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Idylle und Moderne: Das neue Lyon vom Wasser betrachtet
Quelle: lys.©

Welt-Orte | Lettre de Lyon (lys.)

Dinostrudel. Viel Hafen. Knallfarben.

Lyon baut sich ein neues modernes Vorzeigeviertel

Von Weitem wirkt es ein wenig wie ein riesiger stählerner Dinosaurier, der sich der Stadt nähert: das Musée des Confluences des Wiener Star-Architekten Wolf Prix von Coop Himmelb(l)au. Nicht allen in Lyon gefällt das Monster-Museum – nicht nur, weil es fast 10 Jahre zu spät fertig geworden ist und 500 Prozent teurer war als geplant. Prix dagegen ist so stolz auf sein Werk, dass er fast auf dem Autobahnzubringer überfahren worden wäre, als er bei der Einweihung ein Selfie machen wollte. Der Coop Himmelb(l)au-Mitbegründer beschreibt das Musée des Confluences gern als »Strudel«. In der Architektur will er das Wasser von Rhône und Saône widerspiegeln, denn das Museum steht genau am Zusammenfluss (frz. Confluence) und nimmt den gesamten Platz der Spitze der Presqu’île (Halbinsel) ein. Prix verteidigt den Preis übrigens damit, dass es immer noch billiger sei als zwei französische Kampfflugzeuge – und viel sinnvoller. 

Der moderne metallische Prunkbau ist das Vorzeigeobjekt im Vorzeigeviertel Confluence, das jetzt zu zwei Dritteln fertiggestellt ist. Früher waren hier Hafenanlagen und Markthallen, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurden, und heruntergekommene Wohnungen hinter dem Bahnhof Perrache. In der Nähe wird jetzt ein Gefängnis aus dem 19. Jahrhundert, in dem bis 2009 Häftlinge unter katastrophalen Bedingungen lebten, in eine Uni umgebaut. Bis 2025 sollen 16.000 Menschen an der Confluence wohnen. Neben den teuren, schicken Lofts mit Dachterrassen und Blick aufs Wasser gibt es auch Sozialwohnungen wie im 2012 fertiggestellten Gebäude der Pariser Architektin Emmanuelle Colboc in der Rue Denuzière. Ein paar hundert Meter weiter ist das Einkaufszentrum Confluence  – durch das der Zug nach St. Etienne fährt – mit einem kleinen künstlichen Hafen und der Place nautique.

Die Lyoner gehen gerne entlang der Saône spazieren – auch ein Vaporetto fährt vom Stadtzentrum zur Confluence. Die Hafenarchitektur sorgt dafür, dass alles direkt am Fluss liegt: das in einer alten Zuckerfabrik untergebrachte Ausstellungsgebäude Sucrière ebenso wie die Agentur GL Events oder die Redaktion von euronews; letztere in einem knallgrünen Würfel der Architekten Jakob+MacFarlane, die auch noch einen orangen Pavillon an die Confluence gestellt haben. Das Gebäude von GL Events hat die Französin Odile Decq konzipiert. Decq hat Paris, Wien, New York und Düsseldorf den Rücken gekehrt, um ihre 2014 gegründete Architekturschule in Lyon anzusiedeln. Die Studenten lernen hinter Glasfassaden in einem umgebauten Teil der alten Markthallen. Richtig trendy sind übrigens auch noch die Leihfahrräder, die in Lyon Velov genannt werden und bereits einige Jahre vor den Pariser Velib installiert wurden. Und Sinn machen sie hier auch noch. Wer im Auto die Confluence erreichen will, wo auch die Regionalverwaltung in einem Betonklotz ihren Sitz hat, bleibt öfter mal im einspurigen Verkehr stecken. Und die Tram fährt auch nur bis etwa 23 Uhr (lys.).