©

Impulse | Corona und Wohnen

Mieter*innen entlasten!

Ein Gastkommentar von Lisa Hahn

Corona hat die Krise auf den Wohnungsmärkten verschärft und trifft vor allem Mieter*innen. Durch Kurzarbeit sinken die Einkommen, Aufträge bleiben aus und Kündigungen lassen die Ersparnisse schrumpfen. Damit wächst die Angst vor der nächsten Monatsmiete. Mieten-Aktivistin Lisa Hahn (aktiv bei »Eine Stadt für alle« und »Mietentscheid Frankfurt«) schreibt über die Situation der Mieter*innen: Bei vielen fallen Mietschulden an und es sind mehr mietrechtliche Beratungen und Transferleistungen nötig. Abhilfe könnten für sie ein »Sicher-Wohnen-Fonds« mit Geldern der Immobilienwirtschaft und mehr bezahlbarer Wohnraum schaffen.

[> Beitrag auf eigener Seite lesenMitte Juni berichtete der Deutsche Mieterschutzbund (DMB), dass bereits bis zu zehn Prozent der mietrechtlichen Beratungen auf Corona-bedingte Veränderungen zurückzuführen sind. Das entsprach etwa 10.000 hilfesuchenden Mieter*innen. Umso unverständlicher ist es da, dass der Sonder-Kündigungsschutz auf Bundesebene zum 30. Juni – nach nur drei Monaten – nicht verlängert wurde. Eine Verlängerung bis Ende September konnte gegen die Stimmen der Union nicht durchgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Kündigungsschutz-Regel im »Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie« eine zentrale Frage offen lässt, denn sie gewährt lediglich einen Zahlungsaufschub. Das heißt: Mieter*innen, die bis zum 30. Juni 2020 nicht die volle oder gar keine Miete zahlen konnten, dürfen zwar bis zum 30. Juni 2022 nicht wegen dieser Mietrückstände gekündigt werden. Allerdings muss die in Corona-Zeiten zu wenig gezahlte Miete nachgezahlt werden. Unbeantwortet bleibt, wie dieser angehäufte Miet-Schuldenberg abgezahlt werden soll.

Dabei war die Situation vieler Mieter*innen bereits vor Corona prekär: Stetige Mietsteigerungen trugen zur (schleichenden) Verarmung vieler Mieter*innen bei, und immer mehr Geld muss(te) für die Miete herhalten. Mietzahlungen waren für viele nur unter erheblichem finanziellen Aufwand überhaupt möglich. Haushalte unterhalb der Armutsgrenze mussten 2018 im Durchschnitt gar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Damit haben viele Einkommen schon vor Corona oft kaum für die Miete, geschweige denn zum Sparen ausgereicht. Dann kam das Virus und viele Menschen erlebten Einkommenseinbußen oder -ausfälle, als das öffentliche, kulturelle und teilweise betriebliche Leben in Deutschland ab Mitte März massiv zurückgefahren wurde. Nur einen Monat später wurde bereits von einer massiv gestiegenen Zahl an Wohngeldanträgen berichtet. Bei den oben dargestellten Zahlen ist es kein Wunder, dass viele Menschen in der Corona-Zeit auf Transferleistungen angewiesen waren und es weiterhin sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wirtschaft bestenfalls langsam wieder anläuft und einige Konzerne wie Galeria Karstadt-Kaufhof oder Lufthansa umfangreiche Stellenstreichungen in und um Frankfurt angekündigt haben. Es ist daher abzusehen, dass viele Mieten eine große monatliche Belastung bleiben und viele weitere Mieter*innen nach Aufbrauchen ihrer Ersparnisse verzögert in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden.

Zur Abhilfe schlagen der DMB und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) einen »Sicher-Wohnen-Fonds« gemeinsam mit der Immobilienwirtschaft vor. Dabei solle der Staat einspringen, wenn Menschen ihre Miete nicht mehr zahlen können. Die Mietenbewegung und einige kritische Wissenschaftler*innen stellen die weitergehende Forderung auf, dass hauptsächlich die Immobilienunternehmen in einen solchen Fonds einzahlen sollen. Sie sollen sich an den Kosten der Krise beteiligen, sind sie doch nicht selten für überteuerte Mieten verantwortlich. Um das Wohnen langfristig krisensicher zu machen, als Menschenrecht anzuerkennen und Menschen die Angst vor der nächsten Mieterhöhung zu nehmen, ist zusätzlich zu einer kurzfristigen Corona-Hilfe langfristig mehr bezahlbarer Wohnraum nötig. Dafür setzt sich in Frankfurt seit 2018 ein breites Bündnis ein und fordert den »Mietentscheid« mit den Zielen dauerhafter Erhalt und Schaffung von mehr geförderten Wohnungen. Doch der Mietentscheid wird derzeit von der Frankfurter Stadtregierung aus CDU, SPD und Grünen ausgebremst. Anstelle einer Abstimmung, für die 25.000 Bürger*innen bereits unterschrieben haben, soll es zunächst ein Gerichtsurteil geben. Klar ist, dass eine Regelung zur Entlastung der Mieter*innen gefunden werden muss. Mieter*innen dürfen nicht einfach mit dem Miet-Schuldenberg von der Politik allein gelassen werden, und mehr bezahlbarer Wohnraum ist dringend nötig. Ansonsten wird sich die Verdrängung von Geringverdienenden aus dem Stadtgebiet von Großstädten wie Frankfurt durch Corona und dessen Folgen massiv verschärfen …