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Die Straße als Begegnungsstätte im Herzen der Stadt
Quelle: Heiner*blocks / Feline Hammer©

Impuls | Zukunft der Stadt

Barcelona in Darmstadt

Heiner*blocks für autoarme Quartiere

In einigen Städten der Region wird derzeit fleißig nachgedacht über »autoarme« Viertel, um die Lebensqualität in diesen urbanen Zentren zu erhöhen. Mit mehr Platz für Spielen und Begegnung, für Kinder, Fußgänger*innen, Radfahrer*innen oder Rollstuhlfahrer*innen. Neue Viertel werden von Anfang an »autoärmer« gedacht. Das Problem sind allerdings die bestehenden und gewachsenen Viertel, in denen Autos das Bild dominieren. In Frankfurt und Wiesbaden hatten dieses Jahr »Sommerstraßentage« eine Anmutung gegeben, wie Viertel, Plätze und Straßen auch aussehen könn(t)en. Darmstadt scheint hier mittlerweile einen Schritt weiter zu sein. Für die aktuelle Legislaturperiode haben sich die Regierenden von Grünen, CDU und Volt ein erstes Modellviertel im Stadtzentrum vorgenommen. Rund um das zentrale Martinsviertel im Herzen der Stadt präsentiert derweilen die junge Initiative »heiner*blocks« bereits seit über einem Jahr Ideen und Pläne für ein solches autoarmes Viertel oder zumindest für den Weg dorthin …

Das Quartier Lichtenbergviertel mit verkehrsberuhigten Ein- und Ausfahrtstraßen sowie Plätzen und zahlreichen Pfosten, die ein direktes Durchqueren verhindern. Quelle: heiner*blocks / Christina Kuhl mit Google Maps ©

Vorbild für Stadt und Initiative ist die Stadt Barcelona. Dort werden bereits seit vielen Jahren ganze Straßenblöcke zu sogenannten »Superblocks« umgebaut, die man mit dem Auto nicht mehr einfach durchfahren, sondern in die man meist nur ein- und umgehend wieder ausfahren kann. Kreuzungen sind darin zu Plätzen gemacht worden, Straßenflächen begrünt, Spiel- und Begegnungsflächen sind entstanden (s. Beitrag »Masterplan mit Superillas«). Diese Idee spiegelt sich auch in Darmstadt im 2021 beschlossenen Koalitionsvertrag für die kommenden fünf Jahre wider. »Innerhalb der aktuellen Legislaturperiode realisieren wir ein autoarmes Bestandsquartier als Pilotprojekt«, heißt es dort. Im September gab es einen offiziellen Beschluss der Stadtverordneten dazu, der die Umsetzung auf die zweite Hälfte 2023 festlegt. Offen ist, ob mit Quartier etwa das gesamte Martinsviertel oder nur ein Straßenblock wie etwa das darin gelegene Lichtenbergquartier gemeint ist. Die Initiative »heiner*blocks« – eine Gruppe anfangs meist junger Menschen aus den zentralen Vierteln, die mittlerweile auch Anhänger*innen in anderen Altersgruppen gefunden hat – hat der Stadt zumindest schon mal eine Art Blaupause für eben jenes Lichtenbergquartier entworfen, das auch Favorit als Startpilot zu sein scheint. Auf den Plänen sieht man ein ausgeklügeltes Netz an Einbahnstraßen, die jeweils nur kurz ins Viertel hinein- und dann abknickend wieder aus dem selben herausführen. Zumindest Anwohner*innen haben so weitgehend Zufahrt zu ihren Anwesen. Außerdem sind abgegrenzte Plätze für Begegnungen eingezeichnet sowie Ampeln an den Stellen, an denen die Fußgänger*innen und Radfahrer*innen bevorzugt das Viertel verlassen könnten. Der allgemeine Autoverkehr hingegen würde über die roten Hauptverkehrsachsen um das Viertel herum geführt. Das Viertel selbst würde den Anwohner*innen gehören. Ein kleines Dorf in der Stadt sozusagen …

Ein Entwurf für die acht Teilquartiere des Martins- (rechts) und des Johannesviertels (links), die nach und nach in Super- oder Heiner-Blocks verwandelt werden könnten. Quelle: heiner*blocks / Maximilian Keiner©

Die Initiative begrüßt den Plan der Stadt, würde sich allerdings ein schnelleres Vorgehen bereits vor dem Sommer wünschen. Folgt man der Initiative der heiner*blocks, könnten nämlich dann bereits zügig die ganzen Innenstadtquartiere nach und nach in solche Super- oder Heiner-Blocks umgewandelt werden. Die Initiator*innen um Maximilian Keiner sind sich allerdings auch im Klaren, dass dies nicht von heute auf morgen geht. Zu groß wären wohl die Umgewöhnungen und der Druck auf die parkplatzsuchenden Anwohner*innen. Neue Möglichkeiten wie Quartiersgaragen müssten in den Vierteln und um sie herum geschaffen werden. Bei rund zehn Prozent der derzeit geparkten Autos ist hingegen wohl damit zu rechnen, dass sie im Zuge der neuen »Parkraumbewirtschaftung«, also der allgemeinen Monetarisierung des aktuellen Parkraums, in die Hinterhöfe und auf die Grundstücke verschwinden werden. Dies hat die Stadt ohnehin bereits für 2023 beschlossen. Weitere zehn bis 20 Prozent, so die Erfahrungen aus anderen Projekten, werden wohl erst gar nicht mehr in diese Viertel einfahren und parken. Aus diesen Gründen will die Stadt erst einmal ausprobieren und auswerten, bevor sie das Projekt ausweitet. Auf jeden Fall scheint es zwischen der Stadt und der Initiative große Schnittmengen zu geben. Quartiersgaragen, Diagonalsperren auf Kreuzungen, die das direkte Kreuzen verhindern, oder Sommerstraßen und -plätze sind ebenfalls Bestandteile des Koalitionsvertrages und werden auch bereits angegangen. Das Lichtenbergviertel oder sogar weitere Teile des Martinsviertels sollen gute Chancen haben, dabei den Start für ein Stück Barcelona in Darmstadt zu geben. Der Zeithorizont eines solchen Pilotprojektes dürfte wohl dann ein Jahr sein. Es wäre zugleich das erste Projekt dieser Art in Hessen und in der Rhein-Main-Region. In Städten wie Frankfurt oder Wiesbaden dürfte man die Ergebnisse mit Interesse verfolgen. Dort sind ähnlich konkrete Pläne bisher noch nicht bekannt geworden. In Frankfurt etwa wurde in diesem Sommer lediglich einmal mehr auf dem Mainkai herumexperimentiert … (vss./sfo.).