Vier Kunstwerke von vier dänischen Künstler*innen an vier öffentlichen Orten in Kopenhagen
Quelle: Rådet for Visuel Kunst / Sebastian Quedenbaum©

BLAUPAUSE KULTUR | Dänemark

Kopenhagens kommunale Kunstkäufe

Wie die Stadt seit langem lokale Künstler*innen fördert

Seit 2010 arbeitet Sebastian Quedenbaum als Administrator und Kurator des Rådet for Visuel Kunst, der städtischen Kunstsammlung der Stadt Kopenhagen. Das Besondere an der Sammlung: Sie wird nicht in einem White Cube oder in einem Museum präsentiert, sie bringt ihre gestammelte Kunst direkt in den Kontext städtischer Einrichtungen. Das kann das Jobcenter, die städtische Bibliothek oder eine kommunale Einrichtung für betreutes Wohnen sein. So blickt man etwa an einer Bürowand des Stadtarchivs unvermittelt auf eine recht eigenwillige Skulptur mit zwei Beinen. »Vesterport with Legs« stammt vom dänischen Künstler Sebastian Hedevang und ist seine Interpretation des berühmten dänischen Stadtportals Västerport bei Kalmar. In einer anderen Ecke von Kopenhagen, in einem Zentrum für neurodiverse Menschen, dienen Kunstwerke hingegen den Nutzer*innen dazu, sich in dem architektonisch recht gleichförmig gestalteten Gebäude besser orientieren zu können. Wohl nicht nur Quedenbaum findet, dass in Dänemark bei der Gestaltung von öffentlichen Einrichtungen viel Liebe zum Detail beweisen wird.

Das Interesse der öffentlichen Einrichtungen in der dänischen Hauptstadt ist groß, sagt Quedenbaum. Nahezu alle Neuankäufe werden in der Regel in kürzester Zeit ausgeliehen. Das Depot der Sammlung hingegen ist nur minimal gefüllt – und genau das ist auch sein Ziel: Er will, dass die Kunst, die die Kommune sammelt, von möglichst vielen Menschen gesehen wird, vor allem von Bürger*innen und Mitarbeiter*innen der Stadt … (mehr lesen).


Scheine, die Wertschätzung ausdrücken (können)
Quelle: Hayko Spittel©

Wertschätzen und Mischfinanzieren

Haste mal fünf Euro – oder mehr?

Kultur experimentiert mit solidarischen Preisen

Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Kultur feste Preise haben oder ob das Publikum entscheiden sollte, was ihm Kultur wert ist. Seit 2020 experimentiert der Frankfurter Mousonturm mit einem »Solidarischen Preissystem«. Andere haben schon länger Erfahrung damit; vor allem die Freie Szene. Ob sinnvoll oder nicht – dazu gibt es keine klare Antwort. Allerdings: Schaden scheint es zumindest nicht. 

Hayko Spittel ist Künstler. In Offenbach. »Künstlerpech« könnte man sagen. Doppeltes. Reich kann man nämlich in der Regel weder mit dem Ort noch mit der Profession werden. Zumindest nicht an Geld. Aus diesem Umstand hat der Maler mit Expertise in Druckgrafik eine eigene Kunstform gemacht. Spittel hat ein eigenes »Künstlernotgeld« entworfen und bringt es zum Wechselkurs eins zu eins zum Euro unter die Leute; wenn auch meist mehr im privaten Umfeld, wo der eine oder andere Schein auch schon mal zum Geschenk mutiert(e). Geld selbst drucken – das würden sich viele Kultureinrichtungen und Kulturschaffende wünschen. Wenn man damit bezahlen könnte …

Doch eigentlich hat Spittels Idee ja noch eine zweite Seite. Faktisch nämlich ist jeder Schein gleich wertig. Erst Käufer oder Käuferin entscheiden, was er und damit die Arbeit des Künstlers ihm oder ihr wert ist. Eine Idee, die in Corona-Zeiten auch das Künstler*innenhaus Mousonturm aufgegriffen hat. »Solidarisches Preissystem« nennt man es am Turm seither. Besucher*innen entscheiden selbst, ob ihnen eine Aufführung 7 (anfangs 5), 11, 20 oder 35 Euro wert ist. Wie viel sie also zahlen wollen – oder auch gerade können … (mehr lesen)


Stockholms Kulturhuset - ein vielgestaltiger Kulturpalast im Herzen der Stadt
Quelle: Johan Stigholt • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©

Blaupause Kultur | Schweden

Mehr als Schweden-Happen

Nordische Langzeitförderung für Künstler*innen

Das »Swedish Arts Grants Commitee« (Schwedisches Komitee für Kunststipendien) vergibt jedes Jahr zahlreiche Stipendien an professionelle, in Schweden lebende und arbeitende Künstler*innen unterschiedlichster Sparten, beispielsweise für bildende Kunst, Fotografie, Design, Kunsthandwerk oder Architektur. Das Besondere: Neben Kurz- gibt es auch Langzeitstipendien für fünf oder zehn Jahre. 

»Als vor fünf Jahren der Bescheid eintraf, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich konnte mein Glück kaum fassen«. Der in Stockholm lebende Fotokünstler Carl Johan Erikson hatte eines der begehrten Langzeitstipendien des Swedish Arts Grants Commitee über fünf Jahre erhalten. Zwar konnte er damals bereits auf eine lange Karriere zurückblicken, dennoch war das Langzeitstipendium für ihn etwas besonderes. Anerkennung seiner künstlerischen Leistung der Vergangenheit – und ein Stück künstlerische Unabhängigkeit für die Zukunft. Ein Stipendium über fünf oder gar zehn Jahre ist eine Seltenheit in der internationalen Kunstszene. Die umgerechnet 10.000 Euro pro Jahr nutzt Erikson für die Ateliermiete, für Forschungsreisen, als Unterstützung für seine Ausstellungsprojekte und für die Produktion seiner Fotobücher. Dafür ist es auch gedacht, denn »zum Leben« würde es in Schweden kaum reichen. Der Betrag entspräche gerade einmal rund 15 Prozent eines normalen Jahreseinkommens in dem skandinavischen Land. Alle seine Kolleg*innen arbeiteten denn auch auf Stellen im Kunstbetrieb oder in anderen Branchen. Er selbst hat etwa eine 50%- Stelle als Senior Lecturer am Royal Institute of Art in Stockholm. Der Job ermöglicht ihm sein Auskommen, das Stipendium die künstlerische Arbeit … (mehr lesen)


Das ato-Modell: Künstler*innen mit bis zu 70 Prozent am Verkauf ihrer Werke beteiligen
Quelle: ato / Website©

Blaupause Kultur | ato Community

Mehr Kuchen für Künstler*innen

Eine (Online-) Plattform für bessere Verkäufe

Im Sommer 2022 war es so weit: Im Karlsruher Rheinhafen, einem weitläufigen, festivalartigen Gelände nahe dem Fluss, breiteten die Macher*innen der Kunst-Vermarktungs-, Verkaufs- und Netzwerkplattform »ato« ihre Vision aus. Zehn Wochen lang – von Mitte August bis Mitte Oktober – präsentierten sie in einer Art Kunstdorf eine Idee fairer und moderner Kunst(werke)vermittlung. Auf dem Festival »WERKstattPALAST« reihten sie einerseits Orte und Präsentationsstätten für Kunst auf, boten aber andererseits zugleich zahlreiche innovative, zeitgenössische Kunstformate, experimentelle Räume, Räume für Diskurse, Dienstleistungen und Strategiedebatten rund um den Verkauf von Kunst. In einer Mischung aus Ausstellungen, Vorträgen, Workshops und Konzerten ergründeten sie forschend, informativ und unterhaltsam die (Infra-)Struktur für das Geschäft Kunst aus künstlerischer, wissenschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Perspektive. Unterstützt wurden sie dabei vom KIT Innovation Hub des Karlsruher Instituts für Technologie, das sich für nachhaltigere Infrastrukturen in vielen Bereichen einsetzt.

In diesen zehn Wochen ging es dem kleinen ato-Team aus Kunst, Wirtschaft und IT vor allem um eines: Sie möchten den Verkauf von zeitgenössischer Kunst in Deutschland reformieren. Man könnte auch sagen: revolutionieren. Und zwar nicht nur mit einem aufsehenerregenden Mammutmix aus Symposium, Festival und Kunstmesse, sondern auch mit der gleichnamigen ato-Onlineplattform, auf der sie Verkauf, Vermittlung und Vernetzung anbieten. Ihr Ziel: die Verhältnisse im Kunstbetrieb im Hinblick auf die Gewinnbeteiligung weg von den Galerien hin zu den freien Künstler*innen, Kunstvermittler*innen und Kurator*innen umzukehren. Aus ihrer Sicht sollten Künstler*innen rund zwei Drittel des von ihnen gemachten Kuchens abbekommen. Im klassischen Galeriebetrieb behält die Galerie allerdings stets 50 Prozent der Verkaufssumme ein. Dieser traditionelle Vertrag 50/50 sei aber nicht mehr zeitgemäß. Meist sind die Lebensumstände der Künstler*innen prekär. Chancen, eine oder mehrere Galerievertretungen zu erhalten, sind rar gesät. Zudem wird der Galeriebetrieb zunehmend zentralisiert. Weltweit gibt es fünf Big Player, die international agieren und gute Gewinne einfahren. Mittlere und kleinere Galerien hatten es die letzten Jahre zunehmend schwerer. Die Pandemie wirkte als Brandbeschleuniger und sorgte sogar dafür, dass neben Museen, Kommunalen Galerien, Kunstvereinen und Künstler*innen nun auch dieser wirtschaftsorientierte Teilbereich des Kulturbetriebs Förderungen erhielt. Doch anders als man vermuten würde, nicht vom Wirtschaftsministerium, sondern durch die ohnehin schmalen Budgets der Kulturförderung, beispielsweise durch (Bundes-) Programme wie »Neustart Kultur« oder Einrichtungen wie den Kunstfonds, der wichtigsten Einrichtung des Bundes zur Förderung künstlerischer Arbeit.

Um hier ein Gegengewicht zu bilden, gibt es die Plattform ato als Netzwerk an Vermittler*innen, Texter*innen, Fotograf*innen, Digitalexpert*innen und Wirtschaftsakteur*innen. Die Infrastruktur soll dabei nicht nur vermitteln, sondern auch bei Webseiten, guten Bildern oder Texten unterstützen. Die Plattform ist dezentral, mit Schwerpunkten in Berlin und Baden-Württemberg. Sie arbeitet etwa in Karlsruhe mit der Kunststiftung Baden-Württemberg zusammen und wird durch das Kulturamt der Stadt gefördert. Statt Konkurrenz stellt ato die Stärkung von Synergien ins Zentrum ihres Ansatzes: Nur gemeinsam, so die Macher*innen, sei man stark. Und jede*r sollte fair für seine Beteiligung am Prozess bezahlt werden. Dafür hat ato eine nachvollziehbare Vergütungsstruktur und Honorarverträge für alle Beteiligten entwickelt. Regeln und Transparenz stärkten die eigenen Rechte und bildeten die Basis für wechselseitiges Vertrauen, sagen die Macher*innen. Bei einem Verkaufsabschluss erhalten Künstler*innen 70 Prozent vom Erlös. Kunstagent*innen, die vermittelt haben, erhalten 20 Prozent, ato 10 Prozent der Verkaufssumme, um die eigene Infrastruktur zu finanzieren. Sind weitere Akteure – wie Fotograf*innen, Texter*innen, Filmer*innen – beteiligt, entfallen auch kleinere Abschläge für deren Leistung. Doch ato ist dabei nicht nur Händler*in. Genauso wichtig wie der Markt sei den Macher*innen Öffentlichkeit. Für sie mache die Produktion eines Kunstwerks selbst nur 50 Prozent des Ganzen aus, das eigentliche Kunstwerk entstehe erst im Diskurs. Eben für diese Expertise im Diskurs möchte die ato Community ihren Teil vom Kuchen. Wechselseitige Unterstützung in der Community ist in anderen Kreativbranchen, wie dem Theater, selbstverständlich, aber in der Bildenden Kunst die Ausnahme. Gründe für das ausgeprägte Einzelkämpfertum sind einerseits der Mythos des Künstlergenies, aber auch die prekäre Einkommenssituation im Kunstbetrieb. So verdienten vor der Pandemie der durchschnittliche Künstler 12.000 Euro, die durchschnittliche Künstlerin 8.000 Euro pro Jahr. Korrekterweise muss man sagen, dass die Summen meist aus Erhebungen unter den Künstler*innen selbst stammen und die tatsächlichen Summen wohl leicht darüber liegen. Was die Sache aber nicht wirklich besser macht. Damit nämlich leben die Akteur*innen trotz hartem Wettbewerb und professionellem Einsatz trotzdem oftmals unter dem Existenzminimum. Zur Orientierung: Das, was in Deutschland als Existenzminimum steuerfrei ist, liegt ungefähr in der Mitte beider Beträge. Und wer hierzulande fulltime zum Mindestlohn arbeitet, dem/der bleibt – vor Steuern – ungefähr die Summe aus beidem zusammen … (lkr.).

ato / Website©
Die Werkstatt für Bildhauer*innen
Quelle: Jan Maruhn • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©

Blaupause Kultur | Berlin II

Ohne Moos was los machen

Sharing im Kulturwerk des Berliner bbk

Es ist das klassische Problem vieler junger Künstler*innen: Den Abschluss der Kunstakademie in der Tasche, den Kopf voller Pläne und Ideen – aber eben noch kein Geld für Werkzeuge, Maschinen oder gar einen eigenen Raum. Druckgrafiker*innen etwa fehlen die Druckpressen, Bildhauer*innen die Maschinen zur Holz- oder Metallverarbeitung, Keramiker*innen die Brennöfen. Nicht anders bei Medienkünstler*innen. Auch die Spezialsoftware für die Postproduktion von Videos kann ziemlich teuer sein … Doch warum kaufen, wenn man auch teilen kann? Bereits seit Jahrzehnten betreibt das Kulturwerk des bbk berlin sein Modell der Shared Resources. Der bbk, der Berufsverband Bildender Künstler*innen, ist in erster Linie eine der prominentesten politischen Interessenvertretungen für Bildende Künstler*innen in Deutschland. Doch nicht nur auf dem politischen Parkett beweist der Verband Geschick, sondern in Berlin auch in der direkten Schaffung von Arbeitsbedingungen für Künstler*innen. Das Kulturwerk des Berliner bbk umfasst neben Atelierförderung und dem Büro für Kunst im öffentlichen Raum auch eigene öffentlich geförderte Werkstätten.

Die 1975 gegründete Druckwerkstatt liegt am Mariannenplatz in Kreuzberg in unmittelbarer Nachbarschaft zum Künstlerhaus Bethanien, an dem internationale Gastkünstler*innen residieren und regelmäßig neue »Shooting Stars« der Szene ihre Werke zeigen. Die Druckwerkstatt ist für alle Sparten der grafischen Künste ausgestattet: klassische Techniken wie Radierung, Lithografie oder Siebdruck werden erweitert durch den digitalen Offset. Auch Papierschöpfen und Buchbinden sind in der Werkstatt möglich. Die Tagespauschale zur Nutzung der Werkstatt beträgt je nach Technik circa 10 Euro, jeder Druckgang kostet zwischen 30 Cent und einem Euro. Nicht weit entfernt liegt im Bezirk Wedding die Bildhauerwerkstatt mit ihren 3.600 Quadratmetern. Deren Halle hat eine Höhe von 12 Metern und bietet alles, um in Metall, Holz, Stein, Gips, Kunststoff und Keramik zu arbeiten. Auch ein 3D-Laser-Scanner-System existiert. Die Preise zur Nutzung sind ähnlich wie in der Druckwerkstatt. Die Medienwerkstatt schließlich liegt wiederum im Kunstquartier Bethanien und bietet Infrastruktur und Sachkenntnis zur Realisation von Kunstvideos, Medieninstallationen und interaktiver Kunst. Für die Postproduktion stehen verschiedene Rechner und die Software zur Verfügung. Die Werkstatt umfasst auch noch einen 100 Quadratmeter großen Multifunktionsraum für die Realisierung von Medieninstallationen, Performances und apparativen Werken. Die Tagespauschale inklusive Versicherung beträgt hier zwischen 20 und 35 Euro – sogar eine vergünstigte Wochenpauschale wird angeboten.

Die niedrigen Nutzungskosten bieten Raum zur künstlerischen Entwicklung. Doch die Künstler*innen profitieren doppelt, denn niedrige Produktionskosten bedeuten auch, dass die Gewinnmarge, die Künstler*innen beim Verkauf der Werke erzielen, höher ausfällt. Die Werkstätten sind zudem mit künstlerisch qualifiziertem Personal ausgestattet, das den Künstler*innen mit Rat und Tat zur Seite steht. So können Werke von hoher künstlerischer Qualität entstehen. Gearbeitet wird mit dem »First come, first served-Modell«, und dies auch ganz bewusst. Man weigere sich, Nutzer*innen zu »kuratieren« und ihre Projekte nach ​irgendwelchen Qualitätskriterien zu bewerten. Bernhard Kotowski, der das Kulturwerks seit 1999 leitet, weiß, dass es kaum einen Beruf gibt, in dem von Expert*innenjuries und Gremien soviel über den Kopf der Profis hinweg entschieden wird. Auf die Arbeit der Kulturwerkstatt ist er stolz: »Wir versuchen Bedingungen herzustellen, in denen es jeder/m Künstler*in möglich ist, Kunst zu produzieren – auch denen, die eben nicht über besonders viel Geld verfügen«. Und das sind bekanntlich nicht nur die Jüngeren in der Branche … (lkr.).

Jan Maruhn • CC BY-SA 4.0 (s.u.)©
Druck- und Medienwerkstatt des bbk befinden sich im Kunstquartier Bethanien
Quelle: Jörg Zägel • CC BY-SA 3.0 (s.u.)©

Blaupause Kultur | Berlin I

Selbst ist die Kultur

Das Kulturwerk des Berliner bbk

Ein Atelierbüro, Ansprechpartner*innen für Kunst im öffentlichen Raum, Werkstätten für Drucker*innen, Bildhauer*innen und Medienschaffende – Im bbk berlin, dem Berufsverband Bildender Künstler*innen der Bundeshauptstadt, haben Künstler*innen die Förderung ihrer Infrastruktur selbst in die Hand genommen. Zumindest zu großen Teilen. Das Herzstück ihres »Kulturwerks« – ein Atelierbüro, das zu sehr günstigen Konditionen Ateliers vermittelt – kennt man auch aus anderen Ländern und Städten. Ungewöhnlich sind allerdings eine Reihe von eigenen Werkstätten sowie ein »Büro für Kunst im öffentlichen Raum«. Die Werkstätten stellen Künstler*innen für wenig Geld teure Maschinen und Hilfsmittel sowie große Werkhallen zur Verfügung (s. eigenen Beitrag). Das »Büro für Kunst im öffentlichen Raum« vermittelt und begleitet Aufträge für Kunst am Bau und in der Öffentlichkeit. Diese gehören zu den wenigen Einkommensmöglichkeiten für Bildende Künstler*innen, die verhältnismäßig lukrativ vergütet werden. Leider jedoch sind in vielen Bundesländern und Kommunen die Vergabeverfahren oft recht intransparent. Das eigene Büro trägt nun dazu bei, dass Ausschreibungen transparenter stattfinden und auch besser bei den Kulturschaffenden ankommen können. Neben der öffentlichen Verwaltung und diversen Bauherr*innen berät das Büro auch Künstler*innen und Architekt*innen bei der Vorbereitung und Durchführung von Kunstwettbewerben.

Diese einzigartige Bündelung von Akquise, Räumen und Arbeitsmitteln macht den bbk und sein Kulturwerk geradezu zu einer Blaupause für Künstler*innen-Förderung in der Bundesrepublik. Sie tragen mit dazu bei, dass Berlin heute als Kunststadt durchaus ein Global Player ist. Allerdings lässt sich Berlin diese indirekte Künstler*innenförderung auch etwas kosten. Das Kulturwerk wird vom Land Berlin mit 2,3 Mio. Euro im Jahr bezuschusst. Die Gesamtkosten des Projektes belaufen sich auf rund 2,6 Mio. Euro. Rund 460.000 Euro erwirtschaften die Werkstätten selbst pro Jahr. Die Zuschüsse durch das Land stellen sicher, dass das Kulturwerk Flächen, technische Einrichtungen und qualifiziertes Personal bereitstellen und dass das Equipment regelmäßig modernisiert werden kann. Aktuell gibt es rund 35 Mitarbeiter*innen. Der größte Teil arbeitet in den Werkstätten. Dort sind sie nicht nur für die Betreuung der Technik zuständig, sondern beraten auch Künstler*innen in der Umsetzung ihrer Ideen. Ein Wermutstropfen: Regelmäßig drängt die Senatsverwaltung, dass das Kulturwerk selbst mehr Geld einspielen solle. Etwa durch mehr Gebühren für die Nutzung der Werkstätten. Das Kulturwerk um Geschäftsführer Bernhard Kotowski aber hält gegen, dass die Einkommenssituation der Künstler*innen sich in den letzten Jahren nicht verbessert hat. Die Werkstätten sollen allerdings allen Künstler*innen offen stehen, nicht nur denen, die es sich leisten könnten. Auch die Atelierförderung könnte aus Sicht der Senatsverwaltung »rentabler« werden. Arbeitsräume stellen aber aus Sicht des Kulturwerks ein wichtiges Element der künstlerischen Produktion dar, um die Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Künstler*innen zu erhöhen. Eine systematische Atelierförderung existiert in Berlin seit 1991 durch die Gründung des Atelierbüros. Das dazugehörige Atelier-Sofort-Programm wird vom Land finanziert und ermöglicht Ateliermieten von derzeit höchstens 4,09 Euro pro Quadratmeter. In einem offenen Bewerbungsverfahren für alle Künstlerinnen und Künstler, die in Berlin leben, werden sie durch einen Beirat vergeben. Die Senatsverwaltung möchte dieses Programm gerne verstaatlichen. Ein großes Risiko aus Sicht des bbk, denn man sieht die Transparenz und klare Wettbewerbsbedingungen bedroht. Außerdem verweist der bbk darauf, dass sein gesamtes Programm gerade in der Summe stark sei und sehr davon profitiere, dass es von Künstler*innen selbst organisiert und verwaltet werde. Das nämlich ist die große Stärke dieses Angebots: Die einzelnen Arbeitsschwerpunkte des Kulturwerks, das in Form einer gemeinnützigen GmbH betrieben wird, wurden kontinuierlich aus den Bedürfnissen künstlerischer Produktion heraus entwickelt und stehen heute allen in Berlin lebenden und arbeitenden Künstler*innen offen … (lkr.).

Jörg Zägel • CC BY-SA 3.0 (s.u.)©
Kultur in der Region FrankfurtRheinMain
Quelle: Barbara Walzer / RAY / Blickachsen / Nippon C. / Kulturfonds / Mousonturm / us©

Serie • Starke Partner

Aus der Tiefe der Region

Der Kulturfonds Frankfurt RheinMain

»Im Mousonturm müssen wir Projekte, Produktionen und Programme immer aus verschiedenen Quellen finanzieren. Nicht selten gibt es da freundliche Absagen, wird man von einer Stiftung zur anderen, von einem Geldgeber zum nächsten verwiesen. Die öffentliche Hand, die eigentlich langfristig Mittel für Kultureinrichtungen zur Verfügung stellen müsste, hofft oft, dass Projektförderungen von Stiftungen die Löcher stopfen. Da hat der Kulturfonds stets aktiv Zeichen gesetzt für eine strukturell verantwortliche Kulturförderung. Ohne ihn wären etwa eine Tanzplattform RheinMain und ein jährliches Festival in bis zu vier Städten der Region nicht denkbar. Auch weil der Fonds wie in diesem Fall Dauerhaftes angeschoben, immer wieder selbst andere Partner mit ins Boot geholt und damit Verantwortung übernommen hat«. 

Matthias Pees, einst Intendant am Frankfurter Mousonturm, weiß, warum er den Kulturfonds derart lobt. Die Tanzplattform RheinMain und das jährliche Festival in Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Offenbach ist mittlerweile das größte Projekt des Fonds und trägt damit maßgeblich auch zum Bestand des freien Künstlerhauses im doppelten Schatten der Frankfurter Bühnen und der Staatstheater in Darmstadt und Wiesbaden bei. Wie stark sich der Fonds mittlerweile engagiert, sah man 2020/21, als er auch mit finanziellen Hilfen und Flexibilität zahlreiche Umplanungen des Festivals mittrug (Auch wenn eine der beiden Ausgaben trotzdem nach drei Tagen in den Lockdown gehen musste). Zugleich ist es ein Paradebeispiel, wie der Kulturfonds funktioniert und arbeitet. Einst zur Sichtbarmachung der »Leuchttürme« der Region gegründet und lange Zeit vor allem mit Projekten wie Romantikmuseum oder »Phänomen Expressionismus« identifiziert, wirkt der Fonds mittlerweile breiter und tiefer in der Region und auch in die Region hinein. Die Tanzplattform verbindet nicht nur staatliche und freie Häuser in mehreren Städten (neben Mousonturm noch das Staatsballett an den beiden Staatstheatern). Sie schickt sich auch an, Rhein-Main in der ersten Reihe der Tanzregionen in Deutschland zu platzieren – und zwar mit Ressourcen, die in der Region selbst zu Hause sind, in Verbindung mit internationalen Akteuren. Hinzu kommt eine Tiefenwirkung mit einem Ensemble Mobile in die Region hinein sowie mit Ankern weit in die freie Szene und in den populären Tanz. Somit profitieren auch viele freie Gruppen und Akteure in der Region.

Zumindest ist dies so, wenn es keine »Corona-Jahre« sind. Doch gerade 2020/21 hat auch aufgezeigt, dass der Fonds selbst mittlerweile einer der wichtigsten Kulturakteure und einer der größten »Geldtöpfe« für Kulturförderung in der Region ist. Neben den traditionellen Leuchttürmen wie Städel, Mathildenhöhe, Museum Wiesbaden & Co. entstehen durch den Fonds immer mehr neue Leuchtturmprojekte. Neben der Tanzplattform etwa die neue »dreifache Fototriennale«, die im Wechsel dreier etablierter Festivals in Darmstadt, Wiesbaden und Frankfurt stattfindet. Überhaupt ist dies auch ein Schlüssel zu Fördermitteln des Fonds. Chancen hat, wer regionale Partner zusammenbringt oder seine Idee in die Region erweitert. Exemplarisch das »Meidner-Projekt«, das an drei Orten dem »regionalen« Künstler Ludwig Meidner gewidmet war, die »Shorts of Moonlight«, die neben Höchst auch eine Dependance im Rheingau entwickelt haben, sowie die Ausstellungsreihe »Arten-Vielfalt«, die neben dem Nassauischen Kunstverein Wiesbaden und dem Ledermuseum Offenbach mit der Idee einer Ausstellung entlang der S-Bahnlinie S8 auch noch die Opelvillen in Rüsselsheim einband. Womit die Region zugleich sichtbar und vernetzt wird, und Projekte möglich werden, die kleinere Kommunen nicht stemmen könn(t)en. Durch die Tiefe in Projekten und in die Region hinein kommt ein Teil der jährlich rund acht Millionen Euro Fördergelder (je zur Hälfte aus Kommunen und vom Land Hessen) auch vielen Künstler*innen und Kreativen direkt zu Gute.

Zwar fördert der Fonds weder Institutionen dauerhaft noch Künstler*innen einzeln, wohl aber viele Festivals, die ihrerseits oftmals mit regionalen Akteur*innen arbeiten. Dazu gehören etwa Implantieren (Frankfurt und Offenbach), Poesie im Park (Wiesbaden) oder das Sprungturm-Festival (Darmstadt). Auch viele regionale Filmfestivals erhalten Geld. Und in den heiklen Corona-Jahren nicht selten noch zusätzliches Geld für Online-Festivals on demand. Wichtige Kriterien sind allerdings öffentliche oder gemeinnützige Partner und im besten Falle weitere Förderer, da der Fonds selten als alleinige Geldgeber auftritt. In der Regel übernimmt er etwa ein Drittel der Budgets. Etwas im Argen liegt vielleicht im Moment am ehesten die Förderung kleinerer (Einzel-) Ausstellungen, da sie oft schwer ins Raster des Fonds passen; manchmal sogar schlicht »zu klein« sind für einen Antrag. Allerdings profitieren auch diese von Projektgeldern, wie sie etwa der Kunstraum Eulengasse für ein Austauschprogramm mit einem Kunstverein in Münster-Altheim erhielt. Einzig die (noch) nicht flächendeckende Ausbreitung des Fonds setzt hier oft Grenzen. So fehlen etwa Mainz oder Rüsselsheim auf der Kulturfonds-Landkarte und kommen bestenfalls über Partner mit ins Boot. Daneben unterstützt der Fonds selbst Initiativen wie die Crowdfunding-Plattform »Kulturmut« oder die Aktion »Kunstvoll« gemeinsam mit Schulen, von denen auch wiederum Künstler*innen profitieren (können). Und auch auf ungewohntes Terrain wagt sich der Fonds zuweilen vor. Im Jahr 2019 förderte er erstmals mit einer fünfstelligen Summe ein Theaterzelt auf der Sommerwerft, dem beliebten alternativen Frankfurter Straßentheaterfestival am Main. In den Corona-Jahren folgte weiteres Geld für ein mobiles Straßentheater für die Region. Das allerdings war wohl bisher auch der größtmögliche Kontrast zu den einstigen Leuchttürmen Romantikmuseum oder »Phänomen Expressionismus« … (vss.).