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Conny Petzold fordert Rückkehr zu sozialer und konsequenter Wohnbaupolitik | Bild: Martha Rosler, Housing Is a Human Right, Time Square animation 1989.
Quelle: Martha Rosler©

Impuls | Frankfurts Wohnungspolitik

Nicht sozial, nicht konsequent

Gastkommentar von Conny Petzold

Am Finanzplatz Frankfurt herrscht Feierlaune trotz Wohnungskrise. Seit die Briten für einen Ausstieg aus der EU gestimmt haben, hofft die Stadt, zum »Brexit-Gewinner« zu werden. Geht es nach Oberbürgermeister Peter Feldmann und anderen VertreterInnen der Stadtregierung, sollen möglichst viele Banken und Versicherungen ihre Geschäfte nach Frankfurt verlagern. Feldmann erkennt offensichtlich keinen Widerspruch darin, Wahlen mit Versprechen an die Wohnbevölkerung Frankfurts zu gewinnen und gleichzeitig mit groß angelegten Kampagnen und Reisen »Brexit-Flüchtlinge« in die Stadt zu locken. Noch im März präsentierte er Frankfurt auf der weltgrößten Immobilienmesse MIPIM in Cannes als besonders attraktiven Immobilienstandort. Und immer mit dabei: die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding.

Ein Blick zurück. Zu Beginn der 1920er Jahre realisierte die Stadt unter Baustadtrat Ernst May ein beispielloses Wohnbauprogramm namens »Neues Frankfurt«, um vor allem Wohnraum für »minder bemittelte« Menschen zu schaffen. Auch wenn die heutigen StadtpolitikerInnen gerade in diesem Jahr gerne an die vielen guten Lösungsbeispiele dieser Zeit erinnern, gehören solche Ideen bis hin zum »Wohnen für das Existenzminimum«, das gerade May am Herzen lag, längst nicht mehr zur Priorität von Stadt und Wohnbaugesellschaften. Das Buhlen um die Gunst weltweit tätiger Investoren offenbart das Desaster heutiger Wohnungspolitik in Frankfurt. Statt alle Kapazitäten, insbesondere der öffentlichen ABG, für die Versorgung mittlerer und unterer Einkommensschichten mit Wohnraum zu mobilisieren, leben städtische Verantwortliche ihren Traum der »Global City«. Auf der Strecke bleibt die Wohnbevölkerung, die gerade im Zuge dessen mit der ständig steigenden Mietbelastung zu kämpfen hat und für die jene günstigen Wohnungen dringender wären als je zuvor. 49 Prozent der Mietbevölkerung, also die halbe Stadt, hat Anrecht auf eine Sozialwohnung. Aber nur 7 Prozent des Wohnraums ist preisgebunden, und 2018 wurden lediglich 65 neue Sozialwohnungen gebaut. Dies ändert sich gerade. Aber sehr langsam. Der Mietentscheid Frankfurt, ein städtisches Bürgerbegehren, setzt an diesem Punkt an, und fordert, dass die städtische ABG zukünftig nur noch geförderten Wohnungsbau schaffen soll und im Bestand bzw. bei frei werdenden Wohnungen Mieten auf das Niveau des geförderten Wohnungsbaus absenkt. 25.000 FrankfurterInnen haben für diese Forderung unterschrieben. Jetzt liegt es an der Stadt, den Weg zu einem Bürgerentscheid zu ebnen – oder gleich für eine neue Politik. Stadt und Gesellschaften müssen zurück zur sozialen und konsequenten Wohnbaupolitik, müssen dies wieder als ihre erste Aufgabe ansehen …