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(Film-) Festivals in Frankfurt machen: Immer eine Frage zwischen Bembel halb voll oder Bembel halb leer
Quelle: Lichter Filmfest e.V.©

Krise (in den Griff) kriegen [6]

Großes Kino, etwas heimatlos

Gregor Maria Schubert über Frankfurt & Festivalmachen

Kulturlandschaft und Kulturschaffende sind von der Corona-Krise schwer getroffen worden. Auf Urban shorts beschreiben Kulturschaffende, wie sie in diesen Wochen die Krise krieg(t)en – und wie sie diese in den Griff kriegen. In Folge 6 schreibt Gregor Maria Schubert vom Lichter Filmfest über drei sehr unterschiedliche Festival-Erfahrungen in Frankfurt und in der Region und über die Suche nach einer Heimat im Netz, in der Metropole und in der (vermeintlichen) Kleinstadt. 

[> Beitrag auf eigener Seite lesenNichts an Corona ist cool! Absolut gar nichts! Entschleunigung? Die neue deutsche Achtsamkeit? Das ansteigende Innovationsverhalten altmodischer Unternehmen? Das Ende des Reformstaus in der Politik von vorgestern? Die leicht verbesserten CO2-Werte, die unmittelbar wieder relativiert wurden, da die 1,5-Grad-Grenze lange vor 2030 überschritten sein wird? Drauf gepfiffen! Das Leid, die Pleiten und die Folgen werden noch lange unseren Alltag prägen. In Deutschland – und noch viel schlimmer – überall auf der Welt. Die weit verbreitete Meinung, Krisen liefern die Zutaten für Erneuerung, ist nicht nur verantwortungslos, sondern sie dominiert auch das Wohlstandsdenken auf der Welt. Wir sind am Arsch! Ende des Prologs!

Die Atmung einstellen ist allerdings auch keine Option. Als wir von »Lichter« Mitte März erfuhren, dass aufgrund der Corona-Pandemie öffentliche Veranstaltungen auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen, war die Enttäuschung groß. Wie alle anderen Kulturschaffenden standen auch wir vor der Frage, wie ein Kulturengagement in Krisenzeiten aussehen kann. Eine Frage, die uns sofort beflügelte. Außerdem sahen wir es als unsere Pflicht, die Kultur ein Stück weit am Leben zu halten. Aus Solidarität gegenüber den Kulturschaffenden, für die Lichter eine wichtige Bühne darstellt, aus Solidarität gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die teils über Monate an einem Programm gearbeitet haben, das von hier auf jetzt in der Schublade verschwunden wäre, und aus Solidarität gegenüber unserem treuen Publikum, dass gerade zu Beginn des Lockdowns mit großer Verunsicherung, Einsamkeit und sozialer Isolation zu kämpfen hatte. Nur wie das alles?

Schließlich fanden wir mit »Lichter On Demand«, der ersten Online-Ausgabe des Festivals, das passende Konzept für alle drei Probleme. Und das noch gleich in Pionierarbeit: Als erstes Filmfestival Deutschlands, das diesen Weg beschritt, brachte uns dies auch bundesweite Aufmerksamkeit und viel Lob. Prompt präsentierte man uns die nächsten Herausforderungen: das »Sommerkino im Altwerk« in Rüsselsheim sowie das »Freiluftkino Frankfurt«, immerhin unter leicht verbesserten Voraussetzungen. Öffentliche Veranstaltungen waren zwar wieder erlaubt, aber aufgrund der Ansteckungsgefahr auf 250 Personen beschränkt. Außerdem galt weiter eine Abstandsregel von eineinhalb Metern. Und in Rüsselsheim hatten wir sogar einen Ort (in kleineren Städten geht sowas offenbar einfacher): Im vergangenen Jahr gastierte das »Sommerkino« schon einmal auf dem ehemaligen Opel-Gelände. Eine Fortsetzung war bereits damals schnell beschlossene Sache. In zentraler Lage in Frankfurt einen solchen Ort zu finden, ist allerdings – sagen wir es vorsichtig – ein Problem …

Und während das eine Festival schon stand, suchten und sichteten wir in Frankfurt ziemlich lange. Sind aber dann doch nach langer und intensiver Suche fündig geworden. Und noch wichtiger: bekamen dies sogar noch genehmigt. Das alte Polizeipräsidium an Friedrich-Ebert-Anlage wurde es – in  bester Freiluftkino-Tradition. Das temporäre Open-Air-Kino fand von Anfang an an wechselnden Orten statt. Angefangen im Innenhof des Cantate-Saals (dem Standort von Volksbühne und Romantik-Museum), folgte die Urbanisierung verschiedenster Plätze, die allesamt zum Stadtgespräch wurden. So bot sowohl der als Kulturcampus angelegte Campus Bockenheim Heimat für außergewöhnliches Kino-Erleben als auch das ehemalige Deutsche-Bank-Areal am Roßmarkt. Die Verschiedenheit der Orte eröffnete die Möglichkeit, jährlich neue Impulse und Eindrücke zu vermitteln und eine Art Wanderkino im urbanen Kontext zu etablieren. Notgedrungen allerdings, denn einen festen Platz hätten wir viel lieber gehabt. Aber – wie gesagt – nicht so einfach in der Main-Metropole. Und dieses Jahr hätten die Menschen in dieser Stadt sogar fast ganz auf uns verzichten müssen. Das Sommerkulturangebot der Stadt ist durch Corona mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Einzig die Sommerwerft stemmte sich bisher dagegen (die hatten aber auch einen Platz). Nun stemmen wir mit – und halt einfach auch mal zwei Festivals gleichzeitig. Ist ja auch eine der leichtesten Aufgaben. Aber vielleicht verschafft es der Stadt auch mal wieder positive Effekte und Schlagzeilen …. ​