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Künftig eigene Verkehrsbereiche für Smombies?
Quelle: AlphaWhiskey • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©

Neuer urbaner Autismus

In der Welt der Smombies

Smartphones und der öffentliche Stadtraum

Wir sind immer digitaler, vernetzter, smarter. Das hat unseren Horizont erweitert, neue Möglichkeiten eröffnet und durchaus auch Lebensqualität mit sich gebracht. Einerseits. Andererseits zuckt die Hand, sehnt sich das Auge mittlerweile unausgesetzt nach dem Display des Smartphones und wird ein auch nur Minuten währender optischer oder akustischer Verzicht auf die 200 besten Freunde offensichtlich immer weniger denkbar. Doch wie sehr man diesem Verlangen nachgibt, ist längst nicht mehr nur eine individuelle Entscheidung, denn die unentwegte Fokussierung auf das eigene Smartphone ist vor allem für Stadtbewohner im öffentlichen Raum zunehmend gefährlich. Dies belegen die steigenden Unfallzahlen. Sie konterkarieren das Ziel von Politik und Verkehrsexperten: die Vision Zero, also keine Verkehrstoten und mehr Verkehrssicherheit. Handy-Verbote am Steuer sind ein kleiner Schritt dahin.  Doch offenbar keiner, der bei den meisten Fahrern und Fahrerinnen ankommt.

Doch nicht nur Autofahrer*innen, sondern auch Radfahrer*innen und vor allem Fußgänger*innen leben zunehmend in ihrer eigenen Welt. Sorgsam abgeschirmt über Kopfhörer und Headsets, weggetaucht in virtuelle Welten ihrer Videos, Textnachrichten und wichtiger Telefonate. So stehen sie dann im günstigsten Falle mitten im Wege herum. Und im ungünstigsten Falle – für ihre Umwelt – bewegen sie sich auch noch. Das Netz hat längst einen Namen für sie: Smombies – Smartphone Zombies. Doch gerade das alltägliche Miteinander in der großstädtischen Enge basiert eigentlich im Wesentlichen auf nonverbaler Kommunikation und sozialer Interaktion. Welchen Pfad am anderen vorbei wähle ich? Hat mich der andere Verkehrsteilnehmer wahrgenommen? Wo kommen Hindernisse auf meinem Weg? Wer sich hieraus zu Gunsten auch der tollsten virtuellen Welten freiwillig verabschiedet, entscheidet sich für einen letztlich traurigen Autismus. Nicht zuletzt, weil viele Sinne verkümmern und er oder sie das Spannendste verpasst: Vielfältige und überraschende Menschen, Farben, Dinge, Gerüche und mehr, die ihn oder sie umgeben. Auch das ist ein Faktor für urbane Lebensqualität. Bislang. Noch funktioniert der Alltag in unseren Straßen weitgehend, doch der Unfalltrend ist alarmierend. Wenn er sich fortsetzt, werden Verkehrsplaner und Stadtentwickler nach sinnvolleren Lösungen suchen müssen. So könnte das, was bis vor kurzem noch als spinnerte Idee in Shanghai und im chinesischen Chongqing belächelt wurde, bald auch in unseren Städten zum Straßenbild gehören:  Die Smartphone-Spur auf Gehwegen. Und vielleicht Bußgelder für Fußgänger, die außerhalb dieser Zone dann verbotenerweise auf ihr Mobiltelefon starren. Aber möglicherweise wird auch die Technik einfach noch smarter, indem die Idee der selbstfahrenden Autos adaptiert wird: Die obligatorische und am besten sprachgesteuerte App – ganz innovativ auch als Implantat erhältlich – des Wegnavigators für Fußgänger. Wie erfolgreich die selbstfahrenden Autos und die fremdgesteuerten Menschen dann im Stadtraum zusammenleben (oder wer überlebt), ist eine andere Zukunftsfrage … (pem.).