Kurzessay | Songs, so wrong [1]

Schwul sehen Sieger aus?

»I Don’t Like Mondays« & »We Are the Champions«

Abendkonzert-Banko aus Bulgarien
Aus: Musiker in Frankfurt | (c) Barbara Walzer

»Don’t let me be misunderstood« heißt es in einem alten Bluessong, der 1977 in der Discoversion von Santa Esmeralda seinen Siegeszug um die Welt antrat. Ich hab’ zwar meine Launen, flötet da jemand in den Lyrics, aber eigentlich bin ich eine Seele mit guten Absichten – deshalb versteh’ mich bitte, bitte nicht falsch! »Oh, Lord, please don’t let me be misunderstood« – das könnte auch mancher Song selbst in die Welt hinausschreien. Denn immer wieder hören Millionen Menschen nicht richtig hin. Die Folge: Das öffentliche Bewusstsein versteht gnadenlos an der eigentlichen Songbedeutung vorbei. Das wohl beste Beispiel der Songgeschichte: »I Don’t Like Mondays«, der Superhit der Boomtown Rats aus dem Jahr 1979. Noch immer glauben viele Fans, es handele sich um einen netten Montagmorgenmuffel-Song. In Wirklichkeit geht es um den wahren Fall eines Schulmassakers in den USA. Ist verbürgt. Und steckt so auch im Text …

Aber keine Bange: Nicht genau hinhören und Songs missverstehen, das ist ganz normal und kommt ziemlich oft vor. Schließlich gibt es Sprach- und Sound-Barrieren, und wer hat schon den Kopf, jedem hübschen Lied hinterherzusteigen? Hinzu kommt, dass viele Songs es dem Publikum nicht leicht machen. Weil sie nicht richtig greifbar sind. Oder weil sie so, aber ganz anders verstanden werden können. Und auch dafür gibt es ein bestes und weltberühmtes Beispiel: »We Are the Champions«, der 1977er Schmachtfetzen von Queen. Klar, es geht um’s Siegen, um’s Der-Größte-Sein! Das sagt die eine Fraktion, wobei abwechselnd ein Sieg im Sport, der steinige Weg der Band Queen zum Ruhm oder das Meistern einer Herausforderung als zentrales Thema identifiziert werden. Doch nein, kontert mit wissenschaftlichem Furor die Gegenseite: In diesem – wie bereits in vielen anderen Queen-Songs – thematisiere Sänger Freddie Mercury ganz offensichtlich seine Homosexualität. »Ich hab’ hart gearbeitet, meine Strafe abgesessen, obwohl ich unschuldig war, hab’ ein paar Fehler gemacht und ordentlich Sand ins Gesicht bekommen«. Solche Textaussagen könnte sowohl ein diskriminierter Schwuler als auch ein gefallener Sportler oder noch jemand ganz anders von sich geben. Das Schwierige an diesem Song: Es ist alles möglich. Die Verse »You brought me fame and fortune (…) I thank you all« etwa zielen vor allem aufs Startum. Mercury selbst betonte einst, er habe neben allen persönlichen Intentionen dem Ganzen eine Stadionatmosphäre, ein Gemeinschaftsgefühl mit auf den Weg geben wollen. Mit Erfolg: »We Are the Champions« ist vor allem eine Sieges-, Selbstbehauptungs- und Sporthymne geworden, vor allem in Heterokreisen. Die »schwule Message« schwingt, wenn überhaupt, beiläufig mit. Was Mercury wirklich meinte, das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden … (ted.).