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Wem gehört die City?
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To Link | Neue Zürcher Zeitung

Euro-Cities als Disneyland

Zwischen Heuschreckenschwarm und VIP-Zonen

In Venedig leben 265.000 Menschen. Tendenz fallend. Jeden Sommer kommen 150.000 Besucher aus aller Welt in die Stadt – am Tag. Tendenz stark steigend. Setzen sich beide Trends ungebrochen fort, kommt irgendwann in einem nicht mehr zu fernen Sommer in »der schönsten Stadt der Welt« ein Einwohner auf einen Touristen. Das Schicksal Venedigs ist allerdings kein Einzelfall, wie in diesen Tagen in einem sehr aufschlussreichen Artikel im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung zu lesen steht. Autor Adrian Lobe hat zahlreiche europäische Metropolen bereist und schlägt gemeinsam mit den Bürgermeistern dieser Städte Alarm.

Für das Jahr 2030 werden weltweit 1,8 Milliarden Touristenankünfte in den Metropolen erwartet. Die Stadtkerne, in denen sich die Touristen dann ballen, würden von ihren Bewohnern entfremdet und entvölkert. »Traditionelle Soziotope zerfallen«, schreibt Lobe. Es drohe eine Disneyisierung mit immer mehr Hotels, Sponsoringzonen und vielleicht sogar Pay Walls um die Innenstädte. In London etwa sei kaum mehr ein Streifen Themseufer frei zugänglich, Sponsoren wie BP, Glencore und Rio Tinto beherrschen das Bild und das Silvesterfeuerwerk gibt es nur noch gegen Eintrittspreis direkt am Fluss zu sehen. Zugleich verkämen Innenstädte immer mehr zu Party- und Shoppingzonen und nähme das Benehmen der Besucher immer mehr ab. Besonders die pittoresken kleinen Städte leiden. Kommen auf 800.000 Amsterdamer jedes Jahr schon je 10 Touristen, so sind es bei den 265.000 Venezianern bereits rund 100. Beide ächzten bereits heute unter den »Heuschreckenschwärmen«. Venedig sicher deutlich mehr. Lobe zitiert deshalb auch die italienische Kulturstaatssekretärin Ilaria Borletti bereits mit Plänen für eine Eintrittsgebühr und mit dem Satz: »Venedig stirbt einen langsamen Tod des Tourismus, erwürgt von Sommertouristen, die essen und rennen und wenig bis gar nichts in der Stadt lassen«. Doch auch in Amsterdam sieht der Bürgermeister eine Entwicklung zu einer »Stadt für Touristen und nicht für seine Bewohner« … (red.).