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Spät abends auf dem Boot der zeichnenden Hände ...
Quelle: timo.©

Best of 2019 | Downtown Frankfurt

Das Boot der zeichnenden Hände

ComiczeichnerInnen & Urban Sketchers auf dem Yachtklub

»Das Boot der zeichnenden Hände« – Es klingt wie der Titel des neuesten Abenteuers der beiden frankobelgischen Comic-Helden Spirou und Fantasio. Ort und Zeit: ein altes Hausboot am Ufer des Flusses, etwas versteckt unter einer Brücke und hinter einer bewaldeten Flussinsel, an einem lauschigen Altweibersommerabend, an dem sich die milde Wärme vom sonnigen Tag mit den ersten Oktobernebeln über dem Wasser mischen. Szenerie und Handlung: eine illustre Gesellschaft teils mondäner, teils subkultureller Stadtmenschen, toulouse-lautrec-artig gemischt mit Künstlern und Künstlerinnen sowie einigen skurrilen Gestalten der örtlichen Szene, soireeartige Lesungen unter Deck, angeregte Plaudereien an Bar und Reling, ein bohèmehaft-künstlerisches Treiben der Szenekünstler, die zwischendurch Gäste skizzenhaft aufs Zeichenpapier bannen, und erste Töne eines DJs, der seinerseits bereits die späteren Bands ankündigt …

»Das Boot der zeichnenden Hände« – Es war allerdings (noch) nicht das neueste Abenteuer der beiden Comic-Helden. Es war vielmehr die Szenerie des Frankfurter Comic Satelliten, der in den letzten beiden Jahren jeweils im Schatten der großen Buchmesse auf dem kleinen szenigen Yachtklub am Main stattfand und dabei jeweils auch zwei ungewöhnliche Communities zusammenbrachte. Womit wir bei der Handlung wären: MitgliederInnen der unabhängigen Comicszene – regional und national – trafen auf die Urban Sketcher der freien urbanen ZeichnerInnen aus der Region. Hier die ZeichnerInnen aus dem stillen Kämmerlein, die erst mit dem fertigen Produkt und ganzen Geschichten an die Öffentlichkeit treten. Dort die ZeichnerInnen, deren Werke in der Öffentlichkeit entstehen und die eher einzelne Momente festhalten. Eins eint allerdings beide Gemeinschaften: der Wunsch, zeichnerisch ihre Welt(en) zu entdecken und festzuhalten und dabei tatsächlich auch Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen.

Zwei, lang Abende lang wurde das Hausboot – tatsächlich gelegen zwischen Alter Brücke, Mainufer und Rudererinsel – jeweils Gastort dieses ungewöhnlichen Zeichentreffens, eines der eher schrägen Kunstereignisse am Rande der Buchmesse. ComiczeichnerInnen luden zu Lesungen aus ihren neuesten Bänden, darunter Spirou-und-Fantasio-Zeichner Flix (mit seinem neuen Berlin-Band), Kultautorin Katja Klengel (mit »Girlsplaining«), Christopher Tauber und Julius Klemm sowie das Independent-Label »Jazam« oder die Crew des Kasseler Verlages »Rotopol«. Dazu konter-skizzierten die VertreterInnen der Urban-Sketcher-Szene mit Sketchcrawls, Pop-up-Ausstellungen und permanentem Live-Zeichnen per Hand im Skizzenblock und elektronisch via Bildschirm die Abende. Meist in entspannter Runde mit Tusche und Stift, ließen sie sich dabei gerne über die Schultern schauen und auch für das eine oder andere Porträt einspannen. Je später der Abend, desto chilliger wird es meist auf dem Boot, auch durch die anschließenden Parties zu später Stunde. Und das Boot? Es wurde dabei selbst zur Pop-up-Ausstellung mit unzähligen kleinen Zeichnungen an den Wänden. Und wird es auch doch noch selbst zum Stoff neuer Comic-Geschichten? Vielleicht sogar des nächsten Spirou- und Fantasio-Bandes? Flix, der Zeichner des jüngsten Berlin-Abenteuers der beiden und im vergangenen Jahr selbst zur Lesung an Bord, sprach danach schon vorsichtig von »Spirou in Frankfurt«. Und wenn er es nicht einst selbst umsetzt, dann schreibt vielleicht jemand anderes nach diesen Abenden die Geschichte vom »Boot der zeichnenden Hände« … (vss.).