Line Krom: Ein Labor-Atelier als Ausstellung
Quelle: Günther Dächert©

Künstlerinnen. Leben. Orte.

Line Krom – die Temporäre

Orte und Kunst wie Schall und Rauch

Der letzte Satz ist vielleicht der überraschendste in einem langen Gespräch. Seit elf Jahren, sagt Line Krom, wohne sie in ihrem 20-Quadratmeter-Appartment in Frankfurt. 20 Quadratmeter mit vielen Büchern (viele Meter Sachbuch, vielleicht einer Unterhaltung) und einem Fahrrad (das sie tatsächlich in der Wohnung parkt). Plus Balkon. Gerade groß genug, um darin zu leben und oft auch zu arbeiten. Was bei der Konzeptkünstlerin aber selten viel Platz braucht, findet das meiste davon eher im Kopf oder am Rechner statt. Doch andererseits sei die Wohnung auch klein und günstig genug, um sie zu bezahlen und auch einmal zwei Monate allein lassen zu können. Zum Beispiel, um als Gastkünstlerin unterwegs zu sein oder um quer durch Europa zu Freund*innen zu reisen. »Unterwegs sein« – nicht nur in Europa – gehört zu den Hauptbeschäftigungen Kroms, schon das Studium brachte sie nach London, später nach Japan. In Corona-Zeiten kam dies sehr kurz. Doch dafür erlernte sie via Zoom die Kunst des Reisens in unzähligen Gesprächen rund um den Globus. Eine durchaus neue Erfahrung.

Elf Jahre? Das überrascht. Denn sonst spiegelt das Gespräch mit Krom eher das Temporäre und Nomadische. Reale »Orte« scheinen für die Konzeptkünstlerin eher nebensächlich. Vielleicht sollte man bei ihr eher von »Räumen« sprechen. Denkräume, Räume, die sie besetzt, die sie findet, die sie anbietet. Prozesse beschäftigen sie. Gespräche sowieso. Durch Zufall kam sie kürzlich an ein Atelier. In Verwaltungsgebäuden der einstigen Offenbacher Ricker-Fabrik entsteht gerade ein Projekt gemeinschaftlichen Wohnens. Ihr wurde dort in einer Gemeinschaftsausstellung ein Raum angeboten, ein realer. Ihre Idee: ein Atelier auszustellen. Genauer: eine Mischung aus Atelier und Labor. Denn Krom ist »Research Artist«. Sie erforscht Dinge und verarbeitet sie in künstlerische Prozesse (die sie oft weiter erforscht). Meist geht es ihr um Ökonomie, gerne auch im Kulturbetrieb, etwa um Sparzwänge, oft auch um die Umwelt. Sie versucht, in ihrer Kunst Ökonomie zu visualisieren, zu hinterfragen und insbesondere das Mantra von Sparen und Effizienz mit der Kunst ad absurdum zu führen. In Offenbach verwebt sie wie so oft einiges: in einer Phytomining-Studie mit Pflanzen. Pflanzen, die durch Prozesse etwas generieren können. Etwa Edelmetalle. Womit sie bei der Frage der Ökonomisierung in der Kunst ist, dies aber auch in einen künstlerisch-wissenschaftlichen Prozess einbindet. Und bei genauer Betrachtung sind es nicht die einzigen Prozesse, die sich in diesem Labor-Atelier abspielen. Und manches entsteht auch erst im Gespräch. Nein, einfach ist ihre Kunst nicht. Aber wer sich darauf einlässt, kommt ihr durchaus näher. Zum Beispiel der Frage: Kann frau von Kunst leben? Ökonomie, Nachhaltigkeit, das Leben von Kulturschaffenden sind ihre Themen. Oft mit wissenschaftlichem Ansatz. Aber auch im Alltag, wenn sie im Wald tagelang Müll einsammelt und daraus ein Kunstprojekt macht. Der aktuelle Raum wurde ihr übrigens von dem Wohnprojekt unentgeltlich zur Verfügung gestellt. So lange, bis er in den Umbau einbezogen wird. Und dann? Dann löst sich alles wieder auf, wird demontiert, vielleicht zwischengelagert, vielleicht entsorgt. Und die Pflanzen? Wandern auf den Kompost. An dem physischen Ort wird nichts bleiben. Line Krom wird weiter forschen, vielleicht ein Projekt beginnen, vielleicht an einem Ort, vielleicht ohne einen Ort (_us.).