Nicht nur Tiere finden die kleine Floßinsel interessant
Quelle: Guillaume Bontemps / Ville de Paris/Presse©

Blaupausen | Bürgerbudgets

Die eigene Stadt mitgestalten

Franzosen entscheiden direkt mit über Etats

Ob ein Floß oder eine Insel – Das mögen die Betrachtenden entscheiden. Auf jeden Fall beleben die 35 grün-braunen Quadratmeter, die auf dem kleinen Ourcq-Kanal in Paris am Ufer angedockt haben, den Fluss vielfältig. 350 Uferpflanzen sind darauf zu Hause – und mittlerweile nistende Vögel, zahllose kleine Krebse, Muscheln und allerlei sonstiges sichtbares und unsichtbares Getier. Das »radeau végétalisé«, das hier der Umwelt und den Menschen dient, ist nur eines von rund 850 Umwelt-Projekten, welche in Paris in den letzten zehn Jahren mit dem »Budget Participatif« realisiert wurden. Ein Budget, das seit 2014 jährlich zwischen 50 und 100 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung stellt, über welche die Bürger*innen der Metropole selbst entscheiden können. Insgesamt sind es in vielen Bereichen wie Soziales, Umwelt, Kinder, Miteinander seit 2014 rund 21.000 Vorschläge gewesen, die eingegangen sind. 1345 Projekte wurden ausgewählt, sind umgesetzt oder in der Umsetzung – für insgesamt bisher 786 Millionen Euro. Anteilig waren das rund 5 Prozent des Gesamtbudgets der Stadt Paris, über das alle Einwohner*innen ab 7 Jahren mitentscheiden können.

»Bürgerbudgets« – eine Idee, die vor allem in südeuropäischen Ländern immer mehr Furore macht. In Spanien wurden im letzten Jahr rund 476 Millionen Euro der Entscheidung der Spanier*innen überlassen. In Frankreich werden allein in Paris jedes Jahr rund 80 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dort und in Italien gab es schon im letzten Jahrhundert Möglichkeiten für Steuerzahlende, einen Teil ihrer Steuern quasi selbst in bestimmte Projekte oder für bestimmte soziale Zwecke zu geben. Allüberall ist das Argument das gleiche: die Bürger*innen direkt über einen Teil ihres Geldes mitentscheiden zu lassen. Das »Budget Participatif« in Paris etwa ist seit 2014 ein Bürgeretat, über den die Einwohner*innen selbst entscheiden können. Erst reichen sie über eine Online-Plattform Projekte ein (in der Regel eine vierstellige Zahl), aus denen die Verwaltung meist mehrere Hundert realisierbare Vorschläge herauskristallisiert und budgetiert. Sodann können die Bürger*innen das vorhandene Geld verteilen. In diesem Jahr standen im September 235 Projekte zur Auswahl: von der Renovierung einer kleinen Kirche bis zu einer Sozialkantine. Im vergangenen Jahr wurden bei einer ähnlichen Zahl von Vorschlägen letztlich von 137 622 Pariser*innen 114 Projekte für rund 83 Millionen Euro auf den Weg gebracht (2014 waren es übrigens noch rund 15.000 Teilnehmer*innen). Längst gibt es entsprechende Bürgeretats auch in Städten wie Metz, Rennes oder Grenoble. In Deutschland stehen vergleichbare Budget-Beteiligungen von Bürger*innen übrigens vielfach noch am Anfang. Die üppigsten sind wohl jene in Leipzig und Mannheim, wo man die Beteiligten über etwa eine halbe Million Euro mitwirken und abstimmen lässt … (sfo.).