Das Kino im Deutschen Filmmuseum Frankfurt macht Anfang des Jahres zwar kein Film-Festival, aber seit einigen Jahren in den ersten beiden Monaten immer wieder ein kleines Filme-Festival mit ausgewählten Kinohighlights des vorangegangenen Jahres. Das Besondere daran: Es handelt sich nicht nur um herausragende Programmkino-Filme des abgelaufenen Jahres, sondern neben einigen deutschsprachigen Filmperlen fast durchgängig auch um Originalfassungen in anderen Sprachen mit Untertiteln. Die Reihe mit zahlreichen kleinen und größeren Perlen reicht von Hayao Miyazakis Animationshighlight »Der Junge und der Reiher« (Bild) bis zum Oscar-Preisträger »The Zone of Interest« mit Sandra Hüller. Parallel dazu platziert das Filmmuseum stets noch eine zweite Highlight-Reihe mit besonderen Filmen legendärer Schauspieler*innen, diesmal Filme mit Marlon Brando, u.a. mit »The Wild One« und »Apocalypse Now«. Brando wäre im Jahr 2024 100 Jahre alt geworden. Beide Reihen sind im Januar und im Februar im Kino des Filmmuseums zu sehen (red.).
Best of 2024 | 100-Jährige
Gesichter des Lebens
Langzeitprojekt von Karsten Thormaehlen
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Gesichter – auch sie sagen oft mehr als 1000 Worte. Mehr über das Leben von Menschen, als es 1000 Worte oftmals vermögen könnten. Vor allem, wenn dies Gesichter von Menschen sind, die ein langes und die ein gelebtes Leben spiegeln. Ein »Langzeitprojekt« könnte man das Foto-OEuvre des Fotografen Karsten Thormaehlen nennen. Eine »Leidenschaft« nennt er es selbst. Ein halbes Jahrhundert bereits fotografiert er rund um den Globus Menschen. Menschen, die ihrerseits fast alle mindestens im hundertsten Lebensjahr stehen. Menschen, deren Gesichter von diesen Leben erzählen. Menschen, aus deren Gesichtern oft genug das Leben selbst noch immer spricht. In seinen Büchern und Ausstellungen reiht er buchstäblich die Jahrhunderte aneinander, erzählt in seinen Bildern von Leben und vom Leben. Ganz persönliche Jahrhunderte aus allen Teilen dieser Welt. Eine Auswahl seiner Bilder – nicht nur Gesichter, aber diese sind sicher die eindrucksvollsten unter ihnen – ist derzeit in Hofheim am Taunus zu sehen. Der genaue Ort, er ist wohl gewählt: ein Klinikum für Geriatrie. Viele Worte über diese Ausstellung zu machen, erübrigt sich mit Blick auf die Bilder und Gesichter … (vss.).
Die Region | Ausstellungen
Der etwas andere Blick
Ein Fokus auf weibliche und regionale Positionen
»Mehr Frauen in die Kunstmuseen«, forderte die feministische Kunstbewegung schon Anfang der 1970er Jahre. Seit einigen Jahren folgen Ausstellungshäuser nun endlich vermehrt diesem Ruf. In diesem Jahr sind gleich in mehreren Häusern der Region einige herausragende künstlerische Positionen dazu zu erwarten, darunter einige viel versprechende Einzelausstellungen. Zwei, drei interessante Gruppenausstellungen versprechen zudem regionale Positionen.
Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt ehrt 2025 eine ganz große Fotokünstlerin: Candida Höfer gilt als eine der renommiertesten deutschen Fotografinnen. Bekannt wurde die Schülerin von Bernd und Hilla Becher durch ihre präzise komponierten Aufnahmen von Innenräumen öffentlicher Gebäude. Als Betrachter*in möchte man regelrecht eintauchen in die großformatigen Aufnahmen von ungewöhnlichen Räumen, die Höfer in Bibliotheken, in Konzerthäusern oder in Theatersälen vorfindet und deren Struktur die Fotografin immer wieder faszinierend freilegt, um ein Gefühl von Zeitlosigkeit entstehen zu lassen. Doch nicht nur einen Überblick über Candida Höfers bekannte Fotoserien möchte das Landesmuseum in seiner Ausstellung ab Mai geben. In unmittelbarer Nachbarschaft zum »Block Beuys« werden zugleich auch neuere Fotoarbeiten zu sehen sein, eine Beschäftigung der Künstlerin mit Alltagsgegenständen, genauer mit provisorischen Beleuchtungskörpern … (weiter lesen).
Die Region | (Zwölf) Ausstellungen
Innere und äußere Werte
Alte Häuser reihen neue Kunst aneinander
Zwei für eins – Gastronomen und Kaufhäuser werben ja gerne damit. Zwei Essen bestellen, eines bezahlen. Oder: zwei Kissen für den Preis von einem. Auf recht charmante Art und Weise kopieren nun sechs Ausstellungshäuser in der Rhein-Main-Region diesen Gedanken. Sechs Häuser mit Geschichte spannen mit ihren aktuellen Ausstellungen der nächsten Monate zusammen. Der Reigen der Ausstellungen ist bunt: Klang- und Installationskunst von und mit Peter Roehr, collagiertes Interieur zeitgenössischer Künstler*innen mit Jochem Hendricks, der Pilz in allen ökologisch-künstlerisch-gesellschaftlichen Variationen, Wohnen mit Künstler*innen ausgestellt und Wohnen von Künstlern kuratiert sowie last but not least eine zeichnerische Aufarbeitung von Leid und anderen existentiellen Themen. Eher monochrom kommt die Zugabe daher: Wer sich in Wiesbaden, Rüsselsheim, Bad Homburg, Frankfurt, nochmals Wiesbaden sowie Darmstadt auf diese Ausstellungen einlässt, bekommt überall noch einen zweite, meist kleine Schau gratis dazu. Ob Kunsthaus, Opelvillen, Sinclair Haus, Museum Giersch, Nassauischer Kunstverein oder TU Darmstadt – alle haben ihre denkmalgeschützten Häuser mit viel Geschichte aufarbeiten lassen und präsentieren sie ergänzend und/oder über eine begleitende Website. Häuser, die nicht selten ganz andere Bestimmungen hatten, als sie gebaut wurden: als Schulen, Wohnhäuser oder Werkshallen. Und einige, wie die Opelvillen unter der Initiatorin der Idee, Beate Kemfert, haben dabei auch geschickt das eine Sujet mit den anderen Objekten verbunden und interagieren lassen. Eine Zeitreise durch Geschichte und Gegenwart in zwölf Teilen … (vss.).
Best of • Orte & Menschen
Künstler*innen-Landschaften
Mit Klaus Weddig zu Gast im Atelier Frankfurt
Im November feierte das Atelier Frankfurt mit seinen Open Studios seinen 20. Geburtstag als größtes Atelierhaus in Hessen. Zu besuchen und »besichtigen« waren einmal mehr rund 140 Ateliers mit über 200 Künstler*innen. Eine kleine Innenschau des Hauses und der Künstler*innen gibt ein Fotoprojekt von Klaus Weddig, der einige seiner Kolleg*innen in der Corona-Zeit besucht und daraus ein Fotoprojekt gemacht hatte. Die Ausstellung ist bis in den Januar 2025 zu sehen.
Eigentlich wollte Fotograf Klaus Weddig nur mal ein Viertelstündchen bei dem einen oder der anderen Nachbar*in im Atelier Frankfurt vorbeischauen. In Corona-Tagen, um gerade in diesen Zeiten mit der Kamera mal die Stimmung(en) einzufangen, in denen sich die Kolleg*innen gerade so befanden. Was sie so machten, wie sie mit diesen Zeiten so umgingen. Doch bald merkte er, dass er mehr aus diesen Besuchen machen sollte. Er wollte die Momente nutzen, in dieser fast still stehenden »Zeit des Dornröschenschlafes« nicht nur Stimmungen, sondern auch das künstlerische Schaffen der Kolleg*innen einzufangen. »Landschaften mit Künstler*innen« nennt er das, was dabei herausgekommen ist. Panoramen des Kreativseins – im Schaffen wie zuweilen auch im Nicht-Schaffen – sind entstanden; zusammengesetzt jeweils aus vier oder fünf Fotos als Panorama-Aufnahmen. »Künstler*innen unter sich« sozusagen. Eine ganze Reihe solcher Landschaftspanoramen mit Künstler*innen sind bisher entstanden. Künstler*innenporträts einerseits und gleichsam ein kleiner virtueller Gang durch das Atelierhaus andererseits. »Instant Karma« war der Titel einer kleinen Ausstellung, zu der die einzelnen Künstler*innen auch noch kurze Texte beigesteuert hatten. Einen Auszug daraus zeigt Urban shorts – Das Metropole Magazin. Die Ausstellung ist derzeit auch erneut im Atelier Frankfurt zum 20. Geburtstag des Hauses zu sehen. Interessant auch für jene, die die ursprüngliche Schau schon gesehen haben. Weddig setzt die Arbeit stetig fort. Motive gibt es genug: Im Haus sind immerhin rund 220 Künstler*innen zu Hause … (vss.).
Die Region | Filmfestivals
Filme auf Leinwänden
Nonstop-Filmfest FrankfurtRheinMain
Wer in Deutschland an Filmfestivals denkt, denkt zuerst an die Berlinale. Mit Cannes und Venedig spielt sie in der ersten Reihe europäischer Festivals und misst sich zuweilen gar mit Hollywood und seinen Oscars. FrankfurtRheinMain hingegen kann nichts derartiges aufweisen. Oder doch? FrankfurtRheinMain besitzt zwar keine Berlinale, ist aber wohl die Region in Deutschland und vielleicht sogar in Europa mit den meisten einzelnen Festivals überhaupt. Rund 50 Filmfeste stehen im Laufe des Jahres im Kalender – im Schnitt eines pro Woche. Die Palette beginnt bei relativ großen Akteuren wie Lichter und Nippon Connection in Frankfurt oder GoEast und exground in Wiesbaden. Und sie reicht bis hin zu den »Perlen« wie das Kurzfilmfestival in Weiterstadt mitten in einem Wald bei Darmstadt oder gar zu den »Exoten« wie dem Wiesbadener Trickfilmwochenende oder einem Putzfilmfestival, das 2018 Premiere hatte, danach aber offenbar leider wieder in der Abstellkammer verschwunden ist … (weiter lesen).
Best of • Orte & Menschen
Wo Kultur neu zu Hause ist
Crespo-Haus & Museum Reinhard Ernst
Kultur muss sparen. Das hört man in jüngster Zeit wieder öfter. Städte und Gemeinden müssen nach Corona wieder die Rotstifte auspacken. Und die, so scheint es, scheinen vielen Stadtkämmerern oft am besten zur Kultur zu passen. Umso erfreulicher, dass in der Region gerade in dieser Zeit durch außergewöhnliches privates Engagement zwei neue, ebenso außergewöhnliche Kultur-Häuser entstanden sind: in Frankfurt das Crespo-Haus, zu dem die Stadt mit einem 50er-Jahre-Sanierungsfall den Grundstein legte, und in Wiesbaden das gänzlich neue Museum Reinhard Ernst, bei dem nur das Grundstück der Stadt gehört und das praktisch komplett privat finanziert wurde durch den Unternehmer gleichen Namens. Doch auch in Frankfurt wurde das neue Haus nur möglich durch das posthume Engagement der verstorbenen Wella-Erbin Ulrike Crespo – selbst begeisterte und zuweilen begeisternde Fotografin –, aus deren Stiftungsvermögen das neue Haus komplett grundsaniert wurde, nunmehr auch betrieben wird und wo zur Zeit auch ausgewählte Werke von ihr zu sehen sind.
Was beide Häuser neben zwei sehr ansprechenden Architekturen eint, sind hohe, wenn auch fast diametral gegensätzliche Ansprüche. Hier das neue, fast futuristische Museum Reinhard Ernst im Herzen von Wiesbaden, das sich als (künftiger) Leuchtturm und selbsternanntes »Kompetenzzentrum für abstrakte Kunst« positionieren will. Lee Krasner, Ernst Wilhelm Nay, Günther Uecker, Kenneth Noland – Schon die Eröffnungsausstellung »Farbe ist alles!« ist ein Who is who der abstrakten Kunst; bestückt ausschließlich aus dem Fundus des Stifters selbst. Dazu eine Hommage an den wenige Tage vor der Eröffnung im Juni verstorbenen Architekten Fumihiko Maki, welcher den abstrakten Meisterwerken ihr Museum regelrecht auf den Leib geschneidert zu haben scheint. »Für eine menschliche Architektur« ist diese zweite Schau überschrieben – und schlägt damit geradezu die Brücke zu dem anderen neuen Haus in Frankfurt. »Menschen stark machen« war das Motto, das Ulrike Crespo ihrer gleichnamigen Stiftung und indirekt auch dem neuen Haus auferlegt hat. Menschen durch Kunst und durch kulturelle Bildung stärken, ihnen die Chance geben, Persönlichkeit(en) zu entwickeln, ist der Auftrag des Hauses und der mit bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr gut ausgestatteten Stiftung. Ein Stück weit fließt das Geld in dem weiten und lichten Crespo-Haus, das vor allem aus viel Luft zum Atmen zu bestehen scheint, in Projekte und Veranstaltungen, die dort stattfinden sollen oder die von dort aus gesteuert und noch mehr als bisher gefördert werden sollen. Kultur und Soziales soll mit den Projekten sehr konkret verbunden werden. Abstrakt ist hier wenig. Jugendliche sollen gefördert und gefordert werden, wie schon Anfang Juni ein sehr offener »Social Dreaming Day« lebhaft illustrierte. Zusammenleben soll befördert werden, wie etwa die Unterstützung für die migrantische Plattform »Amal« unterstreicht. »Kultur-Schaffende« in vielerlei Sinn sollen ebenfalls dort buchstäblich Raum erhalten. »Eine gläserne Werkstatt« nannte es Crespo-Vorständin Christiane Riedel kurz nach dem Einzug. Nicht von ungefähr besteht das Haus aus vielen großen Fensterfronten – und einer nach außen offenen Freitreppe. Eine Architektur, welche das Innere nach außen trägt. Das wiederum hat das sehr offene Crespo-Haus mit der streng abstrakten weißen Kubenlandschaft des Museums Reinhard Ernst auf eine sehr eigene Art und Weise gemeinsam … (vss./ver.).