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Vero Bielinski und das Normale, das Unnormale, das Andersnormale
Quelle: Günther Dächert©

Künstlerinnen. Leben. Orte. [8]

Vero B. – die Peri(s)phäre

Am Rande des (nicht) ganz normalen Lebens

Bad Homburg, Königstein, Kronberg. Man nennt es gerne »Speckgürtel von Frankfurt«, mindestens. Die nobleren Suburbs für die, die es sich leisten können. Der Ruf und die Villen färben auch immer ein wenig ab auf die »normalen« Einfamilien-, Reihen- oder gar Mietshäuser, in denen keine Banker und Industrielle leben. Auch am Rand von Bad Homburg, fast am Feld, wo man an Fuchs, an Hase und an Gartenzwerge denkt. Wo jene Einfamilien- mit Reihenhäusern wechseln, mit Vor- und Hintergärten und Hausnummern von a bis h oder so. »Einen Glücksfall« nennt Vero Bielinski das Endhäuschen hinter dem Gartenzäunchen. Die Ruhe, fast Abgeschiedenheit. Hier könne man sich zurückziehen. In die behaglichen, typisch älteren Reihenhausräumchen auf zwei, drei Stockwerken. Aufgeräumt ist es hier. Wer nicht wüsste, dass er eine Foto-Künstlerin besucht, könnte vieles vermuten. Das Arbeitszimmer könnte auch Home Office einer Versicherungsangestellten sein. Nur der große Bildschirm und ein paar mehr Fotos geben einen Fingerzeig. »Einen Glücksfall« nennt sie es auch, da das Haus den Schwiegereltern gehöre. »Aber Miete zahlen wir trotzdem«, sagt sie gleich dazu. Nur vielleicht nicht ganz so viel, wie es bei den galoppierenden Preisen im Rhein-Main-Gebiet mittlerweile üblich wäre. Sonst wäre das auch sicher nicht ganz so normal für eine junge aufstrebende Fotografin. Zumindest, wenn sie noch nicht weltberühmt ist …

Bielinski ist Fotografin. Oder Foto-Künstlerin. Je nachdem, wo gerade der Schwerpunkt liegt. Sie steht dazu, mit Fotografie Geld verdienen und als Künstlerin bekannt werden zu wollen. Was beides in diesen Tagen nicht ganz einfach sei. Auch bei ihren Themen. Denn wenn man von ihrer Kunst auf den Wohnort hätte schließen wollen, wäre man kaum im Bad Homburger Vorstadtidyll gelandet. Bielinski macht Fotos, die hierzu sehr kontrastieren. Aus Städten wie New York oder San Francisco. Oder zumindest Berlin oder Frankfurt. Urbanes, Trends, Menschen. Wenn auch mehr das und die am Rande, an der Peripherie, abseits des großen Mainstreams. Sie mag Subkulturen, taucht gerne in verschiedene Sphären ein. Zur LGBT-Gemeinde der USA und Berlins hat sie eine Ausstellung gemacht. Mit der Kamera folgte sie Brooklyns Polish Community (Die in Bad Homburg aufgewachsene Bielinski hat selbst polnisches Blut in den Adern). Über New Yorks Hipsters hat sie ein Buch gemacht. Aber auch Serien über blinde Menschen oder die einfache Familie einer Freundin in Rumänien. Auch wenn ihre Präferenz dem Dokumentarischen gehört, hat sie sich zuletzt in ihren »Corona-Porträts« auch experimentell versucht und Porträts zu Hause verfremdet. Keine leichte Zeit, diese Corona-Zeit. Reisen und Fotografieren – aus ihren Vorlieben macht sie keinen Hehl. Auch deshalb würde man sie eher im Loft in Berlin oder Brooklyn vermuten. Ein klein bisschen davon strahlt ihr Atelier aus: eine Remise am Gustavsgarten in Bad Homburg. »Rough« würde man das wohl nennen, mit bröckelndem Backstein, nacktem Betonboden, knapp 100 Quadratmetern. Die Remise stand leer, muss renoviert werden. Bis dahin kann Bielinski sie als Studio nutzen, oder als Kulisse, sich oder andere in Szene zu setzen. Noch ein Glücksfall? Ein bisschen, sagt sie. Aber ein bisschen trage man auch selbst dazu bei. Etwa in der Stadt gut vernetzt zu sein, für Stadt und für Unternehmen zu fotografieren. Dadurch bekam sie das Angebot im Gustavsgarten – für ihr Atelier und danach sogar noch für eine Ausstellung im Grünen drumherum … (_us.).