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Ausschnitt Buchcover
Quelle: Aufbau Verlag©

Buch des Monats

6er-WG auf der Alb

Bov Bjerg über Jungsein auf dem Land

Viele der guten Bücher der vergangenen Jahre handeln vom Jungsein. Etwa Meg Wolitzers »Die Interessanten«. Oder »Nenn mich einfach Superheld« von Alina Bronsky. Doch selbst unter diesen ist Bov Bjergs melancholisch-ironisches »Auerhaus« ein richtig gutes Buch. Der Roman – auch als Taschenbuch mit einem richtig schönen Einband aus Papier, das sich gut anfühlt – erzählt die Geschichte von Höppner (17), der seinen Freund Frieder nach einem Selbstmordversuch vor dem Abi wieder ins Leben zurückzuholen versucht. Nach der »Klapse«, wo die Jungs noch die wunderschöne Brandstifterin Pauline (18) kennengelernt haben, leben sie zu sechst – die »Oberschüler« Höppner und Frieder, der Arbeiter Harry, Pauline und noch zwei, der elterlichen Enge entflohene Klassenkameradinnen – im »Auerhaus«.

Wer wissen will, warum das Haus so heißt, sollte das Buch lesen. Und wer wissen will, wie sich eine ungewöhnliche Jugend auf dem Land in den 80ern anfühlte, auch. Das Haus vom toten Opa hat Landwirtssohn Frieder von seinem Vater überlassen bekommen. Und es ist die einzige WG im Ort. Und ein Ort der Fragen. Wer oder was ist normal in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb Anfang der 80er Jahre? Frieder, der den Weihnachtsbaum umsäbelt, oder der deswegen auf ewig in seiner Ehre gekränkte Dorfpolizist? Und wer oder was ist nicht normal? Harry, der schwule Elektriker im Netzhemd, oder dessen Vater, der den Sohn verprügelt, weil er homosexuell ist? Die Jugendlichen trampen ins noch geteilte und isolierte Berlin und träumen davon, dort zu leben, weil wer dort wohnt, nicht zur Bundeswehr muss. Da erinnert sich so mancher Leser melancholisch an längst vergangene Zeiten. Aber Ex-Kabarettist Bov Bjerg (geboren 1965) lässt keinen Kitsch aufkommen – und keine Tragödie. Selbst die tieftraurigen Momente enthalten eine Prise Selbstironie. Genau die, die Menschen wie Höppner und Frieder (und Bjerg?) so sympathisch macht – und das Buch zu einem richtig guten Buch (lys.).