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Aus dem Film »Amok«
Quelle: GoEast / Balázs Turai©

GoEast Filmfestival | Der Tag

Kurz und anarchisch

28.04. | Tagestipp von Anita Buss

Sieben ganz besondere Kurzfilme in einer Stunde – Willkommen zu den »Anarcho Shorts«! Die wohl kuratierte Auswahl der diesjährigen »Live, laugh, love«-Edition präsentiert eine wilde Mischung aus Kurzfilmen – urkomisch, spannend und skurril. Farbenfrohe Animationen, experimentelle Collagen und fantasievolle Welten beleuchten das breite Spektrum des mittel- und osteuropäischen Filmemachens. Jeder Kurzfilm schöpft aus einem breiten Filmrepertoire und zeichnet sich vor allem durch einen anarchistischen Charakter aus. Hier gibt es keine Regeln: Ob bei einer rasanten Durchfahrt auf den leer gefegten Straßen Kiews, bei einem etwas anderen Zoobesuch oder der Flucht aus einem Gefängnis. Also zurücklehnen und berauschen lassen …

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Quelle: GoEast / Maja Weiss©

GoEast Filmfestival | Der Tag

Twin Peaks in Slowenien

30.04. | Tagestipp von Heleen Gerritsen

Erinnert sich jemand noch an das Manifest »50/50«, das sich um das Jahr 2020 herum für Geschlechter-Parität vor und hinter den Kameras eingesetzt hatte? Zu den Unterzeichner*innen gehörten die großen A-Festivals, wie Cannes und Venedig. Ob die 50-Prozent-Quote jemals erreicht wurde, mag jede/r gerne selbst überprüfen – Cannes hat gerade die Programme veröffentlicht (in denen übrigens auch Osteuropa arg unterrepräsentiert ist). GoEast hat dieses Manifest nicht unterschrieben, die Quote halten wir trotzdem ein: im Wettbewerb und im Gesamtprogramm. In der Matinee zeigen wir in diesem Jahr den ersten Film aus Slowenien, der jemals von einer Frau gedreht wurde. Im Jahr 2002! Better late than never, könnte man sagen! »Varuh Meje – Hüter der Grenze« von Maja Weiss ist ein Mysterie-Thriller mit queerfeministischen Elementen, mit einer unterschwelligen Sexualität und einem schrägen Humor. Im Mittelpunkt stehen drei Studentinnen, die gemeinsam Urlaub machen. Der Synthesizer Soundtrack, das Setting am Kolpa-Fluß mit seinen bergigen Schluchten an der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien und die männlichen Macho-Figuren erinnern irgendwie an »Twin Peaks«. Der Film bietet Stoff zum Nachdenken, ist aber auch wahnsinnig unterhaltsam. Und: Er war seiner Zeit auf jeden Fall weit voraus …

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Quelle: GoEast / Inna Sahakyan©

GoEast Filmfestival | Der Tag

Lieber unbekannt geblieben …

26./27.04. | Tagestipp Marta Moneva-Enchev

Die 23. Ausgabe von »goEast« eröffnet mit dem Film »Aurora’s Sunrise«, dessen deutscher Titel »Aurora – Star wider Willen« lautet. Und weil er, wie es sich für einen Eröffnungsfilm gehört, besonders gut ist, gibt es ihn auch am ersten vollen Tag des Festivals gleich nochmals zu sehen. Auch für mich persönlich ist dieser Film ein besonderes Highlight. Dieses Jahr hat das Festival ein großes Animationsprogramm, in dem »Aurora’s Sunrise« nochmals wie ein Kronjuwel leuchtet. Der Film beschäftigt sich mit dem Genozid am armenischen Volk in den 1910er Jahren. Die armenische Regisseurin Inna Sahakyan hat sich auf Spurensuche in der Zeit begeben, als der grauenhafte Völkermord verübt wurde. Und eine bemerkenswerte Zeitzeugin und ihr Zeitzeugnis entdeckt: Die damals junge Armenierin Arshaluys Mardigian überlebte diese Zeit und schaffte die Überfahrt in die USA, wo sie schon bald ihre Autobiografie veröffentlichte. Bereits 1919 wurde das Buch in Hollywood aufgegriffen und unter dem Titel »Auction of Souls« verfilmt. Der Stummfilm erzählte den Überlebenskampf Arshaluys Mardigians. Auch spielte sie selbst die Hauptrolle. Damals war der Film ein Box Office Hit, von dem aber leider nur Bruchstücke erhalten sind. Dieses Archivmaterial kombiniert die Regisseurin mit Animationen und rekonstruiert in diesem anspruchsvollen Mix jene Geschichte des Genozid, die bis in die heutigen Tage relevant ist …

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Schöne Filme zu ernsten Themen
Quelle: GoEast / Inna Sahakyan©

Das Festival | GoEast Filmfestival

(Nicht nur) Bange Blicke gen Osten

Sieben Tage lang Filme, Debatten, Begegnungen

Nicht erst seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist GoEast das wohl politischste Filmfestival, das die Region zu bieten hat. Sieben Tage lang fokussiert das führende »Festival des mittel- und osteuropäischen Films« den Blick wie unter einem Brennglas auf den Osten Europas. Sieben Tage lang treffen sich dazu in Wiesbaden Film- und Kulturschaffende aus dem hiesigen und aus dem östlichen Teil des Kontinents; für manche der Osteuropäer*innen dabei sogar eine seltene Gelegenheit des Austausches. Sieben Tage lang erfahren dabei auch Menschen hierzulande einmal wieder komprimiert mehr über jenen Teil des Kontinents, der auch Jahrzehnte nach dem Fall des »Eisernen Vorhangs« und ein Jahr nach dem russischen Angriffsbefehl auf Kiew vielen Menschen hierzulande noch fremd ist.

Auch in diesem Jahr steht der Krieg im Fokus. Gleichzeitig mit der Frage, welche Kultur und welche Kulturschaffenden Russlands dabei auf diese Bühne gehören (Wobei sich die GoEast-Macher*innen anders als andere Festivalmacher in der Landeshauptstadt nie die Frage stellen lassen mussten, auf welcher politischen Seite des Konfliktes sie stehen). Doch einmal mehr zeigt das Festival, dass es weit über diesen Tag hinaus im besten Wortsinn »relevant« ist, weil es in Osteuropa schon immer und auch jetzt ebenso das im Blick hat, was sonst zu kurz kommt. Gleich zur Eröffnung etwa mit einem bemerkenswerten Film über den Genozid an den Armenier*innen vor über 100 Jahren. Für ihn gilt wohl noch mehr als für andere Beiträge: ein schreckliches und nicht zu vergessendes Thema, trotz allem in einen wunderschönen, wenn auch zuweilen beklemmenden Film gepackt. Während dieser Film weit zurück schaut, blicken viele andere Filme sehr fokussiert auf die Gegenwart und den Alltag Osteuropas, auf die man im Westen abseits des Krieges sonst so selten schaut. Die Palette reicht von »wichtigen« Themen, etwa zur Umwelt, bis zu »unterhaltenden« Genre-Filmen (bis hin zu einem Western aus dem Osten). Ein besonderer Fokus liegt wie so oft bei GoEast auf Minderheiten in diesem Teil Europas, in diesem Jahr nicht ohne Grund vor allem auf solchen im russischen und ehemaligen sowjetischen Territorium und auf deren selten leichtem Filmschaffen. Ganz nebenbei kann man Osteuropa in diesen Tagen auch sonst auf Schritt und Tritt in Wiesbaden begegnen, sei es beim »Ostkiosk« vor dem Museum oder bei den vielen filmschaffenden Gästen. Apropos: Es sind weniger als noch vor einigen Jahren. Die Preise, um sie einfliegen zu lassen, sind massiv gestiegen. Nicht nur vom Thema her ist der Krieg mit im Fokus dieses Festivals … (vss.).

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Quelle: La Mansarde Cinema©

Lichter Filmfest | Der Tag

Kurze Filme über Liebe

23.04. | Tagestipp von Lukas Rothe

Ich glaube, der Liebe kommt man mit kurzen und fragmenthaften Filmen für Augenblicke am nächsten. Im Programmtext der in meinem Kalender dick markierten Vorstellungen heißt es: »Liebe ist nicht zu fassen – trotz aller Versuche (…)«. Das gefällt mir! Von daher freue ich mich neben den Spielfilmen besonders auf das Kurzfilmprogramm »Toi Jamais«, das die Kinothek Asta Nielsen als Geschenk an das Festival zusammengestellt hat. Ein bisschen analoge Filmliebe ist nicht verkehrt, deshalb findet man mich (sollte keine persönliche Lovestory oder ein Festivalnotfall dazwischenkommen) am Sonntagabend im Kino des Deutschen Filmmuseums …