Bekannt für Innenräume. Doch Candida Höfer kann auch draußen
Quelle: Candida Höfer / VG Bild Kunst Bonn 2024©

Region | Ausstellungen

Der etwas andere Blick

Ein Fokus auf weibliche und regionale Positionen

»Mehr Frauen in die Kunstmuseen«, forderte die feministische Kunstbewegung schon Anfang der 1970er Jahre. Seit einigen Jahren folgen Ausstellungshäuser nun endlich vermehrt diesem Ruf. In diesem Jahr sind gleich in mehreren Häusern der Region einige herausragende künstlerische Positionen dazu zu sehen, darunter einige viel versprechende Einzelausstellungen. Zwei, drei interessante Gruppenausstellungen versprechen zudem regionale Positionen. 

Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt ehrt 2025 eine ganz große Fotokünstlerin: Candida Höfer gilt als eine der renommiertesten deutschen Fotografinnen. Bekannt wurde die Schülerin von Bernd und Hilla Becher durch ihre präzise komponierten Aufnahmen von Innenräumen öffentlicher Gebäude. Als Betrachter*in möchte man regelrecht eintauchen in die großformatigen Aufnahmen von ungewöhnlichen Räumen, die Höfer in Bibliotheken, in Konzerthäusern oder in Theatersälen vorfindet und deren Struktur die Fotografin immer wieder faszinierend freilegt, um ein Gefühl von Zeitlosigkeit entstehen zu lassen. Doch nicht nur einen Überblick über Candida Höfers bekannte Fotoserien möchte das Landesmuseum in seiner Ausstellung ab Mai geben. In unmittelbarer Nachbarschaft zum »Block Beuys« werden zugleich auch neuere Fotoarbeiten zu sehen sein, eine Beschäftigung der Künstlerin mit Alltagsgegenständen, genauer mit provisorischen Beleuchtungskörpern … (weiter lesen).


Drei Filmfestivals: der RMV hat sich offenbar schon auf vielfahrende Filmfans eingerichtet
Quelle: Barbara Walzer©

Filmfestivals en bloc

Alles leuchtet

Lichter, GoEast, Southern Lights

Es werde Licht – Das sagten sich wohl für einmal fast alle Filmschaffenden der Region dieser Tage zugleich. Selten nämlich erstrahlt(e) die Filmlandschaft in FrankfurtRheinMain gleichzeitig derart hell und vielgestaltig wie in der Woche nach Ostern. Nomen est omen – Bereits am Dienstag nach Ostern startet »das Lichter« sein 18. Festival regionaler und internationaler Filme, das über die Jahre längst Kultstatus erlangt hat und für viele Fans längst das Filmfest der Region überhaupt ist. Besonderes Highlight in diesem Jahr ist das Festivalzentrum: Mit Lichter erstrahlen auch die alten E-Kinos in Frankfurt in neuem Glanze, nachdem die rührigen Betreiber des Massif Central die Säle und Foyers kürzlich übernahmen und zum neuen (Film-) Kulturzentrum Massif E formieren wollen. Ganz am Puls der Zeit ist das Festival: »Angst« ist das Thema, passend zu diesen ungewissen Zeiten.

Nur einen Tag nach dem Lichter-Start beginnen auch der Westen und der Osten quasi gleichzeitig zu strahlen: Im Westen – in Wiesbadens Kultkino Caligari – eröffnet GoEast, das Festival für den mittel- und osteuropäischen Film. Auch das Festival ist – wie die Region, auf die es den Fokus hat – ein Festival der Gegensätze. Auch in diesem Jahr richtet es seine Scheinwerfer auf die weiter kritische, aufwühlende und beängstigende Situation rund um die Ukraine – und verblüfft das Publikum zugleich einmal mehr daneben mit Stummfilmperlen aus der Frühzeit des Kinos, die gerade im Osten besonders strahlend waren. Finger in Wunden legen und gleichzeitig Feste miteinander feiern ist einer der weiteren gepflegten Gegensätze dieses Festivals. Filmfestival satt gibt es in der Region sodann am letzten April-Wochenende. Zu den beiden Festivalklassikern gesellt sich in Offenbach noch die erste regionale Ausgabe des Newcomers Southern Lights, der erst seit wenigen Jahren die Spots auf den oft angesichts der vielen hiesigen Krisen noch zu wenig ausgeleuchteten »Globalen Süden« lenkt. Das Festival, das über zwei Monate durch mehrere Städte der Region tourt (nach Offenbach auch noch Wiesbaden, Dietzenbach und Hanau), wird zumindest zum Teil auch in diesem Jahr wieder von Migrant*innen aus eben diesem »Süden« mit organisiert − sodass auch dieser Teil der Welt keinesfalls unterbelichtet bleibt … Filmfans − und nicht nur diesen – steht also in diesen Tagen eine wahre, vielfach leuchtende »Tour d’Horizon« bevor … (vss./sfo.).


Das Filmmuseum - Zentrum und Spielort zahlreicher Festivals
Quelle: Barbara Walzer©

Die Region | Filmfestivals

Filme – soweit das Auge blickt

Nonstop-Filmfest FrankfurtRheinMain

Wer in Deutschland an Filmfestivals denkt, denkt zuerst an die Berlinale. Mit Cannes und Venedig spielt sie in der ersten Reihe europäischer Festivals und misst sich zuweilen gar mit Hollywood und seinen Oscars. FrankfurtRheinMain hingegen kann nichts derartiges aufweisen. Oder doch? FrankfurtRheinMain besitzt zwar keine Berlinale, ist aber wohl die Region in Deutschland und vielleicht sogar in Europa mit den meisten einzelnen Festivals überhaupt. Rund 50 Filmfeste stehen im Laufe des Jahres im Kalender – im Schnitt eines pro Woche. Die Palette beginnt bei relativ großen Akteuren wie Lichter und Nippon Connection in Frankfurt oder GoEast und exground in Wiesbaden (von denen drei gerade wieder in diesem Frühjahr die Leinwände in der Region füllen). Und sie reicht bis hin zu den »Perlen« wie das Kurzfilmfestival in Weiterstadt mitten in einem Wald bei Darmstadt oder gar zu den »Exoten« wie dem Wiesbadener Trickfilmwochenende oder einem Putzfilmfestival, das 2018 Premiere hatte, danach aber offenbar leider wieder in der Abstellkammer verschwunden ist … (weiter lesen).


Peter Roehr zeigt Kunsthaus, Pae White zeigt Opelvillen
Quelle: Stadtmuseum Wiesbaden, Peter Roehr / VG Bild Kunst, Pae White / Jens Ziehe, Stadtarchiv Rüsselsheim©

Region | (Zwölf) Ausstellungen

Innere und äußere Werte

Alte Häuser reihen neue Kunst aneinander

Zwei für eins – Gastronomen und Kaufhäuser werben ja gerne damit. Zwei Essen bestellen, eines bezahlen. Oder: zwei Kissen für den Preis von einem. Auf recht charmante Art und Weise kopieren nun sechs Ausstellungshäuser in der Rhein-Main-Region diesen Gedanken. Sechs Häuser mit Geschichte spannen mit ihren aktuellen Ausstellungen der nächsten Monate zusammen. Der Reigen der Ausstellungen ist bunt: Klang- und Installationskunst von und mit Peter Roehr, collagiertes Interieur zeitgenössischer Künstler*innen mit Jochem Hendricks, der Pilz in allen ökologisch-künstlerisch-gesellschaftlichen Variationen, Wohnen mit Künstler*innen ausgestellt und Wohnen von Künstlern kuratiert sowie last but not least eine zeichnerische Aufarbeitung von Leid und anderen existentiellen Themen. Eher monochrom kommt die Zugabe daher: Wer sich in Wiesbaden, Rüsselsheim, Bad Homburg, Frankfurt, nochmals Wiesbaden sowie Darmstadt auf diese Ausstellungen einlässt, bekommt überall noch einen zweite, meist kleine Schau gratis dazu. Ob Kunsthaus, Opelvillen, Sinclair Haus, Museum Giersch, Nassauischer Kunstverein oder TU Darmstadt – alle haben ihre denkmalgeschützten Häuser mit viel Geschichte aufarbeiten lassen und präsentieren sie ergänzend und/oder über eine begleitende Website. Häuser, die nicht selten ganz andere Bestimmungen hatten, als sie gebaut wurden: als Schulen, Wohnhäuser oder Werkshallen. Und einige, wie die Opelvillen unter der Initiatorin der Idee, Beate Kemfert, haben dabei auch geschickt das eine Sujet mit den anderen Objekten verbunden und interagieren lassen. Eine Zeitreise durch Geschichte und Gegenwart in zwölf Teilen … (vss.).


Viel Platz im Hafen 2 - Vor allem im Sommer
Quelle: Catalina Somolinos©

Orte & Menschen | Offenbach

Sheep and Screens

Subkulturelles Biotop par excellence

»Soziokulturelle Zentren«, in denen meist mehr oder weniger alternativ angehaucht Kultur und Gesellschaft zusammenkommen, werden für eine offene und demokratische Kultur im Lande immer wichtiger. Ein solches Zentrum par excellence ist der Hafen 2 in Offenbach. Er besteht mittlerweile seit über 20 Jahren. 

Sie gehörten zu jenen Kultur- und Gastro-Orten, die selbst in heftigeren Corona-Tagen eine Chance hatten, zu öffnen. Zumindest, wenn nicht alles geschlossen war. Wo anders schließlich als im Offenbacher Kultur-Biotop »Hafen 2« gibt es sonst Kultur und Chillen mit so viel Auslauf? Weite und Freiraum waren schon immer dessen Markenzeichen – im übertragenen Sinne und auch wortwörtlich. Das gilt für das Programm: von den vielen fremdsprachigen Filmen bis zu coolen Singern und Songwritern. Und es gilt für das Drumherum. Nicht von ungefähr tummeln sich hier vor allem von Frühjahr bis Herbst Familien und Freidenkende, um im gepflegt-alternativen Ambiente eben diese Filme und Konzerte zu genießen oder die Kids im ausufernden Sandkasten und bei Schafen und Hühnern spielen zu lassen.

Nicht von ungefähr hatte sich Hessens damalige Kulturministerin Angela Dorn vor einigen Jahren eben diesen Hafen 2 ausgesucht, um die Verdoppelung der Fördermittel für soziokulturelle Zentren im Lande auf rund zwei Millionen Euro zu verkünden. Nun hat man zwar zuweilen den Eindruck, dass ganz Offenbach in den letzten Jahren mit seinem »Stadtpavillon«, den Projekten »UND« oder aktuell »First Entry«, den »Kunstansichten« im Frühjahr sowie anderer Events ein einziges soziokulturelles Zentrum ist. Doch für »den Hafen« gilt dies besonders. Möglich macht es der in der Region wohl einmalige Open Air-Kino- und Konzertsaal mit echten Tieren, viel Kinder-Freifläche und dem chilligen Blick aufs Wasser. Das kleine Café auf einer Brache im sich wandelnden Hafen kann so beileibe nicht nur in Corona-Sommern punkten, gerade mit viel freiem Grün und dünigem Sand, mit locker gestellten Bierbänken, beweglichen Sonnen-Stühlen und Platz für Picknickdecken. Alles übrigens gepaart mit viel Engagement für Migrant*innen und Flüchtende. Apropos Engagement: Im Jahr 2020 profitierte der Hafen auch vom besonderen Engagement seiner Fan-Gemeinde. Die Filme fanden zwar statt, fielen aber lange als Haupteinnahmequelle bei mühsam die Kosten deckenden 100 Plätzen praktisch weg. Erst später spülten erlaubte 250 Gäste wieder etwas mehr Geld in die Kassen. Konzerte waren – auch wegen vieler Tournee-Absagen – lange praktisch komplett verschoben und fanden erst vereinzelt wieder statt. So startete der Hafen damals einen Spenden-Aufruf. Der brachte mehrere Zehntausend Euro ein – und den Hafen 2 schließlich zusammen mit einigen öffentlichen Geldern in den folgenden Jahren doch über die Runden. Wobei es zwischenzeitlich allerdings auch schon mal sehr knapp gewesen sein soll …

Seit März hat »der Hafen« nun auch in diesem Jahr wieder draußen geöffnet, unterstützt auch aus dem aufgestockten Etat des Landes und getragen von seinen vielen Fans. Vor allem im Sommer ist er ein echter Place to be. Und bei Nicht-Sommer geht es in den Schuppen nebenan. Vor allem Konzerte und kleine Ausstellungen können dort immer wieder stattfinden. Zwischenzeitlich lebt immer auch mal wieder eine andere Hafen-Tradition auf: die üblichen Fußball-Live-Übertragungen, meist zu EM oder WM gibt es dann im Schuppen oder auch draußen ein Public Viewing. Ein Stück weit ist Hafen 2 aber immer auch Impro-Theater: Was wann wo zu erleben ist, muss man stets den aktuellen Ankündigungen entnehmen – egal ob früher die für das Virus oder heute die für das Wetter … (vss.).


Das Crespo Haus - viel Platz für Kultur und Begegnung
Quelle: Veronika Scherer (ver.)©

Orte & Menschen

Wo Kultur neu zu Hause ist

Crespo-Haus & Museum Reinhard Ernst

Kultur muss sparen. Das hört man in jüngster Zeit wieder öfter. Städte und Gemeinden müssen nach Corona wieder die Rotstifte auspacken. Und die, so scheint es, scheinen vielen Stadtkämmerern oft am besten zur Kultur zu passen. Umso erfreulicher, dass in der Region gerade in dieser Zeit 2024 durch außergewöhnliches privates Engagement zwei neue, ebenso außergewöhnliche Kultur-Häuser entstanden sind: in Frankfurt das Crespo-Haus, zu dem die Stadt mit einem 50er-Jahre-Sanierungsfall den Grundstein legte, und in Wiesbaden das gänzlich neue Museum Reinhard Ernst, bei dem nur das Grundstück der Stadt gehört und das praktisch komplett privat finanziert wurde durch den Unternehmer gleichen Namens. Doch auch in Frankfurt wurde das neue Haus nur möglich durch das posthume Engagement der verstorbenen Wella-Erbin Ulrike Crespo – selbst begeisterte und zuweilen begeisternde Fotografin –, aus deren Stiftungsvermögen das neue Haus komplett grundsaniert wurde, nunmehr auch betrieben wird und wo zur Zeit auch ausgewählte Werke von ihr zu sehen sind.

Was beide Häuser neben zwei sehr ansprechenden Architekturen eint, sind hohe, wenn auch fast diametral gegensätzliche Ansprüche. Hier das neue, fast futuristische Museum Reinhard Ernst im Herzen von Wiesbaden, das sich als (künftiger) Leuchtturm und selbsternanntes »Kompetenzzentrum für abstrakte Kunst« positionieren will. Lee Krasner, Ernst Wilhelm Nay, Günther Uecker, Kenneth Noland – Schon die Eröffnungsausstellung »Farbe ist alles!« war ein Who is who der abstrakten Kunst; bestückt ausschließlich aus dem Fundus des Stifters selbst. Dazu eine Hommage an den wenige Tage vor der Eröffnung im Juni verstorbenen Architekten Fumihiko Maki, welcher den abstrakten Meisterwerken ihr Museum regelrecht auf den Leib geschneidert zu haben scheint. »Für eine menschliche Architektur« wurde diese zweite Schau überschrieben – und schlug damit geradezu die Brücke zu dem anderen neuen Haus in Frankfurt. »Menschen stark machen« war das Motto, das Ulrike Crespo ihrer gleichnamigen Stiftung und indirekt auch dem neuen Haus auferlegt hat. Menschen durch Kunst und durch kulturelle Bildung stärken, ihnen die Chance geben, Persönlichkeit(en) zu entwickeln, ist der Auftrag des Hauses und der mit bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr gut ausgestatteten Stiftung. Ein Stück weit fließt das Geld in dem weiten und lichten Crespo-Haus, das vor allem aus viel Luft zum Atmen zu bestehen scheint, in Projekte und Veranstaltungen, die dort stattfinden sollen oder die von dort aus gesteuert und noch mehr als bisher gefördert werden sollen. Kultur und Soziales soll mit den Projekten sehr konkret verbunden werden. Abstrakt ist hier wenig. Jugendliche sollen gefördert und gefordert werden, wie schon gleich nach der Eröffnung ein sehr offener »Social Dreaming Day« lebhaft illustrierte. Zusammenleben soll befördert werden, wie etwa die Unterstützung für die migrantische Plattform »Amal« unterstreicht. »Kultur-Schaffende« in vielerlei Sinn sollen ebenfalls dort buchstäblich Raum erhalten. »Eine gläserne Werkstatt« nannte es Crespo-Vorständin Christiane Riedel kurz nach dem Einzug. Nicht von ungefähr besteht das Haus aus vielen großen Fensterfronten – und einer nach außen offenen Freitreppe. Eine Architektur, welche das Innere nach außen trägt. Das wiederum hat das sehr offene Crespo-Haus mit der streng abstrakten weißen Kubenlandschaft des Museums Reinhard Ernst auf eine sehr eigene Art und Weise gemeinsam …  (vss./ver.).