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Übersehen konnte man Straßenbahnen in der Mittelmeermetropole Montpellier noch nie wirklich
Quelle: Magnus Manske / IngolfBLN • CC BY-SA 2.0 (s.u.)©

Blaupause | Montpellier

Einsteigen und losfahren

Stadt schenkt Bewohner*innen ÖPNV

Straßenbahnen in Montpellier sind schon seit geraumer Zeit etwas besonderes. Nicht nur, dass einige von ihnen zu den buntesten und farbenprächtigsten Exemplaren in ganz Europa zählen dürften. Wer einmal in der südfranzösischen Mittelmeer-Metropole war, weiß auch, dass Montpellier eine der wenigen Städte ist, in der man mit der Straßenbahn fast bis an den Strand fahren kann. Zumindest bis an die »Etang« geheißenen Wassergebiete ganz nahe am Meer. Für wen das ein Grund ist, nach Südfrankreich umzuziehen, der oder die haben seit einem halben Jahr noch mehr Freude an den Trams. Seit kurz vor Weihnachten ist Montpellier die größte Stadt Europas mit kostenlosen Bussen und Bahnen – zumindest für ihre Bewohner*innen. Rund eine halbe Million Menschen in und um Montpellier dürfen seither den ÖPNV der Stadt ohne Ticket nutzen. In dieser Größenordnung absolut einmalig in Europa.

Rund 40 Millionen Euro lässt sich die Stadt das Fahrvergnügen ihrer Bürger*innen pro Jahr extra kosten. Der Großteil dieser Ausgaben sei, so die Mobilitätsdezernentin, aber schon wieder eingespielt. Montpellier profitiert dabei davon, dass es eine französische Boomtown am Mittelmeer ist – und dass in Frankreich Städte ansässige Unternehmen ab elf Mitarbeitenden an den Kosten für den örtlichen ÖPNV beteiligen dürfen. Da Montpellier seit Jahren wächst, immer mehr Unternehmen anzieht und jedes Jahr rund 8.000 Menschen sich neu in der Stadt ansiedeln, spült diese Steuer jedes Jahr viele Millionen Euro in die Kassen der Stadt. Für die Unternehmen, so die Dezernentin, sei diese Infrastruktur neben dem Meer und der fast garantierten Sonne ein echtes Plus für ihre Mitarbeiter*innen, wie Umfragen ergeben hätten. Nicht von ungefähr sind die Nutzerzahlen für das recht gut ausgebaute Netz von Bussen und Bahnen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten gerade in den letzten Monaten um rund 25 Prozent gestiegen. Und es hilft gegenzusteuern, denn mit den Zugezogenen stieg zuvor auch jedes Jahr die Zahl der neu zugelassenen Autos um mehrere Tausend. Unternehmen sind übrigens nicht die einzigen, die in Montpellier noch zahlen. Auch die nach Südfrankreich kommenden Tourist*innen zahlen weiterhin ihr Billet. Verkehrsexpert*innen aus aller Welt schauen aber mittlerweile schon mit großem Interesse auf das Experiment im Süden Frankreichs. Bisher nämlich waren es vor allem kleinere Städte wie zum Beispiel Tallinn in Estland oder das ebenfalls französische Dunkerque / Dünkirchen, die mit einem kostenlosen ÖPNV experimentiert haben. Gerade wirtschaftsstarke Städte denken dabei ebenfalls an eine Art Mobilitätsabgabe wie in Frankreich. Zuletzt machte auch um den Jahreswechsel herum Frankfurts Verkehrsdezernent mit dieser Idee von sich reden. Bisher ohne Erfolg. Wobei es an den zuziehenden Wirtschaftsunternehmen und der steigenden Einwohner*innenzahl nicht liegen kann. Vielleicht fehlt aber irgendwie noch die direkte Verbindung zum Meer. Und die Sonne vielleicht auch des Öfteren … (sfo.).