Mehr Impulse für Kultur
Zeit für Hauskonzerte
Ensembles liefern Musik direkt ins Haus
Wenn die Menschen nicht zur Kultur kommen können, muss die Kultur eben zu den Menschen kommen. Die Erkenntnis ist nach einem Jahr Corona nicht mehr neu. Man erinnere sich nur an das viel(st)stimmige Europakonzert mit Beethovens »Ode an die Freude«, das im vergangenen Jahr Musiker*innen in ganz Deutschland an den Fenstern ihrer Wohnungen gaben; damals auch als Zeichen des Zusammenhalts im coronageplagten Europa. Oder an die ungezählten Stegreif-Konzerte, welche auftrittslose Musiker*innen vergangenes Jahr vor Balkonen oder Fenstern aufführten. »Frühlings-Intermezzo« nannte nun an diesem Ostern das Stadttheater Giessen seine charmante Quiz-Idee, den einen oder anderen Live-Auftritt von Ensemble-Mitglieder vor heimischen »Haustüren, Küchenfenstern oder Balkonen« zu verlosen. Ein kleines Quiz war vorab zu lösen, mit etwas Kenntnis von Musik und auch von den Programmen des Theaters (oder etwas Geschick beim Googeln). Das Quiz endete am Ostermontag abends.
Längst findet in diesen Corona-Zeiten die Lieferung von Kultur an die Haustür immer mehr Freund*innen auf der einen und Nachahmer*innen auf der anderen Seite. Gleiche Idee wie in Giessen, diesmal in Frankfurt: der »Musiklieferdienst« der Kammerphilharmonie. Seit Februar bereits spielten die Philharmoniker*innen »auf Bestellung« in Hausfluren und Treppenhäusern, mal vor Familien, mal vor Senior*innen, mal vor Studierenden-WGs. Bis Ende März zogen sie als Mini-Ensembles regelrecht durch die Stadtteile. Sie fanden viele neue Fans, aber offenbar auch selbst Freude daran. »Wir wurden mit einer unglaublichen Wärme in den Treppenhäusern empfangen« berichtet etwa Larissa Nagel, die mit ihrem Violoncello mit auf Tour war. Und erzählt von Kuchen und Tee, und wie man für einen kurzen Moment Teil der Nachbarschaftsgemeinschaft werde. »Jedes Haus«, so Nagel, »hatte seine eigene Atmosphäre und unsere Erfahrungen hätten nicht unterschiedlicher sein können«. Derzeit ist bereits die nächste Staffel mit Konzerten in Hinterhöfen in der Pipeline (mit den coronabedingten Unwägbarkeiten natürlich). Für diese Teilnahme kann man sich auch hier zwar nicht mehr bewerben, wohl aber auf der Website bereits den Newsletter für die kommenden Konzerte abonnieren. Die Aktion soll nämlich offenbar fortgesetzt werden, soweit es die Pandemie-Situation ermöglicht. Und, wer weiß: Vielleicht ist das Konzept ja auch über die Corona-Zeit hinweg ein Modell, mit dem Künstler*innen einen neuen Weg zum Publikum finden. Wie man von zuhörenden Teilnehmer*innen erfuhr, würden die dafür sogar Geld ausgeben. Eine Erkenntnis, die allerdings nicht wirklich überrascht (red.).