Gartentisch, Küchentisch, Office Desk? Der Agenda ist es egal, wo mit ihr gearbeitet wird ...
Quelle: Barbara Walzer (bw.)©

Die Welt, wie sie uns gefällt [2]

Office ohne Kids-Betreuung

Ginge Home Office nicht auch als Regelfall ?

»Das haben wir schon immer so gemacht«. Es ist einer der beliebtesten Sätze im Deutschen. Doch die Corona-Krise zeigt, dass frühzeitige Reformen vielleicht nicht das Dümmste gewesen wären. Urban shorts zeigt in kurzen Gedankenskizzen, was vielleicht schon vor Corona hilfreich gewesen wäre. Etwa mehr Home Office – aber ohne gleichzeitige Kinder-Betreuung im gleichen Raum. Eine Hommage an das Home Office, wie es sein könnte …

[Beitrag auf eigener Seite lesen] Eigentlich könnten es paradiesische Zustände sein. Einfach die Zeit, die man morgens im Stau oder in übervollen Zügen vergeudet, mit einem gemütlichen Frühstück und der Zeitungslektüre zu verbringen. Danach kurz mit dem Hund raus und das Kind mal zu Fuß zur Schule bringen, um dann im Arbeitszimmer den Laptop aufzuschlagen, ein kurzes Zoom-Meeting noch, und schließlich einfach mal los- und die virtuellen Stapel abarbeiten. Ohne dass gleich einer zur Tür reinkommt und von platten Fahrradreifen tönt oder sich den Genitiv erklären lassen möchte (oder muss). Und zum Telefonieren zwischendurch mal in den Garten – oder gleich dort den zweiten Frühstücks-Kaffee nehmen. Mittags selbst kochen aus dem eigenen Garten (in der ohne Kollegen gewonnenen Zeit) oder mit den Nachbarn essen. Und sich schon mal fragen, was man abends mit der Zeit anfängt, die man sonst nach Feierabend erst noch einmal im Stau oder in der Bahn verbringt …

Nun ja: eigentlich … Aber warum eigentlich eigentlich? Warum muss das nach dem Virus – oder eben jetzt, da wir gelernt haben, mit dem Virus zu leben (oder zumindest so tun) – wieder alles anders sein? Home Office war doch eigentlich nur ein Problem, wenn das betriebliche Intranet nicht funktionierte, weil vor Corona im angeblich modernsten Unternehmen der Welt keine Strukturen geschaffen wurden und Home Office sowieso nur für Kranke war. Oder weil in diesem angeblich fortschrittlichen Lande niemand eine vernünftige Kinder-Betreuung organisiert bekam, um in Ruhe zu Hause zu arbeiten. Und die Schulen beim Tele-Learning schon an der noch immer vorhandenen Windows XP-Version scheiterten. Eigentlich – und das nun wirklich – könnte das Ganze ja auch eine Win-win-Situation sein. Für die Städte, in denen weniger Bürofläche gebraucht (und mehr Wohnfläche geschaffen) würde. In denen die Straßen leerer und die Luft sauberer wäre(n). Für die Menschen, die zumindest an einigen Tagen der Woche (Home Office muss ja nicht jeden Tag sein) locker eineinhalb Stunden Lebenszeit gewinnen – nur die Zeit auf Autobahnen, Bahnstrecken und unsinnigen Konferenzen. Wobei vielleicht im Laufe der Zeit Architekt*innen auch kreativere und/oder flexiblere Lösungen für Heimarbeiten finden als Küchentische und Kellergeschosse. Und für die Unternehmen. Sie könnten sparen. Büros, vielleicht sogar Dienstwagen. Und damit die so ungeliebten Fixkosten. Müssten vielleicht nicht mal nach Staatshilfe rufen. Nur eines wäre ein Problem. Manager und leitenden Angestellte, vor allem in Bürohochhäusern, müssten einen Satz aus dem Vokabular streichen: »Unter mir arbeiten X-Tausend Mitarbeiter*innen«. Denn ein Unter-mir gäbe es nicht mehr, wenn das halbe Hochhaus überflüssig wäre …

Zugegeben: Das mit den sozialen Kontakten und diesem Corporate Geist ist zu Hause schwieriger. Ehepartner*innen sind ja keine sozialen Kontakte (die sind einem ja irgendwie meist schon vor längerer Zeit zugelaufen). Aber die ganzen Kollegen, die man nicht mag, schon. Doch zwei Office-Tage die Woche würden eigentlich reichen, mit den einen den Chor-Geist zu entwickeln und sich mit den anderen nicht auf die Nerven zu gehen. Und außerdem (was wenige bedenken): Home Office müsste ja nicht gleich Zu-Hause-Office sein. Nicht jeder Angestellte müsste sich am Küchentisch oder auf dem Sofa einrichten. Co-Working-Spaces in Suburbs oder auf der grünen Wiese wären auch eine Alternative zum Büro in der Stadt. Fünf Minuten morgens mit dem Fahrrad oder ein Viertelstündchen joggend zu Fuß. Soziale Kontakte wären bei der Gelegenheit auch gegeben, sogar mit Menschen, die nicht im gleichen Unternehmen arbeiten (Okay: Vielleicht ein Problem für Tinder. Aber auf solche Kollateralschäden wurde bei Revolutionen selten Rücksicht genommen). Und einen Nebeneffekt hätte dies alles auch noch: Die Suburbs wären keine reinen Wohnquartiere mehr. Denn plötzlich brauchte es auch dort wieder die Bäckerin, den Friseur oder das Fahrradgeschäft. Und womöglich entdeckt man plötzlich noch seine Nachbarn. Nur: Was würden wir eigentlich mit der gewonnenen Zeit machen? Vielleicht darüber nachdenken, ob man das Home Office auch in den Park verlegen könnte? Oder ob man dann ab fünf tatsächlich bereits Zeit für die Kids hätte? Oder ob man, frei nach Loriot, einfach mal nichts tun könnte? Oder … (vss.)