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Blickt man auf den Vergleich Pkw - Bahn ist das Ein-Euro-Ticket in Wien ein Erfolg
Quelle: Wiener Linien©

Blaupausen | ÖPNV Österreich

365 Euro als Grundkonsens

Österreich will den ÖPNV einfach revolutionieren

Ein Euro am Tag, 365 Euro im Jahr – für viele das neue Modell, die Bahn zum Rückgrat moderner Mobilität zu machen. Doch wie weit kommt man damit? Aus Österreich stammt eine Idee, die auch mehr als nur den nahen Umkreis abdecken könnte und mit politischem Willen finanzierbar wäre. Dort kann man seit einigen Jahren für 365 Euro durch Wien fahren. Und mittlerweile für rund 1.000 Euro durch das ganze Land … 

Wie(n) ÖPNV geht – Schon seit Jahren macht Österreichs Kapitale vor, wie mit etwas politischem Willen ein kostengünstiger Öffentlicher Nahverkehr machbar ist. Vor einem Jahrzehnt führte die Stadt auf den sogenannten »Wiener Linien« das 365-Euro-Ticket ein. »Um einen Euro am Tag«, wie die Einheimischen sagen, dürfen Wiener und Wienerinnen seither alle Busse und Bahnen der Kapitale nutzen. Vor zwei Jahren legte die schwarz-grüne Bundesregierung nach – um dabei gleich den gesamten Bus- und Bahnverkehr im Alpenland zu revolutionieren. »1-2-3-Euro-Ticket« hieß damals deren charmante wie einfache Idee. Ein komplettes Bundesland (zu denen auch Wien zählt) für einen Euro am Tag. Zwei Bundesländer für zwei Euro. Und ganz Österreich für drei Euro …

Ein bisschen zerfleddert wurde das Konzept seither schon. Von »1-2-3« spricht kaum noch einer. Aber pünktlich zum Nationalfeiertag am 26. Oktober 2021 – wenn auch im Windschatten der Kanzler-Krise im Lande etwas untergegangen – wurde das Österreich-Ticket eingeführt. Für rund 1.000 Euro (1095 Euro regulär und 949 Euro zur Einführung) kann man mit einem sogenannten »Klima-Ticket« den gesamten Schienen- und Busverkehr im Land nutzen. Österreicher*innen scheinen die Idee gut zu finden. Kurz nach Einführung brachen erstmal die Netze zusammen; die zum Buchen, nicht die zum Fahren. Das General-Abo scheint in der Tat eine smarte Sache zu sein. Selbst für 1095 Euro im Jahr wäre das Ticket nur rund halb so teuer wie die aktuelle ÖBB-Jahreskarte der Österreichischen Bundesbahn, die noch dazu nur auf den Fernstrecken gilt. Auch in der Schweiz ist ein vergleichbares Angebot vier Mal so teuer (wenn auch mit dem besseren Bahnnetz). Allerdings ist das Klima-Ticket auch eindeutig eine politische Entscheidung. Rund 250 Millionen Euro pro Jahr muss der Bund vorerst zuschießen. Einige Fachleute kritisieren das Ticket zudem auch als zu billig. Hinzu kommt, dass es unterhalb des Landes-Tickets mit den 1- und 2-Euro-Tickets noch mächtig hapert. Das dickste Brett, so heißt es, sind die 2-Länder-Tickets, die kaum vorankommen. Zu unterschiedlich oft Kassen- und Interessenlagen sowie politische Mehrheiten. Dazu kommt die Vielzahl einzelner Verkehrsverbünde. Doch selbst mit dem 1-Euro-Ticket klappt es nicht überall so wie in Wien. Andere Länder zogen zwar schon mit, aber die Preise können dort schon mal bis knapp 700 Euro reichen …

Dabei hätte das »1-2-3-Euro-Ticket« durchaus Charme. Beispiel nochmals Wien: Seit Einführung hat die Stadt selbst fast den Dreisatz geschafft. Gab es vor 2012 noch 363.000 Jahreskarten-Besitzer*innen, so sind es heute bald drei Mal so viele: stolze 850.000 im Jahr 2019 vor Corona. Das sind rund 30 Prozent der Menschen, die im Großraum Wien leben. Allerdings: Kostendeckend ist auch hier der Zuwachs nicht, 40 Prozent der Kosten trägt die Stadt. Der politische Wille dazu ist im meist rot regierten Wien jedoch vorhanden. Und ein Teil des Geldes kommt nur indirekt aus der Stadtkasse. So gibt es in Wien etwa eine Unternehmens-Umlage, die direkt in dieses Ticket fließt, und eine flankierende »Parkraumbewirtschaftung«. Soll heißen: Die Stadt hat den Parkraum verringert und teurer gemacht. Ersteres machte Autofahren in der Stadt unattraktiver, letzteres federt die ÖPNV-Kosten für die Stadt ab. Ein weiterer wichtiger Baustein in Wien: Vor Einführung des neuen 365-Euro-Tickets hatte die Stadt ihre »Wiener Linien« deutlich ausgebaut. Denn darüber sind sich Verkehrsexperten einig: Der Preis alleine macht es nicht. Gleichzeitig müssen Anreize wie etwa eine gute Taktung und ausreichender Platz geschaffen werden. Ähnlich ging übrigens auch das Großherzogtum Luxemburg vor, das 2019/20 nach einer massiven Aufrüstung seinen ÖPNV kostenlos machte. Ob dies auch ein Modell für Deutschland ist, dürfte auch hier eine Frage des politischen Willens sein. Das bundesweite Neun-Euro-Ticket 2022 hat den Appetit geweckt. Über die 365-Euro-Variante denken bereits diverse Länder, Städte und Verkehrs-Verbünde nach. Ob daraus später auch Mehr-Länder-Tickets oder eine bundesweite (DB- und) ÖPNV-Flat wird, muss sich wohl noch zeigen. Wenn es in dem Modell überhaupt einer bundesweiten Komponente bedürfen würde. Denn der Bedarf der meisten Menschen ist wohl viel regionaler … (sfo.).