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Raum ist in der kleinsten Röhre. Ein Blick in ein Kunstprojekt von Hiwa K. auf der letztjährigen Documenta Kassel
Quelle: Ingrid Schäflein©

Wohnen [3] | Sozialwohnungen

Wohnt halb Frankfurt zu teuer?

Der »Mietentscheid« für mehr Sozialwohnungen

»Wohnst Du noch oder lebst Du schon?«. Als Ikea 2002 diesen Spruch hierzulande in die Welt setzte, konnte wohl noch niemand ahnen, wie viele Menschen in Deutschland heute schon froh wären, wenn sie in ihrer Wohnung einfach nur wohnen könnten. Besonders wer in urbanen Zentren lebt, für den ist Wohnen zunehmend das Thema der Stunde und zuweilen sogar bereits ein Luxusgut. Vor allem, wer in einer Mietwohnung lebt und – zumindest in einem begehrten Ballungsraum wie FrankfurtRheinMain – nicht gerade zu den Topverdienern gehört. Erhöhungen von 20 oder 30 Prozent bei Neuvermietungen sind in Frankfurt keine Seltenheit mehr. Die Politik bzw. die Städte stehen der Entwicklung bisher recht hilflos gegenüber. Mietpreisbremsen, die solche Anstiege verhindern sollten, haben wenig bis nichts bewirkt.

Teil des Problems sind auch die Städte selbst, die über Jahrzehnte mit Privatisierungen und der Forderung nach Rentabilität bei ihren eigenen Wohnungsgesellschaften eines der wichtigsten Steuerinstrumente aus den Händen gegeben oder zweckentfremdet haben. Diesem Zustand wollen nun Bürgerbegehren wie der »Mietentscheid Frankfurt« entgegenwirken. In der Mainmetropole soll die städtische Wohnungsgesellschaft ABG Frankfurt Holding veranlasst werden, ihre rund 51.500 Wohnungen wieder mehr dem sozial-geförderten Wohnungsmarkt zuzuführen. Derzeit gilt dies nur für rund 15.500 oder 30 Prozent dieser Wohnungen (mit dem Rest wirkt die ABG am »normalen« Wohnmarkt mit). Um den Anteil zu erhöhen, soll die ABG künftig ausschließlich geförderte Wohnungen neu bauen und frei werdende Wohnungen nur noch als geförderte Wohnungen neu vergeben. Außerdem sollen die Mieten der ABG-Bewohner, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, auf das entsprechende Niveau von aktuell 6,50 Euro pro Quadratmeter gesenkt werden. Die Initiatoren versprechen sich davon einen deutlich sozialeren und entspannteren Wohnungsmarkt. Ihr Credo: Die Stadt müsse auch für Normalverdiener bezahlbar bleiben …

Hintergrund: In Frankfurt sind derzeit gut 30.000 und damit weniger als ein Zehntel aller Wohnungen sozial-geförderte Wohnungen, von denen wiederum [1] rund 26.000 Sozialwohnungen mit Mieten bis 6,50 Euro pro Quadratmeter und [2] rund 4.500 Wohnungen nach dem sogenannten »Förderweg 2« mit Mieten bis 10,50 Euro sind. Dem steht allerdings ein akuter Bedarf von weiteren mindestens 9.500 Wohnungen gegenüber. So viele Haushalte stehen bei den Ämtern in Wartelisten. Tatsächlich dürfte der Bedarf noch viel höher liegen. Gemäß dem Darmstädter Institut für Wohnen und Umwelt könnten zwei Drittel der Miethaushalte Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben. Faktisch würden in der Stadt damit über 100.000 günstige Wohnungen fehlen, um das längst nicht mehr nur Geringverdiener betreffende Problem in den Griff zu bekommen. Vor diesem Hintergrund möchten die Initiatoren des Mietentscheides die städtische ABG in die Pflicht nehmen. Neben ihren 15.500 geförderten Wohnungen verfügt sie über 36.000 weitere Wohnungen, die teilweise umgewandelt werden könnten. Pro Jahr baut sie zudem Tausende Wohnungen, von denen allerdings nur rund 40 Prozent gefördert sind. Ein »Zuwachs«, der sich noch verringert, da gleichzeitig bisherige Sozialwohnungen nach in der Regel 20 Jahren aus der Sozialbindung fallen. Der Vorteil einer solchen Verpflichtung läge auf der Hand: Da die ABG rund ein Sechstel der Frankfurter Mietwohnungen verwaltet, könnte ihre Umwidmung vielen Menschen Entlastung bringen. Kritiker befürchten allerdings, dass damit der Zustrom auf Frankfurt weiter wachsen und das Gewicht der ABG bei der Mietspiegelberechnung sinken könnten. Außerdem gibt es viel Gegenwind der regierenden Parteien, die den Vorstoß schlicht für nicht finanzierbar halten. Die Initiatoren halten dem auf ihrer Internetseite allerdings eigene Berechnungen entgegen. Ob das Begehren am Ende die nötige Zustimmung erhält, ist also offen. Gut möglich auch, dass am Ende ein Kompromiss stehen könnte. Zwischen den 30 bis 40 Prozent der ABG-Politik und der Bis-zu-100-Prozent-Forderung der Initiatoren liegt viel Spielraum. Eines wird der Mietentscheid auf jeden Fall bewirken: Er macht die Bedeutung der städtischen Gesellschaften als politisches Instrument wieder deutlicher … (sfo. / red.).