären sicher eine tatsächlich unbürokratische Lösung, die auch vielen Kulturschaffenden helfen könnte. Sollte dieses Geld plus Betriebskostenzuschuss tatsächlich für einige Monate bezahlt werden, könnte man von einer wirklichen Hilfe sprechen, welche den sonst entwürdigenden Gang zum Jobcenter ersparen würde und auch denjenigen zu Gute käme, die kein ALG II beantragen können. Es stimmt hoffnungsvoll, dass in diesem Gremium alle wichtigen demokratischen Parteien vertreten sind. Bislang hat die Bundesregierung noch nicht auf diesen Vorschlag reagiert. Aber allein die Existenz eines solchen überparteilichen Vorschlags macht Hoffnung. Dieses quasi bedingungslose temporäre Grundeinkommen wäre ein großer Vertrauensbeweis für Künstler*innen. Und es würde zu so einigen (teils privaten) Initiativen dieser Tage passen, die nun im Kontext der Corona-Krise aufgelegt wurden. Bei einzelnen Rettungsfonds spezifisch für Künstler*innen wurde etwa zumeist vermieden, umfassende Prüfungen zu betreiben. Oft reicht die Schilderung der persönlichen Situation, um Geld zu bekommen. Das private Programm »Kulturzeiter*in« hat zum Beispiel bereits in der ersten Woche fast 45.000 Euro an Spenden gesammelt, um Kulturschaffenden aus Frankfurt und Offenbach 500 Euro monatliche Hilfe zukommen zu lassen; die Ersten haben bereits Zusagen erhalten. Das Frankfurter Kulturamt vergibt mittlerweile ähnlich dem New Deal zumindest Hilfsgelder mit formlosen Anträgen. Auch bei den bereits vollständig verausgabten Förderungen der GDBA waren keine Beweise für eine Existenzbedrohung notwendig. Und es gibt sogar staatliche Stellen, die weiter gehen. Sachsen-Anhalt zahlt seinen Künstler*innen auf Antrag 400 Euro im Monat aus. Vielleicht könnte der Bund davon lernen, wie überall bedingungslos geholfen wird. Ist das nicht der Charakter von Hilfe, dass man in einer Notlage gibt, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen? Die Bürokratisierung von Hilfe ist getrieben vom Geist des Misstrauens und der vorsorglichen Unterstellung, man wolle ohnehin nur die Gutmütigkeit anderer ausnutzen. Umso schöner, dass private und kommunale Programme wieder den Geist des Vertrauens dagegenstellen. Davon könnte sich die Bundesregierung eine Scheibe abschneiden. Ein Vorschlag in diese Richtung liegt ja auf ihrem Tisch.