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Klaus Schneider zwischen Lebenskunst und Künstlerleben
Quelle: Günther Dächert©

KÜNSTLER. LEBEN. ORTE. [18]

Klaus S. – Der Lebenskulturschaffende

Ein Leben, fast wie aus dem Künstlerbilderbuch

Ein Idyll, eine Oase – zwei Worte würden ausreichen, Klaus (und Cosima) Schneiders kleine Welt in einem Hinterhof in Seckbach zu beschreiben. Von der staubigen Durchgangsstraße kommend, betritt man eine andere Welt: ein kleiner Hof mit Kopfsteinpflaster, ein altes zweistöckiges Hinterhaus, zugewachsen mit Efeu, kleine Sitzecke hinter verträumten Blumenkästen, ein ausladender Feigenbaum. Pittoresk – wie aus einem Fotobuch, irgendwo in Europas Süden aufgenommen. Der Frankfurter Künstler hat hier – man muss es so sagen – seinen »Lebensmittelpunkt«. Seit Jahrzehnten bewohnt er die 70 Quadratmeter im ersten Stock oder das kleine Erdgeschossatelier (neben dem hinter einem alten Garagentor noch das Lager liegt) – oder seit einigen Jahren beides zusammen. Ebenso wie er zeitweise in den zwei ineinandergehenden Atelier-Räumen auch mal wohnte und arbeitete zugleich, kurze Zeit gar zusammen mit seiner Frau. Ateliers »in der Stadt« hatte er immer nur temporär. Ein »Künstlerleben« ließe sich romantisierend sagen. Auch wenn durchschimmert, dass dies alles nicht nur »romantisch« ist. Wenn davon die Rede ist, dass alles am Haus selbst gemacht werden muss, und der Efeu im Winter auch zuweilen die einzige Dämmung ist. Oder wenn Schneider sagt, dass es oft das Einkommen der Buchgestalterin Cosima Schneider ist, das die Grundlage ihres Auskommens bildet – und er von seinen unregelmäßigen Einkünften dazugibt, was er kann. Zuletzt mal wieder etwas mehr, durch einen unverhofften Museumsankauf …

Ein Künstlerleben eben. Dass Schneider als Künstler durchaus einen Namen hat, Werke von ihm im öffentlichen Raum zu sehen sind, er als Hochschul-Dozent arbeitete, ihn sogar Museen angekauft haben – es ist alles kein Widerspruch dazu, eher die Regel. Gerne spricht man bei Kulturschaffenden von »Lebenskünstlern«. Bei Klaus (und wohl auch bei Cosima) Schneider träfe es der Begriff »Lebenskulturschaffende(r)« vielleicht noch besser. Wohnung, Atelier, der Vorplatz atmen Lebenskunst. Von den selbstgebauten Möbeln in der Wohnung über die akkurat drapierten Kunstwerke befreundeter Künstler*innen und aus dem eigenen OEuvre bis zum sorgsam zelebrierten Tee, den man zum Gespräch in farbigen Tassen gereicht bekommt. Dieses Leben spiegelt fast das vielgestaltige und auch ungewöhnliche Künstlerleben. Wort, Bild, Ton, Installation – die Genres verschwimmen nicht nur, sondern verbinden sich oft ungewöhnlich harmonisch. Sprache stand bei ihm einmal am Anfang – bevor er merkte, dass sie alleine nicht ausreichte, Dinge und Emotionen auszudrücken. Die Kunst hat Schneider fortan ungewöhnliche Wege geführt. Die Braille-Schrift, das Sehen und Nichtsehen sowie die hohe Kunst des Berührens (wortwörtlich und übertragen) haben lange einen guten Teil seiner Arbeit ausgemacht. Später haben es ihm Haikus in allerlei Variationen angetan. Ob als Bild, als Text oder als Installation – immer wieder spielt er mit dem harmonischen Verweben von 17 Elementen. In jüngerer Zeit versucht er, dies auch in eine musikalische Ebene auszudehnen. Lange Zeit hat er sein Wissen auch weitergegeben und Studierende das Zeichnen gelehrt, auch mit ungewöhnlichen Zugängen über Comics etwa. Obwohl Schneider sich viele Zugänge zu Kultur und Leben geschaffen und vieles dabei erschaffen hat, hat er wie viele Kulturschaffende keine Reichtümer angehäuft. Eher reiche Orte geschaffen. Orte, die Kunst und Menschen verbinden, Kultur schaffen. Und die ihm auch selbst neue Türen geöffnet haben. Eine zweite Heimat ist Italien geworden. Oft hat er dorthin sein Sommeratelier verlegt. Bis aus den Gastgebern ein befreundetes Ehepaar wurde. Seither können die Schneiders sommers immer wieder einige Wochen, gar Monate dort verbringen. Und längst steht im Süden auch ein dreidimensionales Haiku als Kunstwerk in der Landschaft. Während er offenbar wieder manches von der dortigen Kultur in sein hiesiges Leben und Schaffen mitgenommen hat. Eine Vision hat er noch: ein Konzert- und Veranstaltungsraum, dessen Außen aus 17 einzelnen Flächen besteht. Ein Ort vielfacher Harmonie … (vss.).