Zuweilen hat Kulturschaffen auch durchaus viel mit Glücksspiel zu tun
Quelle: Veronika Scherer (ver.)©

IMPULS | KÜNSTLER*innenGAGEN

Fair ge-/behandelte Kunst

Ein Gastkommentar von Julia Eberz

Der Bund legt Mindeststandards bei der Entlohnung von Künstler*innen für von ihm mehrheitlich geförderte Kulturprojekte fest. Städte wie Stuttgart und Frankfurt führen Ausstellungshonorare ein. Julia Eberz, Vorsitzende im Kulturausschuss der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, sieht darin erste Ansätze zu »fair gehandeltem und behandeltem Kulturschaffen«. 

Zweifellos, sehr viele freischaffende Künstler*innen, insbesondere in der bildenden Kunst, aber auch in anderen Kulturbereichen, arbeiten in prekären Verhältnissen. Endlich hat auch die Bundesregierung reagiert und verknüpft die Förderung von Einrichtungen und Projekten, die zu mindestens 50 Prozent vom Bund gefördert werden, mit der Einhaltung von Mindeststandards bei der Entlohnung von Künstler*innen. Dieser Schritt war längst überfällig und es bleibt zu hoffen, dass Länder und Kommunen, die ebenfalls viele Kulturprojekte und -einrichtungen fördern, diesen Schritt nachvollziehen. Erste Schritte da und dort in diese Richtung sind bereits zu verzeichnen. Frankfurt hat zum Beispiel gerade Ausstellungshonorare und neue Stipendien auf den Weg gebracht.

Was für Arbeitnehmer*innen mit dem Mindestlohn inzwischen völlig normal ist, muss auch für freischaffende Künstler*innen gelten. So weit so nachvollziehbar. Aber bringen Honoraruntergrenzen auch Nachteile mit sich? (weiter lesen)


Von außen ein Kaufhaus. Von innen das vielleicht größte Kultureldorado der Republik.
Quelle: Line Krom©

Blaupausen | Jupiter Hamburg

Kommunales Kultur-Kaufhaus

Hamburg übt den kulturellen City-Umbau

Innenstädte haben sich als Kommerzmeilen offenbar überlebt. Stadtregierungen suchen nach neuen Konzepten; mal halbherzig, mal recht konkret. In der Region haben etwa Fulda und Offenbach ihre »Kaufhöfe« erworben und versuchen, darin neue Konzepte für Bürger*innen umzusetzen. Hamburg hat die letzten beiden Jahre recht prominent mit einer Art »Kulturkaufhaus« experimentiert. 

Es hat etwas von einem »Kulturtempel«. Zumindest, wenn der Begriff nicht schon irgendwie anders besetzt wäre. Und doch: Das großflächige und mehrstöckige Kaufhaus mitten in Hamburg muss Kulturschaffenden wie ein Tempel vorkommen. Überall gibt es etwas Anderes, etwas Neues zu entdecken und zu Bespielen. Doch immer irgendwas mit Kultur im weitesten Sinne. Jede Etage wird von unterschiedlichen Projekten genutzt. Im Erdgeschoss finden sich Designershops und ein Café. Urban Art, Graffiti und Hip Hop-Kurse folgen im 1. OG, Kunst, Mode und Circular Economy im 2. OG, wechselnde künstlerische Nutzungen sind im 3. OG vorgesehen, Aktivitäten für Kids im 4. OG. Im 5. OG findet sich zwischen ausgesonderten Bühnenbildern und Requisiten großer Spiel- und Produktionsstätten die »Bar der Hanseatischen Materialverwaltung«, ein Pop-up-Ort für Konzerte, Bingo-Abende und sogar Tischtennisturniere. Der Rooftop schließlich kommt bei Yoga-Schüler*innen gut an. »Herzstück« ist gerade die den Kulturbetrieb spiegelnde Ausstellung »Imagine Transparency« im 3. Stock. Das »Kurativ«, das junge Kuratorinnen-Kollektiv Lara Bader, Sarah Thiemann und Manya Gramsch aus Hamburg, präsentiert darin eine kritische Auseinandersetzung mit Ausschlussmechanismen im Ausstellungsbetrieb. Mit 20 Künstler*innen vor Ort und über 50 im digitalen Raum suchen sie nach Antworten auf die Frage: Wer kann sich Zugang zur Kunst überhaupt leisten?

Der wechselweise als Kulturtempel oder auch scheinbares Eldorado für Kulturschaffende daherkommende Komplex ist ein von Leerstand betroffenes, also mehr oder minder ausgedientes Kaufhaus im Herzen der Hamburger Innenstadt. Passenderweise trägt es heute den Namen »Kreativplanet Jupiter« und ist ein von der Stadt Hamburg ins Leben gerufenes Projekt, um Leerstand kreativ zumindest zwischennutzen zu können (weiter lesen).

Line Krom©
Hier geht's zum Know How für Künstler*innen
Quelle: Start Art Week©

Blaupausen | Start Art Week

Aller Anfang ist nicht Kunst

(Fast) Alles außer Kunst für Künstler*innen

Künstler*innen wollen vor allem Kunst machen. Das lernen viele von ihnen auch auf Kunsthochschulen. Doch wie sie von ihrer Kunst leben können, erfahren sie dort, wenn überhaupt, meist nur sehr rudimentär. Der Verein Start Art e.V. und die Start Art Week wollen Künstler*innen am Beginn ihrer Karriere mit viel Know How und Networking den Einstieg erleichtern. 

Als Nick Esser beschloss, neben seinem Beruf als Kommunikationsdesigner mehr Raum für seine künstlerische Arbeit zu schaffen, ahnte er noch nicht, dass sich seine Idee ganz anders entwickeln würde als geplant. Seine erste Anlaufstelle als aufstrebender Künstler war damals das Kulturamt Düsseldorf. Dort verwies man ihn an den Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler Düsseldorf, einen Regionalverband des BBK und damit Teil einer der größten Künstler*innen-Organisationen innerhalb der EU. Zugleich erkannte Esser sehr schnell, dass er etwas besaß, was vielen im Kunstbetrieb fehlte: die Fähigkeit, künstlerisches Schaffen mit wirtschaftlichen Strukturen zu verbinden. Immer öfter baten ihn Künstlerkolleg*innen um Tipps zu Themen wie Social Media, Rechnungen schreiben und Steuern. Und ihnen konnten weder BBK noch Kulturamt helfen.

Der Bedarf war riesig, denn ganz offensichtlich passten auch die diversen Angebote von Kultur- und Kreativwirtschaftsinitiativen nicht zu den Eigenheiten des Kunstbetriebs. Hier sah Esser (s)eine Lücke … (mehr lesen)

Start Art Week©
Nicht immer steht das Verkaufen ausgestellter Kunst derart im Vordergrund wie auf Messen wie der Discovery Art Fair in Frankfurt
Quelle: Veronika Scherer ©

Bildende Künstler*innen

Zwei neue Kunst-Geldtöpfe

Frankfurt experimentiert mit Künstlergagen

Der Stadt Frankfurt wurde oft vorgeworfen, zu wenig für ihre Künstler*innen zu tun. Gerne wurden ihr Berlin oder Stuttgart als leuchtende Beispiele vorgehalten. Dieser Tage hat das Kulturamt mit zwei Geldtöpfen reagiert, für die man sich für Projekte und Ausstellungen im Bereich Bildende Kunst bewerben kann. Ein guter Schritt. Allerdings sind die Ausschreibungen nicht immer glücklich formuliert. 

Man merkte schon ein wenig, dass »Künstlerhonorare« Neuland für die Stadt Frankfurt sind. Wer dieser Tage nach Verkündung zweier neuer Geldtöpfe für Projektstipendien und Ausstellungsvergütungen auf den Seiten der Stadt nachsah, war ein wenig an erste Gehversuche der Finanzämter vor Jahren mit ihrer Software »Elster« erinnert. Bei den »Projektstipendien Bildende Kunst« waren etwa nach drei Wochen noch Formulare und vollständige Ausschreibungsbedingungen teils falsch verlinkt, teils kaum auffindbar – gerade drei Wochen vor Ablauf der Frist. Aller Anfang scheint schwer. Das Projekt immerhin ist löblich. In Kurzform: Für künstlerische Projekte im ersten Halbjahr 2025 stehen jeweils 2.500 bis 10.000 Euro zur Verfügung. Die Bandbreite ist erfreulich weit gefasst: »Gefördert wird die Durchführung von künstlerischen Recherche- und Forschungsvorhaben, die als Vorbereitung oder sogar Umsetzung eines konkreten Projektes dienen. Gefördert werden kann außerdem die Umsetzung eines konkreten, bereits begonnenen, künstlerischen Projektes, für dessen finale Realisierung die notwendigen Mittel fehlen.« Daneben müssen Künstler*innen noch ihren »Arbeitsmittelpunkt in Frankfurt am Main verorten«. Ansonsten muss man/frau offenbar nur schnell sein. Die Frist läuft am 1. November ab. Deshalb der Tipp: die Formulare finden sich nicht hinter dem Link, sondern am Ende der Ausschreibungsseite (mehr lesen).

Veronika Scherer ©
Banale Baustelle, produktives Büro oder Künstler*innen-Atelier?
Quelle: Stadt Wiesbaden / Kunsthaus©

Kultur lebt Denkmal [1]

Unter Künstler*innen

Monique Behr im Kunsthaus Wiesbaden

Es war einst ein Schulhaus, dann Kunstschule und Atelierhaus. Derzeit ist das »alte« Kunsthaus Wiesbaden eine Baustelle mit viel künstlerischer Aura auf dem Weg zum neuen Kunsthaus. Der übliche Sanierungsbedarf eben. In Teil 1 der Reihe »Kultur lebt Denkmal« schreibt Monique Behr über ihren Alltag zwischen alten Zeichensälen und Phantasien von neuen Tanzböden.  

Lange Zeit haben mein Team und ich im ehemaligen Zeichenraum der alten Werkkunstschule gearbeitet. Ein schönes Gefühl, das alte Gemäuer der imposanten Schulvilla auf dem Schulberg hoch über Stadt. Noch schöner das Gefühl, sich vorzustellen, dass genau hier einst Dieter Rams und Peter Roehr – um nur die bekanntesten Absolventen der Werkkunstschule zu nennen – ihren Unterricht hatten. Vor kurzem sind wir dann in eines der neu fertiggestellten Atelier umgezogen. Neue Räume. Und wieder so ein »Glücksgefühl«: die Vorstellung, wie glücklich heutige Künstler*innen hier bald werden wirken können. Denn nach einer umfassenden Sanierung wird das Haus genau zu diesem Zweck bald wieder neueröffnet.

Arbeiten in einer Baustelle mit Geschichte – Das ist derzeit das Besondere an meiner Arbeit im alten und neuen Wiesbadener Kunsthaus. Seit sieben Jahren wird hier saniert (die Geschichte des Hauses selbst wurde im Rahmen des »Interior-Projektes« unter die Lupe genommen) und konzentriert sich unsere sichtbare Arbeit auf den 2011 erbauten angrenzenden Neubau, genannt Kunsthalle, in dem sich auch die Artothek befindet (mehr lesen).


Scheine, die Wertschätzung ausdrücken (können)
Quelle: Hayko Spittel©

Wertschätzen und Mischfinanzieren

Haste mal fünf Euro – oder mehr?

Kultur experimentiert mit solidarischen Preisen

Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Kultur feste Preise haben oder ob das Publikum entscheiden sollte, was ihm Kultur wert ist. Seit 2020 experimentiert der Frankfurter Mousonturm mit einem »Solidarischen Preissystem«. Andere haben schon länger Erfahrung damit; vor allem die Freie Szene. Ob sinnvoll oder nicht – dazu gibt es keine klare Antwort. Allerdings: Schaden scheint es zumindest nicht. 

Hayko Spittel ist Künstler. In Offenbach. »Künstlerpech« könnte man sagen. Doppeltes. Reich kann man nämlich in der Regel weder mit dem Ort noch mit der Profession werden. Zumindest nicht an Geld. Aus diesem Umstand hat der Maler mit Expertise in Druckgrafik eine eigene Kunstform gemacht. Spittel hat ein eigenes »Künstlernotgeld« entworfen und bringt es zum Wechselkurs eins zu eins zum Euro unter die Leute; wenn auch meist mehr im privaten Umfeld, wo der eine oder andere Schein auch schon mal zum Geschenk mutiert(e). Geld selbst drucken – das würden sich viele Kultureinrichtungen und Kulturschaffende wünschen. Wenn man damit bezahlen könnte …

Doch eigentlich hat Spittels Idee ja noch eine zweite Seite. Faktisch nämlich ist jeder Schein gleich wertig. Erst Käufer oder Käuferin entscheiden, was er und damit die Arbeit des Künstlers ihm oder ihr wert ist. Eine Idee, die in Corona-Zeiten auch das Künstler*innenhaus Mousonturm aufgegriffen hat. »Solidarisches Preissystem« nennt man es am Turm seither. Besucher*innen entscheiden selbst, ob ihnen eine Aufführung 7 (anfangs 5), 11, 20 oder 35 Euro wert ist. Wie viel sie also zahlen wollen – oder auch gerade können … (mehr lesen)


Stockholms Kulturhuset - ein vielgestaltiger Kulturpalast im Herzen der Stadt
Quelle: Johan Stigholt • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©

Blaupause Kultur | Schweden

Mehr als Schweden-Happen

Nordische Langzeitförderung für Künstler*innen

Das »Swedish Arts Grants Commitee« (Schwedisches Komitee für Kunststipendien) vergibt jedes Jahr zahlreiche Stipendien an professionelle, in Schweden lebende und arbeitende Künstler*innen unterschiedlichster Sparten, beispielsweise für bildende Kunst, Fotografie, Design, Kunsthandwerk oder Architektur. Das Besondere: Neben Kurz- gibt es auch Langzeitstipendien für fünf oder zehn Jahre. 

»Als vor fünf Jahren der Bescheid eintraf, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich konnte mein Glück kaum fassen«. Der in Stockholm lebende Fotokünstler Carl Johan Erikson hatte eines der begehrten Langzeitstipendien des Swedish Arts Grants Commitee über fünf Jahre erhalten. Zwar konnte er damals bereits auf eine lange Karriere zurückblicken, dennoch war das Langzeitstipendium für ihn etwas besonderes. Anerkennung seiner künstlerischen Leistung der Vergangenheit – und ein Stück künstlerische Unabhängigkeit für die Zukunft. Ein Stipendium über fünf oder gar zehn Jahre ist eine Seltenheit in der internationalen Kunstszene. Die umgerechnet 10.000 Euro pro Jahr nutzt Erikson für die Ateliermiete, für Forschungsreisen, als Unterstützung für seine Ausstellungsprojekte und für die Produktion seiner Fotobücher. Dafür ist es auch gedacht, denn »zum Leben« würde es in Schweden kaum reichen. Der Betrag entspräche gerade einmal rund 15 Prozent eines normalen Jahreseinkommens in dem skandinavischen Land. Alle seine Kolleg*innen arbeiteten denn auch auf Stellen im Kunstbetrieb oder in anderen Branchen. Er selbst hat etwa eine 50%- Stelle als Senior Lecturer am Royal Institute of Art in Stockholm. Der Job ermöglicht ihm sein Auskommen, das Stipendium die künstlerische Arbeit … (mehr lesen)