Es gibt wohl wenige Beiträge, für die es so viele schöne Überschriften gäbe oder bereits gibt. »Ticket sucht Anschluss«, »Umsteuern bitte«, »Warum einfach, wenn …«, »Das Geld liegt auf der Straße«, »Wo ein Wille, da ein Ticket« oder einfach »Zahlen, bitte …«. Zugegeben: Die erste Idee haben wir uns von der Süddeutschen ausgeliehen, und die anderen hatten bestimmt auch schon andere wortfindige Kolleg*innen. Was aber lediglich zeigt, dass eine Fortsetzung des Sommermärchens Neun-Euro-Ticket Charme hätte, manche Probleme lösen würde und entgegen vieler Unkenrufe wohl auch mach- und finanzierbar wäre. Selten nämlich hatte ein Sparpaket der Bundesregierung politisch wohl so viel Sinn gemacht für Umwelt und Gesellschaft, so viel Entlastung in teuren Zeiten gebracht und obendrein auch noch reichlich Spaß gemacht. Okay: Ticketkontrolleur*innen müssten umschulen. Aber sonst sind wenig Kollateralschäden bekannt. Selbst die sonst so kritischen Deutschen schauen bei dem Preis- und Spaßfaktor großzügig über Missstände hinweg. Und das alles bei derart überschaubaren Kosten: Selbst der skeptische Verkehrsminister kommt beim Nachrechnen nicht auf mehr als zehn bis zwölf Milliarden Euro pro Jahr für das Ganze …
Gegenstimmen? Okay, eineinhalb. Zum einen die des Bundesfinanzministers. Aber der ist bekanntlich voreingenommen, weil von Berufs wegen gegen vieles, was Geld kostet. Und die andere halbe Stimme kommt von eben jenem Parteikollegen und Verkehrsminister, der aber zumindest zuletzt schwankte, sich sogar eine zweimonatige Fortsetzung und eine ausführliche Prüfung im Herbst vorstellen konnte. Nun, normalerweise kommt von Finanzministern immer die Aufforderung, »Gegenfinanzierungen vorzuschlagen«, wenn ihnen ein Projekt missfällt. Damit es nicht am Ende daran scheitert, hätten wir hier schon einmal ein paar alternative Gegenfinanzierungsideen mit Geld, das im Bundeshaushalt bereits vorhanden ist. Das Öko-Institut und das das Umweltbundesamt – das eine sitzt auch in Berlin, das andere ist eine Bundesbehörde, könnten also schnell zu Rate gezogen werden – haben etwa letztes Jahr in zwei Studien zwei recht dicke »Batzen« im Bundesetat gefunden, die ihrerseits etwas mit Verkehr zu tun haben, nicht unbedingt umweltfreundlich sind – und fast schon reichen würden, das Neun-Euro-Ticket alleine zu finanzieren. Das wären zum einen die Privatnutzung von Dienstwagen, die laut Berechnungen des Öko-Instituts den Bund jährlich bis zu sechs Milliarden Euro kostet. Und es wäre die Pendlerpauschale, welche die gleichen Kosten verursacht und zumindest bei einem Teil der Klientel über das Neun-Euro-Ticket eigentlich auszugleichen wäre (mehr dazu weiter unten). Doch damit nicht genug: In ähnlichen Größenordnungen bewegen sich auch die Förderungen für Diesel und Flugbenzin, die zu streichen mit über 16 Milliarden Euro alleine das gesamte Paket finanzieren könnten (wobei hier teilweise die Mithilfe der EU notwendig wäre). Nimmt man gar beides zusammen, kommen unterm Strich Minimum 25 Milliarden Euro pro Jahr heraus. Damit ließe sich nicht nur das Neun-Euro-Ticket finanzieren, sondern gleich noch der ÖPNV fit machen für den Ansturm an Fahrgästen und die Regionen für einen Anschluss an das dann deutlich bessere Netz. Und es wäre wahrscheinlich noch genug Geld übrig, um allen, die dann tatsächlich auf dem Land noch einen Anschluss an den nächsten Bahnhof per Auto brauchen, noch einen Tankrabatt zukommen zu lassen. Dann würde das Ganze sogar fast schon nach einem Verkehrs-Wende-Konzept aussehen – und würde zwei Ministern vielleicht auch die Hauptrollen im etwas schiefen Remake von »Die Zwei von der Tankstelle« ersparen …
Ach ja: Die Zahlen sind übrigens nicht neu. Sie waren – zusammen mit noch ein paar weiteren Zahlen und Vorschlägen – vor genau einem Jahr schon einmal an dieser Stelle zu lesen. Damals ging es noch darum, das Klima zu retten und die Verkehrswende voranzubringen. Fragt sich: Wie viele Gründe braucht man(n) im Bundeskabinett noch, um Zeitenwenden nicht nur zu verkünden, sondern vielleicht auch mal praktisch umzusetzen? Klima, Umwelt und rund 30 bis 40 Millionen Ticket-Besitzer*innen würden sich ganz sicher freuen über dieses Paket. Und niemand müsste sich mehr Gedanken machen, ob sich 19, 29 oder 69 Euro als Alternative anböten … Apropos 69 Euro. Für ungefähr dieses Geld kann man in Österreich durchs ganze Land fahren. Als dies letztes Jahr verkündet wurde, hielten Verbandsfunktionäre hierzulande dies für kaum übertragbar auf Deutschland. Nun schlagen die gleichen Funktionäre es als ihr eigenes Nachfolgemodell vor. Ihnen könnte die Politik jetzt noch etwas entgegenkommen. Dann würde für beide gelten: Wo ein Wille ist, ist am Ende auch ein Ticket … (vss.).