Beispiel Oeder Weg: Straßen mit weniger Autos laden oft zum Verweilen und Einkaufen ein
Quelle: Veronika Scherer (ver.)©

Impulse | Autos weg, Umsatz weg?

Auch Radler*innen geben Geld aus

Ein Gastbeitrag von Professor Dennis Knese

Lange galt in Geschäftsstraßen dieser Welt das Mantra: Je mehr Autoparkplätze, umso mehr Umsatz. Doch seit sich in immer mehr Städten Einkaufsstraßen zu autofreieren Zonen wandeln, häufen sich Studien, die eher von mehr als von weniger Umsatz berichten. Und nicht selten scheint die Mär von zahlungskräftigen Autofahrenden auffällig mit der Verkehrsmittelwahl der Händler*innen selbst zu korrelieren. Ein Gastbeitrag zum Thema von Prof. Dennis Knese (UAS Frankfurt).  

Ein Mittwochnachmittag in Frankfurt am Oeder Weg. Beschaulich liegt die langgestreckte Einkaufsmeile im Nordend mit den kleinen Cafés, Kiosken und Bistros, den Läden für Blumen, Bücher und Kinderkleidung sowie den Apotheken und Reinigungen in der Sonne. Auf der rotmarkierte Straße sind seit einiger Zeit deutlich mehr Radfahrer*innen unterwegs als früher. Im Supermarkt und beim Shop Zeit für Brot herrscht gerade emsige Betriebsamkeit. Und viele Menschen schlendern, eilen, verweilen dazwischen. Im Nordend sieht man, wie sich solche Straßen zuletzt verändert haben. Während heute auf jedes Auto auch ungefähr ein Fahrrad kommt, waren es vor einigen Jahren noch doppelt so viele Autos wie Fahrräder. Bummeln und Shoppen – Das hieß damals für viele, mal eben ins Auto hüpfen und mit diesem in die Stadt hinein. Doch die Zeiten haben sich geändert. Nehme ich das Fahrrad, egal ob per Pedes, mit Elektrohilfe oder als Lastenkahn? Nehme ich Bus, U-, S- oder Straßenbahn, oder fahre ich gar Tretroller? Was sich aber noch nicht geändert hat: die Mär, dass dies das Ende der Geschäfte wäre, weil einzig Autofahrende Geld ausgeben würden. Sicherlich ist das Auto nicht unverzichtbar, lässt sich ein Sofa doch weniger komfortabel – aber nicht unmöglich – mit (Lasten-)Rad oder ÖPNV transportieren als eine Tüte Lebensmittel. Doch die Erfahrung lehrt: bei den meisten Einkäufen in der Stadt geht es selten um Waren des langfristigen Bedarfs wie Möbelstücke … (weiter lesen)


Was fehlt? Ein Display, das alle Verbindungsoptionen an dieser Stelle auf einen Blick zeigt ...
Quelle: us / OIMD©

Impuls | ÖP(N)V als Alltag

Einmal Mittelmeer, bitte

Gastbeitrag von Peter Eckart (OIMD)

Wenn die Tage grauer werden, kommt schnell mal der Wunsch nach einem Abstecher ans Mittelmeer auf. Erster Reflex: einfach ins Auto steigen. Zweiter Reflex: weit, anstrengend, teuer. Praktischer wäre: mitten in Frankfurt, Musterschule zum Beispiel, in die U-Bahn, am Hauptbahnhof in den Zug, flugs nach zum Beispiel Marseille und dann noch mit der Tram ans Meer. Am besten freitagmittags los, abends dort sein – und alles für ein paar Euro. Geht nicht? Geht doch! Zumindest an den 360 Tagen im Jahr, an denen die Bahnen nicht streiken. Die Formel: U5 plus TGV (Frankfurt Hbf – Marseille Saint-Charles) plus M1 zum Alten Hafen. Abfahrt etwa 13.30 Uhr, Ankunft etwa 23.30 Uhr. Kosten: mit etwas Glück um die 50 Euro. Das Problem: Viele Menschen haben eine solche Möglichkeit gar nicht auf dem Schirm. Genauso wenig, dass das Gleiche auch – mit höchstens ein Mal mehr umsteigen, aber bestenfalls einem Stündchen mehr Vorlauf – auch vom Darmstädter Martinsviertel, dem Offenbacher Mathildenviertel oder von Mainz-Mombach aus ginge. Und genauso einfach wäre es umgekehrt, von Roms Via Appia an fast jeden Punkt im Rodgau oder von Berlin-Kreuzberg nach Bürgel zu kommen …

Zugegeben: Die letzten Beispiele setzen schon einiges an Vorstellungskraft voraus. Doch eigentlich reicht bereits ein Umdenken: bei Menschen und Mobilitätsanbietern. Beginnen wir beim Menschen. Also bei uns … (mehr lesen).

us / OIMD©
Übersehen konnte man Straßenbahnen in der Mittelmeermetropole Montpellier noch nie wirklich
Quelle: Magnus Manske / IngolfBLN • CC BY-SA 2.0 (s.u.)©

Blaupause | Montpellier

Einsteigen und losfahren

Stadt schenkt Bewohner*innen ÖPNV

Straßenbahnen in Montpellier sind schon seit geraumer Zeit etwas besonderes. Nicht nur, dass einige von ihnen zu den buntesten und farbenprächtigsten Exemplaren in ganz Europa zählen dürften. Wer einmal in der südfranzösischen Mittelmeer-Metropole war, weiß auch, dass Montpellier eine der wenigen Städte ist, in der man mit der Straßenbahn fast bis an den Strand fahren kann. Zumindest bis an die »Etang« geheißenen Wassergebiete ganz nahe am Meer. Für wen das ein Grund ist, nach Südfrankreich umzuziehen, der oder die haben seit einem halben Jahr noch mehr Freude an den Trams. Seit kurz vor Weihnachten ist Montpellier die größte Stadt Europas mit kostenlosen Bussen und Bahnen – zumindest für ihre Bewohner*innen. Rund eine halbe Million Menschen in und um Montpellier dürfen seither den ÖPNV der Stadt ohne Ticket nutzen. In dieser Größenordnung absolut einmalig in Europa.

Rund 40 Millionen Euro lässt sich die Stadt das Fahrvergnügen ihrer Bürger*innen pro Jahr extra kosten. Der Großteil dieser Ausgaben sei, so die Mobilitätsdezernentin, aber schon wieder eingespielt. Montpellier profitiert dabei davon, dass es eine französische Boomtown am Mittelmeer ist – und dass in Frankreich Städte ansässige Unternehmen ab elf Mitarbeitenden an den Kosten für den örtlichen ÖPNV beteiligen dürfen. Da Montpellier seit Jahren wächst, immer mehr Unternehmen anzieht und jedes Jahr rund 8.000 Menschen sich neu in der Stadt ansiedeln, spült diese Steuer jedes Jahr viele Millionen Euro in die Kassen der Stadt. Für die Unternehmen, so die Dezernentin, sei diese Infrastruktur neben dem Meer und der fast garantierten Sonne ein echtes Plus für ihre Mitarbeiter*innen, wie Umfragen ergeben hätten. Nicht von ungefähr sind die Nutzerzahlen für das recht gut ausgebaute Netz von Bussen und Bahnen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten gerade in den letzten Monaten um rund 25 Prozent gestiegen. Und es hilft gegenzusteuern, denn mit den Zugezogenen stieg zuvor auch jedes Jahr die Zahl der neu zugelassenen Autos um mehrere Tausend. Unternehmen sind übrigens nicht die einzigen, die in Montpellier noch zahlen. Auch die nach Südfrankreich kommenden Tourist*innen zahlen weiterhin ihr Billet. Verkehrsexpert*innen aus aller Welt schauen aber mittlerweile schon mit großem Interesse auf das Experiment im Süden Frankreichs. Bisher nämlich waren es vor allem kleinere Städte wie zum Beispiel Tallinn in Estland oder das ebenfalls französische Dunkerque / Dünkirchen, die mit einem kostenlosen ÖPNV experimentiert haben. Gerade wirtschaftsstarke Städte denken dabei ebenfalls an eine Art Mobilitätsabgabe wie in Frankreich. Zuletzt machte auch um den Jahreswechsel herum Frankfurts Verkehrsdezernent mit dieser Idee von sich reden. Bisher ohne Erfolg. Wobei es an den zuziehenden Wirtschaftsunternehmen und der steigenden Einwohner*innenzahl nicht liegen kann. Vielleicht fehlt aber irgendwie noch die direkte Verbindung zum Meer. Und die Sonne vielleicht auch des Öfteren … (sfo.).


Sehr persönlich kommt der Hopper schon in der Werbung auf seiner Website daher
Quelle: kvgOF / Website Screenshot©

Region | On-Demand-Busse

Hopper – Lückenfüller und mehr

Ein beliebtes Zusatzangebot in Rhein-Main

Sie heißen »Hopper« oder »HeinerLiner«. Andere nennen sich »Emil«, »Knut«, »Carlos« oder auch »Colibri«. In weiten Teilen des Rhein-Main-Gebietes sind die rmv-Kleinbusse »on-demand« (also »auf Anfrage«) unterwegs, um Menschen nebst Bahnen und Bussen noch etwas passgenauer von da nach dort zu bringen – zumindest über kurze Strecken. Beim größten Anbieter, dem »Hopper« im Kreis Offenbach, sind wir im Städtchen Neu-Isenburg öfter mal mitgefahren … 

»Mein Freund hat bestellt. Ich bin die Sandra«. Der Fahrer sammelt die junge Frau, die beim Einsteigen nur kurz die Stöpsel aus dem Ohr nimmt, am Stadtrand auf dem Parkplatz eines Supermarkts ein. Er wusste eigentlich schon, wer ihn erwartete. Er kennt den Freund, der oft bucht, um selbst zwischen den Vororten Gravenbruch und Zeppelinheim zwischen seinem Zuhause und dem der Freundin zu pendeln. Manches Mal buche er aber auch für die Freundin, um auch ihr abseits der zuweilen etwas großflächig getakteten Buszeiten zwischen Kernort und den beiden Ortsteilen ein Fort- und vor allem abends ein gutes Nach-Hause-Kommen zu ermöglichen. Gebucht ist in der Tat schnell, wenn man sich zuvor im System registriert und eine Zahlungsweise hinterlegt hat. In der Regel loggt man sich dann mit dem Smartphone ein (es gibt auch Telefonbuchung), gibt Start und Ziel innerhalb eines bestimmten Gebietes ein und bekommt dann den Abholpunkt mitgeteilt. Rund 200 Meter, so hört man vom Betreiber, sind die Haltepunkte meist voneinander entfernt. Vor die Haustür wird Sandra also nicht gefahren. Aber zumindest nicht weit davon entfernt wird sie aussteigen – und an diesem Nachmittag von ihrem Freund abgeholt werden. Der Fahrer lächelt kurz. Mit dem Freund hat er sich schon oft bei den Fahrten  unterhalten … (weiter lesen).

kvgOF / Website Screenshot©
Vorlagen für Webseiten und Ausstellungen - Man kann kaum sagen, dass Frankfurt sich nicht müht, Menschen die Idee vom Miteinander auf den Straßen der Stadt nahe zu bringen
Quelle: Stadt Frankfurt©

Frankfurt | Mobiles Miteinander

Mehr Leben auf der Straße

Für Läden, Gastro, Autos, Räder, Menschen

Wer über »Orte für Menschen« nachsinnt, denkt kaum zuerst an Straßen. Weltweit aber formen Städte ihre asphaltierten »Lebensadern« zu neuen Orten des Lebens und des Miteinanders. In Frankfurt ist der Oeder Weg Vorzeigemeile beim Versuch, Läden, Gastronomie, Autos, Räder und vor allem die Menschen mehr zum Miteinander zu bringen. Noch immer pflegen aber viele ihre Vor-Urteile … 

»Fahrrad-Anarchie« – Bei dem Begriff muss Katharina Knacker, Stadtverordnete in Frankfurt, schmunzeln. Er fällt immer wieder in Gesprächen über den Umbau des Oeder Weges. Die Rede ist dann schnell von »Lobbypolitik«. Von »unachtsamen, alle Verkehrsregeln missachtenden Radfahrern«. Von finanzieller Not des Einzelhandels durch vertriebene Kund*innen, die normalerweise mit ihren Autos herkommen. »Da pflegt jeder und jede so ihre Vorurteile«, sagt Knacker. Der Entwicklungsplan des Oeder Weges ziele aber vielmehr auf ein Miteinander, auf eine Verbesserung des Verkehrs als auch des Zugangs zu Außengastronomie und Einzelhandel. Letzteres, indem Sommergärten und breitere Gehwege die Menschen motivieren sollen, zu Fuß durch die Straßen zu gehen. Andere Städte wie Stockholm haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht. Dortige »Sommerstraßen« funktionieren sogar ohne Autos. Sie weiten sich sogar von Jahr zu Jahr aus – und zwar auf Wunsch von Anwohner*innen, aber auch Laden- und Gastronomie-Betreiber*innen.

Frankfurts neue Verkehrspolitik rund um elf Fahrradstraßen hat in der Tat zwei Seiten. Es gehe um Zusammenleben und um Fahrradfreundlichkeit. Miteinander statt gegeneinander. Das beginnt bei den Verkehrsteilnehmer*innen: Alle sollen gleichberechtigt sein. Busse, Autofahrer*innen, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen – für sie setzt die Stadt auf »Multifunktionsstreifen«, die alle Verkehrsteilnehmer*innen beachten und mehr Möglichkeiten für einen sicheren Verkehr schaffen. Auch wenn die nun großen roten Flächen manchen und manche erst mal verwirren – viele davon aber auch gerade dadurch vorsichtiger und rücksichtsvoller fahren lassen. Doch das neue Bild schafft auch ein anderes entspanntes Ambiente. Ein buntes Farbenspiel – das Auge lebt bekanntlich mit. Mehr Grünelemente, darunter auch mehr Baumkübel zur Abgrenzung der Außengastronomie, die neuen Fahrradwege in Rot, ein sicherer Verkehr durch breitere Fahrbahnen. An den Seiten der Gehwege gibt es mehr Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Neben diesen befinden sich Lieferzonen und außerdem noch immer auch ein paar Auto-Parkplätze. Insgesamt soll der Oeder Weg zumindest breiter wirken. Breit genug, dass rechts und links neben spazierenden Fußgängern zwischen den bunten Sommergärten Platz für den Verkehr von Radfahrer*innen und Autos bleibt und alle Verkehrsteilnehmer sicher ihren Weg durch die zentral gelegene Straße finden. Aber vor allem: dass sie alle auch verweilen können in dieser Straße. Die Philosophie: mehr Mensch, mehr Leben. Allerdings soll das neue Konzept natürlich auch zum Radeln motivieren. Denn allen Worten zum Trotz liegt da in Frankfurt durchaus auch noch einiges im Argen. Der Fahrrad-Monitor 2021, eine Umfrage, die das Sinus-Institut für Markt- und Sozialforschung für das Verkehrsministerium durchgeführt hatte, zeigte nämlich, dass damals nur noch 59 Prozent der Hess*innen ihr Rad regelmäßig benutzten, während dieser Wert im Jahre 2019 noch bei 68 Prozent lag. Im bundesweiten Fahrradklima-Test 2020 erzielt Frankfurt meist nur mittelmäßige Werte. Allerdings bekam die Stadt zuletzt einmal zusammen mit Wiesbaden den Titel als »bester Aufholer« in ihrer Kategorie. Deshalb gut zu wissen, dass das Leben in der Straße nur ein Teil der Philosophie und der Oeder Weg keine »Insel« ist. Das Modell ist Teil eines großen sicheren Radstraßennetzwerks, das mehr denn je auch die umliegenden Straßen verknüpft und sich mit den zehn anderen Fahrradstraßen verbindet. Sodass man ein Auto eigentlich auch gar nicht mehr unbedingt braucht, um in Frankfurt von einem Ort zum anderen zu kommen … (luc.).

Stadt Frankfurt©
Nicht nur in Brüssel: Die neuen Dos and Don'ts der Innenstädte von London bis Leipzig
Quelle: us / Open Clipart©

Blaupause | Innenstädte

Stadtverkehr wie in Brüssel

Die ganze Stadt als Tempo-30-Zone?

Frankfurt führt in Teilen der Innenstadt Tempo 20 ein. Es folgt damit einem Trend: Weltweit beginnen immer mehr Städte, zumindest Tempo 30 flächendeckend auf ihren Straßen einzuführen. In Deutschland hat die Initiative »Lebenswerte Städte« gerade die 1000. Kommune ausgenommen. Ihre Ziele: bessere Luft, weniger Lärm und mehr Lebensqualität …

In Europas Metropole Brüssel trauten im Sommer 2020 viele Menschen ihren Augen nicht – und sich selbst erst einmal längere Zeit auch nicht auf die Straßen im Herzen der Stadt. Mitten in der Hochzeit von Corona hatte die Stadtregierung das Zentrum zur verkehrsberuhigten Zone erklärt, in der auch die verbliebenen Autos nur Tempo 20 fahren durften. Und nicht nur das: Radfahrer*innen und Fußgänger*innen hatten auf rund fünf Quadratkilometern rund um den Grande Place mit seinen alten Gildehäusern Vorrang. Die Straße gehörte zuerst einmal ihnen – vor allem, um mehr Platz für Abstand zu haben. Es dauerte ein wenig, bis auch die Autofahrer*innen »mitspielten«. Der ausgedünnte Verkehr half mit, dies da und dort tatsächlich umzusetzen. Nun war Brüssel wahrlich nicht die einzige Großstadt, die im Sommer 2020 verkehrsberuhigt wurde – teils »von oben«, teils einfach durch Corona. Aber die Brüsseler Stadtregierung fand Gefallen daran. Die EU-Hauptstadt – bisher Eldorado für Autofahrer*innen – beschloss 2021, im ganzen Stadtgebiet Tempo 30 einzuführen; ausgenommen nur Straßen, an denen ausdrücklich anderes beschildert ist. Hintergrund war nun nicht mehr die Abstandswahrung, sondern auch die schlechte Luft in der Metropole. Das mit der Luft wurde Brüssel übrigens kurioserweise quasi von Brüssel ins Pflichtenheft geschrieben. Nämlich von der EU-Kommission um die Ecke …

Mittlerweile sind Tempo-30-Innenstädte Trend – längst fast schon flächendeckend in Großstädten wie Paris oder London. Brüssel hat mit seinen strengen Regeln in Sachen Luft zahlreiche Metropolen angestoßen, gibt es doch kaum noch eine europäische Großstadt, in welcher Jahrzehnte des Credos »autogerechter Stadt« Luft und Lebensqualitäten nicht deutlich in Mitleidenschaft gezogen haben … (mehr lesen)

Zukunft des Verkehrs

Der Blick von unten

Wie Kids sich Mobilität wünschen

Die Stadt Frankfurt arbeitet derzeit mit ihren Bürger*innen einen »Masterplan Mobilität« aus. Teil der Bürger*innen-Beteiligung waren auch Planspiele und Befragungen an Schulen. Gemeinsam mit dem Verein »Umwelt lernen« wurden an 35 Schulen fast 1.800 Kids einbezogen. Die Vorstellungen der Schüler*innen präsentierten sich in eigenen Schaubildern, umfangreichen Auswertungen sowie einem eigenen Podium beim 3. Frankfurter Mobilitätsforum 2022.  

Gut, ein Wunsch Frankfurter Schülerinnen und Schüler wird sich nicht so leicht erfüllen: dass Autos und E-Roller sich einfach in Bäume verwandeln. Doch sonst haben fast 1.800 Kids, die sich in 35 Schulen an einem Planspiel zur künftigen Mobilität in der Mainmetropole beteiligt haben, nicht nur klare und naheliegende, sondern auch realisierbare Vorschläge. Und das erstaunlich differenziert und begründet. Ganz oben auf allen Listen: günstigere ÖPNV-Tickets, mehr Grün in der Stadt und vor allem mehr Platz und mehr Sicherheit für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer*innen. »Wenn mehr mit dem Bus fahren, ist mehr Platz auf den Straßen«, war ein Argument, warum Tickets günstig oder kostenlos sein müssten. Und zwar nicht nur für Oberstufen-Schüler*innen, die überraschenderweise oft ihre Tickets selbst bezahlen müssen. Genauso wichtig ist ihnen die Sicherheit am Straßenrand, »weil Autos oft zu schnell sind«. Also Brücken statt Zebrastreifen, längere Grünphasen an Ampeln, Schwellen vor Überwegen, mehr Kreisel oder breitere und baulich abgetrennte Radwege. Und: weniger Mülltonnen dort, weil sie – völlig überraschend – die Sicht verdecken.

Da Kids durchaus eine ganz andere Sicht auf den Verkehr haben, bekamen sie auch beim 3. Frankfurter Mobilitätsforum Mitte 2022 im Haus am Dom eine eigene Ausstellung mit »ihren« Ergebnissen (s. Bildergalerie) und eines von drei Podien alleine für sich. Und auf dem Podium zeigten alleine zwölf Schüler*innen aus vier Schulen sehr schnell, was ihnen wichtig ist. Nicht nur der Blick auf den Verkehr stand im Fokus: mehr Bäume, mehr Blumen, »straffreies Urban Gardening«, überhaupt mehr Grün und Plätze zum Spielen und »zum Abhängen« (nicht nur für sich), forderten sie ganz allgemein ein. Aber auch beim Blick auf die Straße(n) gab es Prioritäten: weniger Autos auf der Fahrbahn und am Straßenrand, bis hin zu einer völlig autofreien Berger Straße. Und immer mit einem besonderen Blick für die Schwächeren: Erstaunlich viel Raum bekamen Hilfen für Rolli-Fahrer*innen und Blinde (»Die können ja nichts für ihre Behinderung. Deshalb müssen wir uns für sie einsetzen.«). Zwischendrin auch die Forderung nach weniger Ausgrenzung von Obdachlosen. Null Verständnis gab es für schmale Gehwege und vor allem für herumliegende E-Roller. Doch nicht nur diese Art von »Müll« würden Kids gerne aus dem Stadtbild verbannen. Auch sonst ist es ihnen viel zu viel Unrat auf und neben den Straßen. Und auch Busse und Bahnen bekommen ihr Fett weg. Die Kids, die schon quasi »von Berufs wegen« Busse, Bahnen und Fußwege nutzen, finden es überall zu dreckig, wünschen sich weniger klebrige Kaugummis sowie Busse, Bahnen und Gehwege, bei denen es mehr Spaß mache, sie auch zu benutzen. Denn eines ist auch ihnen erstaunlich klar: Es reicht nicht, nur einfach mehr Menschen in den ÖPNV, auf Rad- und Fußwege zu bringen. Diese müssten auch in der Lage sein, sie aufzunehmen. Ach ja, und an noch jemanden denken die Schüler*innen. Kostenlos müsse nicht alles sein. Denn auch die, die dort im ÖPNV und bei der Straßenreinigung arbeiteten, »müssen ja auch was verdienen …«. Manchmal hatte man das Gefühl, dass auf Podien ein »Blick von unten« auf den Verkehr öfter nicht unbedingt schaden würde … (vss.).