Grüngürteltier(e) - und was man sonst so findet im Frankfurter Grüngürtel
Quelle: Stefan Cop (Stadt) / Frank Behnsen • CC BY-SA 3.0 (s.u.)©

Orte & Menschen | Im Grüngürtel

Getier & Co. im Grünen

Die Komische Kunst am Wegrand

Kunst und Natur ist rund um Frankfurt gut miteinander zu verbinden. Im Frankfurter »GrünGürtel« kann man immer wieder über Exponate der »Komischen Kunst« von Künstler*innen aus der berühmten »Neuen Frankfurter Schule« stolpern. Oder auch gezielt nach ihr und dem ein oder anderen sonstigen Kunstwerk suchen. 

Sie trägt einen weiß-gemusterten Pullover und sitzt auf einem Ast im Frankfurter Stadtwald: Die Rede ist von der »Eule im Norwegerpulli«, so der Name einer Skulptur, die nach einer Figur des 2005 verstorbenen Karikaturisten F. K. Waechter geschaffen wurde. Die Eule blickt hier an der Südseite des Jacobiweihers auf die vorbeiziehenden Spaziergänger*innen hinab und sorgt bei diesen nicht selten für Erstaunen. Wer würde überhaupt schon ein solches Wesen erwarten – und dann auch noch hier, mitten in der Natur?

Die Skulptur ist eines der Objekte einer kleinen Reihe von insgesamt 14 Werken und Orten der Komischen Kunst, die entlang des Frankfurter GrünGürtel-Rundwanderweges entdeckt werden können und eine Symbiose aus Natur und Kunst darstellen. F. K. Waechter gehört zu den Vertretern der Neuen Frankfurter Schule (NFS), also jener Gruppe, deren Mitglieder in den 1960er Jahren die Satirezeitschrift pardon gründeten und deren Werke heute im Caricatura Museum für Komische Kunst ausgestellt werden. Zu seinen Lebzeiten fertigte er Zeichnungen von Objekten in der Natur an, die er der Stadt schenkte. Die darauf dargestellten Ideen wurden nach und nach realisiert – den Anfang machte die Eule mit ihrem Strickpulli. Sie hat ihren Platz auf dem Ast bereits 2005 eingenommen. In unmittelbarer Nähe dazu sorgt am Jacobiweiher allerdings auch ein ganzer Baum für Verwunderung. Dieser pinkelt Wasser, wenn man ihm zu nahe kommt. Aber nur in den wärmeren Monaten des Jahres. »Pinkelbaum« heißt dementsprechend dieses Werk von Waechter, der damit zum Ausdruck brachte, das auch natürliche Gebilde der Natur das Zeug zu einem Werk der Komischen Kunst haben. Noch deutlicher tritt dies beim »Struwwelpeterbaum« zutage, einer Kopfweide, die auf den Schwanheimer Wiesen steht und in den wärmeren Monaten ganz wie sein literarisches Vorbild durch seine besondere Haarpracht auffällt. Mit seinen kugelrunden Augen, die in der Dunkelheit leuchten, verkörpert der Baum die humoristische Version der einst im 19. Jahrhundert vom Frankfurter Psychiater Heinrich Hoffmann erfundenen Kinderbuchfigur.

Auch der GrünGürtel selbst hat sein eigenes Maskottchen der Komischen Kunst: das »GrünGürtel-Tier« – ein Wesen, das divers ist, keinem bestimmten Getier aus der Natur zugeordnet werden kann und dennoch die Artenvielfalt spiegelt. Gestaltet hat es der 2006 verstorbene Karikaturist Robert Gernhardt. Wer die Brücke über die Nidda zum Alten Flugplatz Bonames überquert, passiert das GrünGürtel-Tier, eine Plastik aus Bronze, das dort wie ein Wächter thront. Als bisher letztes Werk, das Teil der Komischen Kunst im Frankfurter GrünGürtel wurde, gilt der »Barfüßer« in Rödelheim unweit der Nidda, der nach einer Zeichnung des Karikaturisten Kurt Halbritter in Bronze gestaltet und 2017 an seinem Platz aufgestellt wurde. Ein wirklich komisches Kriechtier, eine Art Tausendfüßer mit menschlichen Füßen und Fühlern in Form von Händen. Es zählt, wie auch die anderen Werke der Komischen Kunst mitten in Frankfurts Natur, mittlerweile zu einem beliebten Ausflugsziel innerhalb der Stadt (alf.).

Stefan Cop (Stadt) / Frank Behnsen • CC BY-SA 3.0 (s.u.)©
Das Filmmuseum - Zentrum und Spielort zahlreicher Festivals
Quelle: Barbara Walzer©

Die Region | Filmfestivals

Filme auf Leinwänden

Nonstop-Filmfest FrankfurtRheinMain

Wer in Deutschland an Filmfestivals denkt, denkt zuerst an die Berlinale. Mit Cannes und Venedig spielt sie in der ersten Reihe europäischer Festivals und misst sich zuweilen gar mit Hollywood und seinen Oscars. FrankfurtRheinMain hingegen kann nichts derartiges aufweisen. Oder doch? FrankfurtRheinMain besitzt zwar keine Berlinale, ist aber wohl die Region in Deutschland und vielleicht sogar in Europa mit den meisten einzelnen Festivals überhaupt. Über 50 Filmfeste stehen im Laufe des Jahres im Kalender – im Schnitt eines pro Woche. Die Palette beginnt bei relativ großen Akteuren wie Lichter und Nippon Connection in Frankfurt oder GoEast und exground in Wiesbaden. Und sie reicht bis hin zu den »Perlen« wie das Kurzfilmfestival in Weiterstadt mitten in einem Wald bei Darmstadt oder gar zu den »Exoten« wie dem Wiesbadener Trickfilmwochenende oder einem Putzfilmfestival, das 2018 Premiere hatte, danach aber offenbar leider wieder in der Abstellkammer verschwunden ist …

Besonders auffällig sind viele internationale Festivals, vom panafrikanischen Africa Alive, das meist am Jahresanfang steht, bis zum italienischen Verso Sud im Dezember. Dazwischen geht es locker in zwei Dutzend Festivals um die Welt: von Japan (Nippon Connection) über China (Golden Trees), Korea (Project K) und Indien (New Generations), Europa und den Nahen Osten (GoEast, Jüdische Filmtage oder das Türkische Filmfestival), eben Afrika (Africa Alive) bis hin auf den amerikanischen Doppelkontinent. Letzterer steht richtig weit vorne. Die Dìas de Cine beleuchten gleich ganz Lateinamerika, mehrere Länder wie Brasilien (CineBrasil) oder Cuba (Cuba im Film) und sogar die Dominikanische Republik haben eigene Festivals. Und manchmal gibt es wie 2023 beim Kultfestival exground in Wiesbaden noch einen Festivalschwerpunkt wie Chile op top. Nicht von ungefähr kann FrankfurtRheinMain auch mit vielen Orten aufwarten, die Originalfilmreihen im Programm haben. Doch die Palette reicht auch quer durch Generationen und Geschlechter: vom Europäischen Filmfestival der Generationen und dem Frauenfilmfestival Remake über das Queer Filmfest Weiterstadt und die Homonale Wiesbaden bis zu den vielsprachigen Jugendfestivals Lucas, visionale, Cinéfête oder Britfilms (auch wenn manche davon unter Corona mächtig gelitten haben). Ganz eigen ist auch die Landschaft für Kurzfilme vom kleinen Waldfestival in Weiterstadt über die Shorts at Moonlight bis zu den Rüsselsheimer Filmtagen. Und seit 2018 gibt es neben dem Urgestein der Animationsfilmszene, dem Internationalen Trickfilm Wochenende Wiesbaden, auch noch das sporadische, fast jugendliche Pendant Sweat & Tears in Frankfurt. Ach ja. Noch gar nicht erwähnt sind die sommerlichen Freiluftkinos wie der Lichter-Ableger Freiluftkino Frankfurt, die Filmtage in den Reisinger Anlagen in Wiesbaden, das Open Air-Programm im Hafen 2 in Offenbach oder der Filmsommer in Mainz. Und wem das nicht reicht, der findet an den Rändern der Region mehr: bei den Openeyes in Marburg, dem Dokfest in Kassel, dem Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen oder dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Kurzum: FrankfurtRheinMain ist eigentlich von Januar bis Dezember ein einziges großes Nonstop-Filmfestival. Für eine Berlinale wäre wohl gar kein Platz mehr frei im regionalen Festivalkalender … (vss.).


Was uns beschäftigt und beschäftigen sollte
Quelle: Museum Angewandte Kunst / Nassauischer Kunstverein©

Zwei Ausstellungen

Seltene Einblicke …

... die uns beschäftigen (sollten)

Wir Journalist*innen sehen viele Ausstellungen im Laufe eines Jahres. Aus dieser Fülle filtern wir die heraus, die wir unseren Leser*innen ans Herz legen. Und zugegeben: In dieser Fülle sind auch viele, bei denen wir uns schon fragen, ob wir dieses Sujet oder jene Machart nicht schon dreimal, viermal oder wer-weiß-wie-viel-mal gesehen haben. Doch dann gibt es auch Ausstellungen, die uns höchst seltene Einblicke geben, die in Erinnerung bleiben und uns im Wortsinn beschäftigen. So wie zwei Ausstellungen im Jahr 2023, die gegensätzlicher nicht sein könnten – und doch so viel gemein haben.

Eine von beiden kann jede/r sofort an jedem Bildschirm mit Internetanschluss besuchen. »Hidden Statement – Art in Afghanistan«, ein Projekt des Goethe-Instituts Rom und des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden mit weiteren Partner*innen, zeigt in einer virtuellen Ausstellung aktuelle Kunst aus Afghanistan. Eindrucksvolle Einblicke in ein Land und in die Kunstszene eines Landes, in das wir im Augenblick so gut wie gar nicht mehr hineinblicken können. Einfache Eindrücke, was die Menschen dort gerade bewegt und wie es ihnen geht. Mit Leichtigkeit und doch bedrückend. Von Künstler*innen, die zur Sicherheit mit Pseudonymen geschützt werden müssen. Gute Kunst obendrein, digital sehr hochwertig umgesetzt. Kunst aber, die geeignet ist, einen nicht nur von der Machart, sondern auch von den Inhalten zu beschäftigen. Bilder – man/frau verzeihe die abgegriffene Wortwahl –, die buchstäblich mehr sagen als viele Worte. Und die vieles, worüber hierzulande debattiert wird, banal erscheinen lassen …

Ganz anders eine reale Ausstellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt. »Was wir sammeln«, so der Titel. »Womit wir uns (wirklich) beschäftigen«, könnte man die Schau auch nennen. Mehr oder weniger bekannte Gestalter*innen geben in dieser Schau einen seltenen Einblick, was sie persönlich aus Interesse oder einfach gestalterisch anspricht, was sie im wahrsten Wortsinn in ihrem eigenen Leben gesammelt haben. Vom Edel-Bike bis zu Bananen-Etiketten: Die ausgewählten Gestalter*innen geben in kleinen Schauvitrinen und jeweils einem begleitenden Text tiefe und seltene Einblicke in das, was sie so in ihrem Leben beschäftigt bzw. beschäftigte. Und in ihre – und vielleicht auch unser aller –  Psyche(n) gleich mit. Sehr aufschlussreich: Manche Texte sind höchst geistreich, wenn etwa über die Schwierigkeiten beim Sammeln von Bananenetiketten berichtet wird. Andere – und hier verkneifen wir uns die Beispiele – spiegeln eher den Hang der Schreibenden zur Selbstbeschäftigung und -darstellung als zur Darstellung oder gar Beschäftigung (mit) einer Leidenschaft. Ob in Frankfurt oder in den virtuellen Weiten des Nassauischen Kunstvereins: Die Besucher- und Betrachter*innen erfahren höchst seltene Einblicke – in Themen, die uns alle beschäftigen, und in solche, die uns alle beschäftigen sollten … (ver.).

Museum Angewandte Kunst / Nassauischer Kunstverein©
Die Onleihe Hessen
Quelle: Onleihe Hessen©

Online | Onleihe Hessen

Kiosk auf dem Sofa

Magazine und Zeitungen online

Sommerferien bieten viele Möglichkeiten rauszugehen. Im Winter geht das natürlich auch. Doch erstens ist hierzulande der Winter schon lange nicht mehr das, was er noch vor ein paar Jahrzehnten war, und glänzt mithin eher mit tristem Dauerregen als mit ausgedehnten Schneelandschaften. Und zweitens ist gerade in diesen Tagen viel Kulturlandschaft ebenfalls auf Sparflamme unterwegs; sieht man einmal von Kinofilmen und Ausstellungen ab. So bleibt manchmal nur, auf dem Sofa zu bleiben und die Kultur in den eigenen vier Wänden zu suchen. Eine gute Zeit, mal wieder in Magazinen zu blättern oder Zeitungen zu lesen. Eine Möglichkeit: rausgehen zum Kiosk, dann reingehen zum Lesen. Eine andere: die heimische Stadtbibliothek – zumindest, wenn man in Hessen zu Hause ist. »Onleihe« heißt deren Online-Ausleihe, die man bequem vom Sofa aus auf Laptop, auf Tablet oder Smartphone ansteuern kann. Den Service können alle Menschen nutzen, die einen Wohnsitz in Hessen und einen meist kostengünstigen Ausweis ihrer Stadtbücherei haben.

Im Angebot: ein Großteil der Bücher, Zeitschriften und sonstigen Medien, welche man normalerweise auch in den Regalen der Bibliotheken findet. Nun allerdings als E-Book oder E-Paper über das eigene E-Reader-Format der Onleihe bequem zugänglich. Zugegeben: Bücher digital zu lesen, ist nicht jedermanns oder jederfraus Sache (auch unsere nicht wirklich). Magazine und Zeitungen, vergänglicher und weniger haptisch, allerdings schon eher. Das Angebot der Onleihe ist bei Magazinen und Zeitungen allerdings etwas eingeschränkt, um Verlagen nicht direkt Konkurrenz zu machen. Aber überregionale Zeitungen wie die »Süddeutsche«, die »Neue Zürcher« oder die »taz« sind meist morgens tagesaktuell in der Auslage zu finden. Auch regionale Zeitungen wie die »FAZ« sind an diesem Kiosk zu haben, allerdings ohne die lokalen Teile. Komplett von den halbwegs relevanten Zeitungen in und um Frankfurt fehlt eigentlich nur die »Rundschau«. Etwas zeitverzögert sind Magazine wie »Spiegel«, »Stern« & Co. zu haben, die man verständlicherweise erst zwei, drei Wochen nach Erscheinen findet. Bis dahin kann – und sollte – man/frau sie zumindest vorbestellen. Die Ausnahme sind die großen Sonntagszeitungen, die wie Tageszeitungen am gleichen Tag zugänglich sind. Ebenfalls mit Verzögerung kommen viele andere Magazine wie »National Geographic«, »c’t« oder »Architektur & Wohnen«. Wer einmal anfängt zu stöbern, dürfte aber durchaus bei vielen spannenden Artikeln fündig werden. Und Hand aufs Herz: Wer muss die neuesten Forschungsergebnisse zu Flugsauriern schon tagesaktuell lesen – Hauptsache, sie werden ihm oder ihr ansprechend präsentiert. Auf jeden Fall reichen ein paar Ferien-, Feier- und Sonntage kaum aus, sich da so durchzustöbern. Einzige Voraussetzung, wie gesagt: ein Bibliotheksausweis für meist wenige Euro im Jahr. Eine gute Ergänzung zur täglichen Lektüre der eigenen Tageszeitung ist das Angebot damit allemal … (sfo.).

Onleihe Hessen©
The Cube von Jens J. Meyer
Quelle: Internationaler Waldkunstpfad©

Orte & Menschen | Darmstadt

Zur Kunst in den Wald

Der Internationale Waldkunstpfad

In Europa lebten die Menschen ja bekanntlich vornehmlich im Wald. In manchen Ländern wie Österreich gäbe es sogar ganze »Waldstädte«. Zugegeben: Das war ein Gerücht, in die Welt gesetzt von einem einst im Weißen Haus residierenden einschlägigen Europa-Experten, der noch dazu Fachmann für Gerüchte und Fake News war. Doch so ganz Fake war diese News dann ausnahmsweise mal doch nicht. Zwar scheint an den Waldstädten wenig dran zu sein. Aber ein Internationales Waldkunstzentrum gibt es sehr wohl in Europa. Und das liegt im Wald bei Darmstadt. Und das ist durchaus renommiert, war es doch das erste seiner Art, das auch bereits Nachahmer in China, den USA und sogar in Österreich gefunden haben soll (was vielleicht auch das Gerücht wiederum erklärt).

Nun, mit Venedig oder der Documenta kann das seit nunmehr bereits zwei Jahrzehnten bestehende Zentrum mit dem zugleich ersten Internationalen Waldkunstpfad noch nicht mithalten. Doch eine Biennale gibt es auch im Wald bei Darmstadt. Im Sommer 2022 war zu sehen: die Jubiläumsbiennale unter dem Motto »Kunst/Natur/Wandel«. Rund zwei Dutzend Künstler*innen aus verschiedenen Ländern füllten dabei den Wald mit Kunst rund um Klima-, sozialen und digitalen Wandel. Zuvor war im Corona-Jahr 2020 »Kunst/Natur/Identität« das Biennale-Motto. Die Künstler*innen füllen diese Themen dann immer wieder aufs Neue mit Leben und mit zahlreichen Installationen, Performances und BankART. Da man im Waldmuseum aber nicht dazu neigt, nach einer Biennale alles wieder wegzuräumen, lassen sich auch nach und zwischen den Biennalen viele der Kunstwerke immer noch auf eigenen Führungen oder auch einfach so besichtigen. Und auch zur Zeit sind nicht nur Werke von 2022 zu sehen. Der digitale Wandel ist übrigens auch im Waldkunstzentrum und auf dem zugehörigen Pfad eingekehrt. Gemeinsam mit dem Verein »Kultur einer Digitalstadt« wurde das Ganze auch digital vermessen und digitalisiert. Zum einen, um den Waldkunstpfad auch im Netz zugänglich zu machen. Zum anderen, um eingeladenen Künstler*innen auch ein Vorbereiten oder sogar Gestalten ihrer Werke aus der Ferne zu ermöglichen. Der Fokus soll allerdings weiterhin darauf liegen, ein realer Ort der Begegnung zu sein, also Natur, Kunst und Menschen zueinander zu bringen; 2022 sogar erstmals mit einem »Jungen (Kunst-) Wald«, den Schulklassen gestaltet haben. Ach ja, schlecht besucht ist das »Waldmuseum« auch nicht gerade. Bis zu 200.000 Menschen sollen sich dort pro Jahr einfinden. Deutlich weniger zwar als im Städel, der Schirn oder dem Senckenberg-Museum in Frankfurt, aber ebenso deutlich mehr als im Historischen Museum, dem für Angewandte und erst recht dem für Moderne Kunst in Frankfurt. Und das sind denn in der Tat keine Gerüchte, sondern ganz und gar belastbare Fakten … (ver.).

Internationaler Waldkunstpfad©
Abends in Sachsenhausen: Die Wendeltreppe in der Brückenstraße
Quelle: Barbara Walzer (bw.)©

Bücher & Menschen | Die Wendeltreppe

Eine Treppe und zwei Miss Marples

Mit 4.000 Titeln erste Adresse für Krimifans

Zu Orten der Kultur zählen ganz sicher auch Antiquariate und Buchhandlungen. Dort kann man herrlich stöbern, sich inspirieren lassen und die ganze Welt der Literatur entdecken. Und: Die meisten von ihnen sind selten überlaufen. In der Reihe »Bücher & Menschen« stellen wir einige der besonderen Buchorte in Frankfurt vor. 

[> Beitrag auf eigener Seite lesenDer kleine Buchladen am Rande des Brückenviertels gehört heute zum festen Inventar des Sachsenhäuser Kultquartiers. Und: Er ist selbst längst Kult geworden. 4000 Titel, ausnahmslos Krimiliteratur, stehen gut sortiert in den Regalen. Auch ein kleines Buchantiquariat ist Teil des Angebots. Die Wendeltreppe – sie ist seit über drei Jahrzehnten das Reich der beiden Krimi-Expertinnen Jutta Wilkesmann und Hildegard Ganßmüller. Mittlerweile fast schon selbst zwei veritable Miss Marples, kennen sie fast alle Autor*innen und Inhalte, können beraten und laden immer mal wieder am ersten Donnerstag im Monat zu einer Lesung in das Geschäft ein. An diesen Abenden, bei denen sie auch von Freund*innen unterstützt werden, gehe es darum, in entspannter Atmosphäre über die Bücher und ihre Inhalte zu sprechen und einen lebendigen Austausch zu ermöglichen. Wie viele Krimis sie selbst schon gelesen haben, können sie nicht genau beziffern. Auf jedem Fall »sehr viele«. Deswegen sind Krimi-Fans auf der Suche nach spannenden Büchern hier auch an der richtigen Adresse.

Ein persönliches Erlebnis brachte Jutta Wilkesmann Ende der 80er Jahre auf den Gedanken, eine Buchhandlung für Kriminalliteratur zu eröffnen. Damals, so erzählt sie, sei das Genre lange nicht so populär gewesen wie heute. Auch sie selbst habe erst spät damit angefangen, Krimis zu lesen. »Freunde hatten mich dazu gebracht.« Dass sie ihrer Buchhandlung den Namen »Die Wendeltreppe« gab, ist nicht dem gleichnamigen US-amerikanischen Thriller von Robert Siodmark aus dem Jahr 1946 zu verdanken. Von dem hängt zwar ein Plakat an der Wand des Geschäfts, doch es ist vielmehr die Wendeltreppe selbst, die es in den ersten Räumen der Buchhandlung gab und die im Februar 1989 in der Brückenstraße eröffnete. Trotz eines Umzugs vier Jahre später in einen größeren Laden ein paar Häuser weiter, steht auch dort immer noch eine Wendeltreppe zur Dekoration. Sie ist ein Symbol dessen, was den Buchladen für Kriminalliteratur, den Wilkesmann seit seinen Anfängen mit Unterstützung von Hildegard Ganßmüller führt, ist: Eine Oase für Krimi-Fans und solche, die in unserer schnelllebigen Zeit ein- und abtauchen wollen in die Welt des Genres …

Erst seit den 90er Jahren wurden Krimis unter Buchlesern immer beliebter, weiß Wilkesmann. So beliebt, dass sie sogar regelmäßig eine kleine Zeitung für ihre Kunden herausbrachten: das »Kriminal-Journal«. »Irgendwann war der Aufwand aber so groß, dass wir die Zeitung eingestellt haben«. So oder so sind Krimis für Wilkesmann immer viel mehr als nur Mord. »Mich fasziniert, dass Krimis immer sehr schnell auf politische, gesellschaftliche und soziale Zustände reagieren«. Übertragen auf die reale Welt, bedeute dies, dass auch eine Gesellschaft immer bemüht sein müsse, den Täter zu finden, weil sie sonst nicht überleben könne und Misstrauen entstünde. Ein guter Krimi müsse daher auch immer gut recherchiert sein. Doch auch das Krimigeschäft unterliegt dem Wandel. Die Zeiten haben sich verändert, nicht nur im Hinblick auf Technik und das Leseverhalten. Wilkesmann nennt als Beispiel den Brexit, der sich unter anderem auch auf den Bezug der Bücher von britischen Verlagen auswirkt. Doch wie genau, das zeige sich – wie bei einem guten Krimi – wohl auch hier erst nach und nach … (alf.)

Barbara Walzer (bw.)©
Das Gude - ein Wasserhaus der neuen Art. Nur an der Distanz muss noch etwas gearbeitet werden ...
Quelle: Catalina Somolinos©

Orte & Menschen | Frankfurt

Neues Trinken an alten Mauern

Frankfurt und seine wiederbelebten Wasserhäuschen

Über Jahrzehnte gehörte das Wasserhäuschen in Frankfurt zum Alltag, ein sozialer Ort, an dem alle Generationen und Milieus einander trafen. Wo es menschelte und der Büdchenbesitzer schon wusste, wie viele Biere oder Schokoriegel man abends so kaufen wollte. Doch gerade das wollten viele Menschen irgendwann nicht mehr und haben die Anonymität eines Supermarktes oder einer Tankstelle vorgezogen. Am Büdchen strandeten nur noch die, die man lieber nicht treffen wollte. »Büdchensterben« nannte man das dann irgendwann. Doch was da starb, waren nicht nur ein paar Steine. In Zeiten, in denen über Zusammenhalt, Integration und Partizipation viel diskutiert wird, war am Büdchen eigentlich genau das gelebt worden. Und dies ist keineswegs nur als Wasserhäuschen-Romantik zu verstehen. Vielerorts ist der Büdchen-Alltag auch rauh und traurig. Wie das Leben in der Großstadt eben. Und gerade das schätz(t)en die Menschen.

Schon vor Corona erlebten diese Büdchen ihre Renaissance. In den Corona-Monaten jedoch lebten sie regelrecht auf. Für die einen wurden sie ein wichtiger Ort der Grundversorgung, wenn man sich nicht mit vielen Menschen im Supermarkt aufhalten wollte. Für die anderen wurden sie ein letzter Ort des Socialising mit ausreichender Social Distance in diesen Tagen. Vor allem in der  zuweilen etwas feineren Variante: wie eben wortwörtlich das »Fein« oder etwas abgespacter auch das »Gude« im Nordend. Das eine, sonst die kleine feine Plüsch-Oase mit der oft sehr kreativen Kuchen-Auswahl in der lauschigen Wallanlage, das in Corona-Tagen zur Ausgabe-Theke für frischen Kaffee und Kuchen wurde, den man und frau dann weitläufig rundum auf Parkbänken oder Picknickdecken im zwischenzeitlich vielleicht größten Café Frankfurts nutzen konnte. Das andere der (großflächige) Viertel-/ Kaltgetränke-Treff an der Hauptverkehrsachse, bei dem zwar die 1,50-Meter-Abstandsregel auf einer Verkehrsinsel mitten auf der Friedberger Landstraße selten ganz berücksichtigt, dafür aber ein letztlich auch nicht ganz unwichtiger letzter Teil von Miteinander gepflegt werden konnte (auch wenn mit zunehmender Lockerung nicht wenige es auch lockerer mit Müll und Lautstärke sahen). Überhaupt: Egal, wo das Büdchen steht, in der an Grünflächen reichen Bürgerstadt Frankfurt fand sich immer eine passende Außenfläche. Oder man stand mit dem entsprechenden Abstand einfach so auf einem freien Platz …

Ob vor, ob während, ob nach Corana – das Kulturgut »Trinkhalle« ist Kult. Vereine und Initiativen entstanden mittlerweile rund um die Wasserhäuschen. Die »Linie 11« etwa, die einmal im Jahr sogar den »Frankfurter Wasserhäuschentag« feiert(e). Was vor Jahren zunächst als Aktion einiger Frankfurter Jungs im besten Partyalter startete, ist heute mittlerweile ein ordentlicher kleiner Verein, der als Experte in Sachen »Wasserhäuschen« gefragt ist. Die »Linie 11« hat den Kult nicht unwesentlich mitbegründet und setzt sich für den Erhalt sowie die Pflege eines vom Aussterben bedrohten Frankfurter Kulturgutes ein. Und das Engagement kommt von Herzen – nicht nur, wenn von der legendären gemischten Tüte oder von dem einzigartigen Charme der so ganz unterschiedlichen Büdchen geschwärmt wird. Ob die interaktive Wasserhäuschen-Karte, das erste Wasserhäuschen-Infomobil der Welt oder die Vernetzung der Büdchen-Betreiber: Die Macher haben immer wieder frische Ideen, um die Menschen der Stadt für ihre Traditionshäuschen zu begeistern. Genauer: Sie hatten. Denn seit einiger Zeit wird die Webseite nur noch sporadisch betrieben. Aber noch immer können auf einer interaktiven Karte auch Neu-Frankfurter oder letzte Corona-Gestrandete ihr persönliches Wasserhäuschen finden …

Begonnen hat alles übrigens um die vorletzte Jahrhundertwende, als Frankfurt schon einmal boomte. Sauberes Wasser kam damals nicht aus dem Hahn, sondern eben vom Wasserhäuschen, für das die Stadt gesorgt hat. Heute ist es längst als Treffpunkt und kleiner Laden »um die Eck« wiederentdeckt worden und Teil einer neuen Kultur des urbanen Zusammenlebens. Viele alt eingesessene und auch neue Büdchen mit kreativen Geschäftsideen gehören mittlerweile fest zum Leben im Quartier mit dazu. Genauso wie der Kult um sie, wie es die »Linie 11« oder auch die normalerweise einmal im Jahr auf Tour gehenden Jungs und Mädels vom »Trinkhallen Hopping« pflegen. Um es mit der »Linie 11« zu sagen: »Wir lieben Wasserhäuschen«. Und sie stehen damit offenbar längst nicht mehr alleine – am Wasserhäuschen. Und das zum Glück auch noch lange nach Corona-Zeiten … (pem.).