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Der Autor. In Deutschland.
Quelle: Götz Schleser / Carl Hanser Verlag©

Buch des Jahres | 2017

Unter Weißen

Mohamed Amjahid über Deutschsein

Eine Frau im Dirndl hält den »Zeit«-Reporter Mohamed Amjahid am Hauptbahnhof in München 2015 für einen Flüchtling aus Syrien – und will ihm um jeden Preis ein Stück Seife schenken. Das ist nur eine der vielen unglaublichen Szenen, die Amjahid in seinem Buch »Unter Weißen. Was es heißt, privilegiert zu sein« beschreibt. Amjahid arbeitet beim »Zeit-Magazin«. Er ist 1988 in Frankfurt am Main geboren, dann aber mit seinen Eltern nach Marokko gezogen, wo er Abitur gemacht hat. Zum Anthropologie-Studieren kam Amjahid vor einem Jahrzehnt zurück nach Deutschland. In seinen Geschichten vom alltäglichen Rassismus hierzulande hält er uns »Biodeutschen« den Spiegel vors Gesicht. Er habe einmal, so Amjahid, mit den Feldforschungsmethoden der Anthropologie auf die europäische und vor allem auf die deutsche Gesellschaft geschaut.

Wie fühlt es sich an, in Deutschland zu leben, aber ein bisschen anders als blond und blauäugig auszusehen? Darüber sind schon einige Bücher geschrieben worden. Aber selten so gut wie von Mohamed Amjahid. Menschen wie er erleben den Rassismus tagtäglich am eigenen Leib. Etwa wenn die Frau in der U-Bahn ihre Tasche ein bisschen fester packt, weil er sich neben sie setzt. Das Problem beginnt schon bei der Sprache. Der Journalist selbst nennt die wie er etwas dunkelhäutigeren Menschen auch auf Deutsch »People of Colour«. Dieser Ausdruck und die Abkürzung »PoC« haben sich bisher allerdings kaum durchgesetzt. Meist drucksen wir – auch in journalistischen Texten – irgendwie herum. Rassismus sei, so Amjahid, allerdings kein deutsches, sondern ein strukturelles Problem, das seit Jahrhunderten systematisch in unsere Gesellschaften, Familiengeschichten, Köpfe und Seelen gehämmert wurde. Selbst seine eigene Mutter, die in Marokko lebt, wünscht sich für ihn eine möglichst biodeutsche Freundin und vor allem ein blondes Enkelkind. Indem man darüber rede, könne man den Rassismus und die Kolonialgeschichte – von der Frankreich stärker geprägt ist als Deutschland – besser aufarbeiten und abmildern, erklärt Amjahid. Am Ende des durch viele interessante Anekdoten aus dem Leben des Autors sehr spannenden Buches gibt es den »Ultimativen Selbsttest: Wie weiß sind Sie?«. Für alle »Biodeutschen«. Ein Ausdruck, den übrigens vor allem die zu kritisieren scheinen, die bei diesem Test nicht so gut abschneiden … (lys.).