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Feiert Kommerz oder Kreativität im Frankfurter Brückenviertel?
Quelle: bw.©

Brief aus dem Brückenviertel (pem.)

Brückenwall (sehn-)sucht Berlin Mitte

02.09. | Ein kleines Viertel und ein etwas zu großes Fest

Als »Frankfurts Berlin Mitte« wurde die Brückenstraße im Stadtteil Sachsenhausen vor einigen Jahren bejubelt. Innenstadtnah und doch etwas versteckt, schufen dort Kreative mit kleinen Labels auf wenigen Metern ein Flair urbaner Lässigkeit und eine Alternative zu den Shopping Malls, den Flagship Stores und der Monotonie der globalen Markenriesen. Der Hype inklusive eines veritablen Brückenstraßen-Tourismus hat sich zwar mittlerweile wieder gelegt. Und geblieben sind glücklicherweise einige der eigensinnigen Designer und verschroben-charmanten Lädchen, neue sind auch in der kreuzenden Wallstraße hinzugekommen. Doch insgesamt ist alles etwas weniger undergroundig, wenn auch (noch) nicht ganz mainstreamig geworden. Wobei unglücklicherweise das Viertel seither auch eins der am stärksten anziehenden auf der Frankfurter Gentrifizierungsskala ist. Da ist der Grat schmal zwischen originell und kommerziell.

Schon früh hatten sich verschiedene Ladenbesitzer auch zu Aktionen zusammengetan – und einmal im Jahr gemeinsam mit den umliegenden Kneipen und Anwohnern ein spätsommerliches Brückenstraßenfest gefeiert. Das kam allerdings nicht erst mit den Kreativen, sondern hat eine jahrzehntelange Tradition als Nachbarschaftsfest, zu dem jeder etwas mitbrachte. Unter dem Label »Brückenwall« ging das neue Fest 2016 in sein zehntes Jahr. Doch aus der nachbarschaftlichen Initiative ist heute ein gut vermarktetes Event geworden, das obendrein auch noch kommerzieller daherkommt, als es wohl eigentlich sein will. Nun kann man ja beklagen, dass sich in der provinziellen Enge Frankfurts wahrlich großstädtische und nicht glatt gebürstete Orte und Veranstaltungen nur allzu oft verselbständigen (der Friedberger Markt oder die Bahnhofsviertelnacht lassen grüßen …). Oder dass eine Weiterentwicklung eben nicht jedem gefällt. Doch die einstmals ganz besondere Atmosphäre der Brückenstraße war schon 2015 kaum mehr spürbar: Schweizer Straße, Berger Straße – wo sind wir hier gerade? Die Konsequenz? Nicht mitfeiern? Der Masse der Besucher, die sich zwischen Schul-, Brücken- und Wallstraße drängt, umwoben vom Geruch nach Gegrilltem vom Portugiesen, Bratwurst oder anderen Köstlichkeiten, von einem teilweile penetrant lauten Stakkato an Musikhappen aller Genres, mit dem obligatorischen »Äppler« mitten im Äppelwoi-Quartier in der Hand und – nicht zu vergessen – mit ja so super viel kreativem und coolem Zeug um sich herum, dürfte das einigermaßen egal sein. Hauptsache feiern. Auch wenn vielleicht die eine oder andere (Laden-) Tür genau deshalb an diesem Tag geschlossen bleibt (pem.).