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Bei Anruf Kunst
Quelle: Nassauischer Kunstverein©

Kleine Kultur-Dates [3]

Von Stromern und Briefkästen

Wo die Kultur noch was zu sagen hat

Sie haben seit Monaten fast ein »Abo« in unseren Kulturtipps. Aber die Ideen aus dem Nassauischen Kunstverein Wiesbaden gehören tatsächlich immer wieder zu den ungewöhnlichsten und interessantesten, die sich derzeit finden lassen. Ihre neuen Ausstellungen »Spaces and Species« sowie »Tightrope« begleiten sie diesmal mit einem »Pandemie-Telefon« – eine sympathisch altmodische Alternative zur digitalen Ausstellung. Für Menschen, die für letztere nicht den Zugang oder die nötige Infrastruktur haben, und für jene, die schlicht genug haben von Online-Lesungen und gestreamten Konzerten. Per Mail oder Telefon können Termine für Führungen vereinbart werden. Per Post wird dann ein Umschlag mit Fotos der Exponate verschickt. In einem persönlichen Gespräch mit einer Kunstvermittlerin am Telefon wird daraus schließlich eine erlebbare Ausstellung. Für einen Ausstellungsbesuch wie beinahe zur alten Zeit, braucht es also nur ein Telefon und einen Briefkasten …

Kultur lebt ja bekanntlich auch vom Austausch. Für viele ist es gerade der, den sie in der kulturlosen Zeit der Pandemie ganz besonders vermissten. Aber ganz trostlos und allein gelassen ist man eben doch nicht. Nicht nur in Wiesbaden, sondern auch an vielen anderen Orten haben sich Kulturschaffende im letzten Jahr Gedanken gemacht und es geschafft, dem kulturellen Schweigen hier und da etwas entgegenzusetzen. Das Hessische Literaturforum im Mousonturm beispielsweise scheint den fehlenden Austausch ebenso zu vermissen wie seine Besucher*innen. Deswegen haben Björn Jager und Christian Dinger einen Podcast ins Leben gerufen. Bei »stromern on air« werden Autor*innen eingeladen, für die die beiden sich besonders interessieren. Das Thema der einzelnen Folgen wählen die Gäste selbst, und so gelingt ein Gespräch, in dem von Kultur über Literatur bis hin zu trash tv alles möglich ist. Diese Gespräche sind so klug und unterhaltsam, dass die beiden es beinahe schaffen, einen Besuch im Literaturforum vor dem inneren Auge aufsteigen zu lassen – so als sei nie etwas gewesen.

Ebenso an einen eigenen Podcast gewagt hat sich die HfG Offenbach unter der Moderation von Felix Kosok. Unter dem Namen »Off_line« wird wöchentlich mit Gästen über Fragen zu Gestaltung, Kunst und Design gesprochen. Immer wiederkehrendes Thema ist die Zukunft: Wie sieht die Lehre der Zukunft aus? Wie die Technologien? Wie ernähren wir uns in Zukunft, und welche Schwierigkeiten hält sie für uns bereit? Das sind nur einige Fragen, über die in den mittlerweile sechzehn Folgen gesprochen wird. Darmstadt dagegen scheint sich mit dem von Lukas Einsele und Albrecht Haag geleiteten interdisziplinären Projekt »Kultur einer Digitalstadt« schon auf halbem Wege in diese Zukunft zu befinden. Die Internetseite richtet sich an Kulturschaffende aus verschiedenen Gebieten. Zu hören und diesmal auch zu sehen sind dort etwa die »Nah*Einander Statements«, in denen Darmstädter Künstler*innen selbst zu Wort kommen und sich und ihre Arbeit vorstellen, oder die Reihe des »Digital*Salons«, der Räume zum kulturellen Diskurs eröffnen will. Und siehe da: Es gibt sie sogar, die digitale Kultur und die digitalen Künstler*innen, die notfalls auch auf diesem Weg die Pandemie überstehen könnte(n) … (stn.).