Klima | Urban Special

Die Spitze(n) des Eisbärs

Ein urban special zu Klima und Umwelt

Zur ARTE-Sendung Schwerpunkt: Ernstfall Klima +- 5 Meter 1: Schwimmender Eisbär, Nunavut, Kanada © Joe Bunni Foto: ZDF Honorarfreie Verwendung nur im Zusammenhang mit genannter Sendung und bei folgender Nennung "Bild: Sendeanstalt/Copyright". Andere Verwendungen nur nach vorheriger Absprache: ARTE-Bildredaktion, Silke Wölk Tel.: +33 3 881 422 25, E-Mail: bildredaktion@arte.tv
»Plus/Minus 5 Meter« (Arte) – Im Kampf gegen steigende Meeresspiegel | Foto: Arte

Vom 30.11. bis 12.12.2015 tagten in Paris Regierungschefs, Minister und Experten aus aller Welt, um über die Zukunft des Globus angesichts von Ozonloch, Erderwärmung und steigenden Meeresspiegeln zu beraten und schließlich mit dem Abkommen von Paris mal kurz die Welt zu retten. Im großen Stil taten dies damals auch die Medien weltweit mit Fernsehsendungen, Artikeln und Aktionen. Für drei Wochen entstand der Eindruck, einmal den fast kompletten Eisberg der Klimakatastrophe und nicht nur seine Spitze zu sehen.

Nach drei Wochen tauchte der Eisberg wieder ab. Mehr oder weniger gerettet. Die Welt, die Politiker und die Medien wanden sich wieder anderen Themen zu. Der »normale« (mediale) Reflex. Grund für urban shorts, das die globale Rettungsaktion damals mit einem Eisbär und seinen ganz eigenen ausgewählten Spitzen begleitet hatte, das Thema in einem eigenen urban special  »Spitzen des Eisbärs« zu erhalten. Wie schon damals fischen wir gemeinsam mit dem urban shorts eisbär, artgerecht ausgeliehen von arte, weiter im Netz der Netze nach den besten Filmen, Artikeln und Aktionen. Als kleines Zeichen dafür, dass wir auch weiter an das Klima und den Eisbären denken (sollten). Die Seite wird regelmäßig ergänzt (red.).

©
Ausnahmsweise keine Katastrophe, sondern Bilder aus einem Übungscamp für Rettungskräfte
Quelle: ZDF / Dieter Stürmer©

Im Netz | 3sat dokumentiert

Stürme. Erdbeben. Vulkane.

Die Natur. Die Gewalten. Und der Mensch.

In Bonn tagte im November die Weltklimakonferenz. Wie dringlich deren Arbeit ist, zeigt aktuell indirekt eine Reportage-Reihe von 3sat und Terra X. Sie handelt von Stürmen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Dies sind drei von vielen immer häufiger und heftiger werdenden Naturkatastrophen, welche die Erde seit einigen Jahren heimsuchen. Stürme, wegen denen in den USA ganze Landstriche evakuiert werden müssen. Erdbeben, die in Italien ganze Orte zerstören. Vulkane, die in Asien zum Alltag gehören. Ereignisse, die dabei aber nicht selten miteinander zu tun haben und einander bedingen. Etwa, wenn Erdbeben Vulkanausbrüche begünstigen oder auslösen können. Und ein Naturereignis ein anderes wie einen Dominoeffekt folgen lässt. Autor Stefan Schneider schaut in den drei Reportagen »Vulkane«, »Erdbeben« und »Stürme« auf diese drei Gewalten. In der vierten Folge »Wenn die Erde verrückt spielt« schließlich zeigt er die Zusammenhänge auf zwischen diesen Gewalten. Die Abhängigkeiten, die dabei sichtbar werden, machen letztlich deutlich, dass eine falsche Klimapolitik nicht nur Folgen in einem Bereich hat. Sondern auch einen Dominoeffekt, mit dem sich die Folgen potenzieren können … (red.).

ZDF / Dieter Stürmer©
Greta Thunberg - Anfang vom Anfang
Quelle: Anders Hellberg • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©

Urban:ist | Fridays for Future

Ein einziges Kind ging voran

Greta Thunberg (16) und der Klimaschutz

»Fridays for Future« – Die Bewegung für das Klima nimmt immer mehr Fahrt auf. Rund um den Globus, um dessen Zukunft es geht, nehmen freitags an immer mehr Orten immer mehr Jugendliche an diesem Streik für das Klima teil. Am 15. März sollen es beim Global Climate Strike For Future rund eine Million Kinder und Erwachsene in über 100 Ländern gewesen sein. Allein in Brüssel, Berlin und Paris waren rund 100.000 Menschen dabei. In ganz Deutschland streikten 300.000 Schüler*innen für ihre Zukunft und für die des Planeten. Was dies bewegt, zeigt ein einziger kleiner Vergleich. Noch drei Monate zuvor begann dieser Streik mit einer einzigen 16jährigen Schülerin in Schweden, die vor dem Parlament in Stockholm für ihre Ziele demonstrierte.

Mittlerweile wird Greta Thunberg ernst genommen. Auch wenn am Anfang der Versuch stand, sie zu vereinnahmen. Die Organisatoren des »World Economic Forum« hatten Greta Thunberg ins Schweizerische Davos eingeladen. Sie ahnten wohl kaum, dass die Schülerin mit den langen Zöpfen ihnen dort die Leviten lesen und ihnen wünschen würde, dass sie sich fürchten sollten. »I don’t want you to be hopeful, I want you to panic. I want you to feel the fear I feel every day and then I want you to act«, sagte Greta Thunberg. »Ich möchte nicht, dass Ihr Hoffnung habt, ich will, dass Ihr Panik bekommt. Ich möchte, dass Ihr die Angst fühlt, die ich jeden Tag fühle, und dann will ich, dass Ihr handelt …«.

Nach Davos, wo sich jedes Jahr im Januar die Mächtigen der Welt treffen, ist Greta Thunberg mit ihrem Vater aus Stockholm mit dem Zug  gereist. Die 16-jährige Klimaaktivistin will – wie viele Skandinavier – nicht mehr fliegen, weil das die Umwelt viel schlimmer belaste, als mit der Bahn zu fahren. Das haben die Experten schon auf der Klimakonferenz in Paris als Tipp zu den Journalisten gesagt: »Fly less…«. Doch wie so oft scheint Klimaschutz immer erst einmal bei anderen anzufangen. Greta Thunberg hingegen lebt das vor, was sie fordert. Und sie nutzt die Podien, die man ihr bietet – auch wenn man dies sicher ursprünglich aus anderen Gründen tat. Und das, obwohl sie an Asperger leidet, und sagt, dass sie eigentlich gar nicht im Mittelpunkt stehen möchte. Doch sie will das tun, was andere – insbesondere die Protagonisten in Davos – nicht tun: »Die Leute reden nur und tun nicht, was sie sagen«. Dass manche wie der Publizist Henryk M. Broder sie verächtlich eine schwedische »Wiedergängerin von Jeanne d’Arc« nennen und von einem »weltweiten Hype« sprechen, ficht sie nicht an. Greta Thunberg scheint vielmehr glaubhaft zu widerlegen, dass der / die Einzelne ja doch nichts tun könne … (lys./vss.).

Anders Hellberg • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©
Holländische Tulpenfelder - kleines Beispiel, wie der Mensch die Erde (um-) gestaltet
Quelle: Daily Overview / Digital Globe©

To think | Ein neues Erdzeitalter

Am (Plastik-) Müll sollt ihr sie erkennen

Wissenschaft nähert sich dem »Zeitalter des Menschen«

»Ein neues Zeitalter hat begonnen«. Politiker*innen und Journalist*innen geht dieser Satz oft leicht über die Lippen. Wissenschaftler*innen tun sich damit schwerer. Weltweit rangen Geologen um nichts Geringeres als um ein neues Erdzeitalter. Kommissionen wurden gebildet und arbeiteten darauf hin, das neue Zeitalter auszurufen. Begleitet wird dies von Kongressen und Ausstellungen rund um den Globus, um den es geht. In den Worten der Wissenschaftler gesprochen soll das »Anthropozän« auf das »Holozän« folgen. Übersetzt heißt das: Das »Zeitalter des Menschen« soll das »Ganz neue«, das bisher jüngste, Zeitalter ablösen. So gewaltig nämlich ist in ihren Augen der Einfluss dieses Menschen auf unsere Zeit. Und zwar auch gemessen an den gewaltigen Zeiträumen, in denen Geologen denken.

Deshalb soll das aktuelle und damit neueste Erdzeitalter nun nach »dem Menschen« benannt werden. Es geht um »sein Werk«: die Klimaerwärmung und steigende Meeresspiegel, um radioaktiven und industriellen Fall out, um fortschreitenden Raubbau und Umweltverschmutzung, um die künftigen Sedimente betonierter Städte und den ausufernden Plastikmüll auf der Erde und in den Weltmeeren. Es geht um Einflüsse und Ablagerungen, die sehr langfristig auf und in der Erde wiederzufinden und zu messen sind. So sehr, dass sie sich von allen Vorangehenden unterscheiden (werden). Was real und gefühlt jedem bewusst lebenden Menschen eigentlich klar ist, wird nun auch wissenschaftlich festgestellt: der Mensch verändert die Erde – definitiv. Ob »der Mensch« dann auch stolz darauf sein kann, dass nach ihm ein Erdzeitalter benannt ist, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall zeigt es an, was der Mensch bei der Gestaltung dieser Erde in der Hand hält. Die Frage ist nur: Wer wird das nächste Zeitalter nach dem des Menschen ausrufen? Sollte dies allerdings dann tatsächlich noch einmal der Mensch sein, wird die Frage wohl lauten, von welchem Planeten aus er dies tun wird … (vss.). 


Der Klima-Kalender - hier noch Anfang Januar
Quelle: Mareen Bender©

Kunststück | Mareen Bender

Beim Schmelzen zusehen

Ein 365-Tage-Eisberg als Klima-Kalender

Die oft zitierte Klimakatastrophe ist für viele Menschen ein reichlich abstraktes Problem. 500 Milliarden Tonnen Eis verlieren die Polarkappen jedes Jahr. Eine beeindruckende Zahl. Doch schwer vorstellbar. In den letzten 20 Jahren ist das Polareis schneller geschmolzen als in den 10.000 Jahren zuvor. Auch das kommt kaum ins Bewusstsein, weil kaum ein Mensch (zu-) sieht, wie das Eis so langsam abschmelzt und die Meeresspiegel steigen lässt. Um auf dieses Problem – das tatsächliche und das der Wahrnehmung – aufmerksam zu machen, hat die Frankfurter Designstudentin Mareen Bender einen dreidimensionalen Klimakalender kreiert. Statt Kalenderblätter abzureißen, nimmt man Tag für Tag eine Schicht vom modellierten Eisberg weg. Tag für Tag kann man dem Eis praktisch beim Schmelzen zusehen. Es genau genommen wie in der realen Welt sogar selbst herbeiführen. Und unter den abgenommenen Schichten Tag für Tag neue Fakten über das Schmelzen und über die Folgen für Klima und Globus nachlesen. Ein eindrucksvolles Kunstwerk und ein politisches Statement (vss.).

Mareen Bender©
Sie sehen, Sie sehen nichts. Biologin untersucht eine Wasserprobe. Aber 99 Prozent des Plastiks im Meer sind unsichtbar
Quelle: Via Découvertes / Arte©

Im Netz | 3sat/Arte

Das Meer, der Müll – und der Mensch

Ein Kreislauf - kaum sichtbar, aber nicht ungefährlich

Die Gefahr ist mit bloßem Auge kaum sichtbar: 236 Millionen Tonnen Plastikabfälle treiben durch die Weltmeere. Kleingemahlener, durch UV-Licht und Meerwasser zersetzter Zivilisationsmüll von der Plastiktüte bis zum Fischernetz sowie industrielles Mikroplastik aus Duschgels oder Peelings. Seit 1950 ist die jährliche Kunststoffproduktion um mehr als das Zweihundertfache auf 311 Millionen Tonnen gestiegen. Sechs Millionen davon landen im Meer – ein Müllfahrzeug pro Minute. Längst sind diese teilweise Milli- und Nanometer kleinen Partikel in die Ökosysteme der Ozeane eingedrungen. Entlang der gesamten maritimen Nahrunsgskette steht Mikroplastik auf dem Speisezettel. Und am Ende landen die Überreste des eigenen Plastikmülls wieder beim Menschen. Teilweise noch angereichert um Insektizide und potenzielle Krankheitserreger … 

Arte und 3sat haben sich zuletzt in mehreren beachtlichen Beiträgen diesem zunehmend beunruhigenden Kreislauf gewidmet. Ein Kreislauf, der nicht nur für die Ökosysteme der Meere und für deren Bewohner immer bedrohlicher wird. Sondern der mittlerweile auch beim Menschen selbst wieder angekommen ist – auch wenn noch immer unklar ist, was die Aufnahme der Partikel im menschlichen Körper bewirkt. Die Arte Dokumentation »Mikroplastik im Meer« beschreibt diesen Kreislauf und auch die Gefahren, die etwa durch gespeicherte Krankheitserreger entstehen. Gleich in mehreren kurzen Beträgen über ein Jahr hinweg hat das 3sat-Wissenschaftsmagazin nano die Gefahr des Plastikmülls in den Meeren sowie in den Flüssen Rhein und Donau dokumentiert und teils alarmierende Erkenntnisse gewonnen. Ein weiterer Beitrag zeigt die Gefahr, die von Fleece-Kleidung ausgeht. Diese vornehmlich aus Mikrofasern bestehenden Pullover und Hosen sondern bei jedem Waschgang bis zu 2000 ihrer Fasern unaufhaltsam in die Kanalisation ab. Last but not least hinterfragt 3sat in »Lizenz zum Zumüllen« auch Öko-Aktionen für die Wiederverwertung von Plastikmüll. Sie wird von Wissenschaftlern durchaus auch kritisch gesehen – da sie auch kontraproduktiv sein könnte (sfo.). 


Der Bosco Verticale in Mailand
Quelle: Paolo Rosselli / Deka©

Zeitzeichen | Bosco Verticale

Beton. Balkone. Bäume.

Ein begrüntes Hochhaus in Mailand

In der verdichteten Großstadt sind Wald und Natur weit weg. Um das menschliche Bedürfnis nach Grün zu bedienen, sind neue Ideen gefragt. Ein spektakuläres Experiment ist nun in Mailand zu sehen. Dort sind zwei neue Wohnhochhäuser bewaldet worden. Bosco Verticale – vertikaler Wald – heißt das Projekt des Architekten, Stadtplaners und früheren Kulturdezernenten von Mailand, Stefano Boeri, bei dem Architektur und Natur eine Symbiose eingehen sollen. Zu diesem Zweck sind die Fassaden der beiden 80 Meter beziehungsweise 112 Meter hohen Wohntürme mit insgesamt 800 Bäumen und Tausenden Stauden, Sträuchern und Bodendeckern bepflanzt worden. Die Pflanzen sorgen für eine natürliche Klimatisierung der insgesamt 113 Wohnungen. Um diesen positiven Effekt weiß man zwar schon lange, gleichwohl ist Bosco Verticale eine Pionierleistung. Es gibt noch keine Erkenntnisse, wie die Pflanzen in den obersten Stockwerken auf Wind, Sonne, Regen und Schnee reagieren. Um beispielsweise zu verhindern, dass bei einem Windstoß die Erde davongeblasen wird und 100 Meter tief auf die Straße fällt, hat die Botanikerin Laura Gatti eigens eine festere Blumenerde für die Wurzelballen gemischt.  Nicht zuletzt diese Innovationsfreude ist mit dem Internationalen Hochhauspreis der Stadt Frankfurt gewürdigt worden (cfr.).