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Transparente Politik durch Beteiligung, Datenhoheit und freie Software
Quelle: Aus einer Broschüre der Free Software Foundation©

Zur Wahl | Demokratie

Partizipation wie in Barcelona

Plattform »Decidim« beteiligt Bürger*innen

Statistiken besagen, dass sich etwa ein Promille der Bürger*innen an der Politik ihrer Städte beteiligen. Es könnten aber auch viel mehr sein. Mit einer digitalen Bürger-Plattform beteiligt Barcelona die Einwohner*innen an den Entscheidungen – und rund 400.000 der 5,5 Millionen Menschen machen mit. »Partizipation wie in Barcelona« ist Teil der Reihe »Zur Wahl – Stadt muss nicht neu erfunden werden«.  

Wo soll ein neues Wohnquartier entstehen? Welche Route sollen die Busse nehmen? Wofür setzt die Stadt ihren Haushalt ein? Dies sind nur drei von vielen Fragen, die in Barcelona auf der Online-Plattform »Decidim« gestellt, diskutiert und beantwortet werden. »Decidim« bedeutet »wir entscheiden« und wurde vor fünf Jahren von der damals neuen Stadtregierung unter Ada Colau eingeführt. Es ist die vielleicht größte digital-kommunale Bürgerplattform, auf der Menschen über ihre Stadt mitentscheiden können. Über 400.000 der rund fünfeinhalb Millionen Einwohner*innen beteiligen sich bereits. Etwa, wenn die Stadt einen 75 Millionen-Etat online stellt und die Bürger*innen fragt, was mit dem Geld geschehen solle. Doch die Einwohner*innen werden nicht nur gefragt. Sie machen selbst Vorschläge. Über 10.000 sind es in den letzten Jahren bereits gewesen. Rund 80 Prozent davon wurden umgesetzt – von einem städtischen Beerdigungsinstitut bis zum Spielplatz um die Ecke. Es heißt, dass »Decidim« bereits 75 Prozent der Stadtpolitik mitentscheide. Einzig über Gesetze kann nicht direkt abgestimmt werden. Das verhindern bisher andere (Landes-) Gesetze. In Barcelona ist gerne von »kollektiver Intelligenz« die Rede – ein auffälliger Gegenpol zur um sich greifenden »künstlichen Intelligenz«.

»Decidim« ist Teil eines großen Beteiligungsprogrammes, mit dem Politik in der katalanischen Kapitale demokratisiert werden soll. Es ist Teil des Versuches, die Stadt der Zukunft smarter zu machen, sich dabei aber nicht in technologischen Gadgets zu verlieren. Zwar glänzt die Stadt mittlerweile auch durch intelligente Bewässerungs-, Müllentsorgungs- oder Beleuchtungstechniken. Doch das Credo der Stadtregierung ist, dass die Technologie den Menschen dienen müsse. Nicht von ungefähr setzt Barcelona mehr als andere Städte auf Datenhoheit. Zum einen müssen sämtliche Daten, die von Unternehmen im öffentlichen Bereich oder Auftrag erhoben werden, öffentlich gemacht werden. Sie müssen von der Stadt oder von den Bürger*innen genutzt werden können. Zum anderen haben die Einwohner*innen erheblich mehr Möglichkeiten, überhaupt über die Nutzung ihrer Daten zu entscheiden. »Daten als öffentliches Gut« lautet das Credo dahinter. Wie Wasser oder Strom. Nicht von ungefähr gibt es mittlerweile auch immer mehr Programme, die Abhängigkeit der Stadt von Software-Giganten wie Google und Microsoft zu verringern und verstärkt auf Open Source zu setzen. Barcelona gilt mit diesen Initiativen mittlerweile als Vorbild. Rund 80 weitere Städte sind weltweit dabei, »Decidim« ebenfalls bei sich in irgendeiner Form auf den Weg zu bringen. Außerdem ging von Barcelona mittlerweile eine »Städtekoalition für digitale Rechte« aus. In Deutschland gehören ihr unter anderem Berlin und München an (hak.).