Das MUDAM - ein Zentrum für Kultur und Kulturschaffende in Luxemburg.
Quelle: Jean-Noël Lafargue • CC BY-SA 3.0 (s.u.)©

Blaupause Kultur | Luxemburg

Großherziges Grundeinkommen

Großherzogtum sichert seine Kulturschaffenden ab

Eigentlich ist es ein ganz normales Künstlerleben, wie das so vieler Künstler*innen an vielen Orten in Europa. Paul Schumacher ist Videokünstler und lebt in Luxemburg. Sein Metier ist die Event-Kunst, als VJ und mit Video Mapping hat er sich einen Namen gemacht. Seine Arbeiten zeigt er vor allem im kleinen Großherzogtum selbst: Projektionen im öffentlichen Raum, Kooperationen mit Bühnen, in Theatern oder beim Tanz. Er bespielt renommierte Orte wie die Philharmonie und das »Mudam«, das Museum für zeitgenössische Kunst. Und er arbeitet mit internationalen DJs wie Sven Väth, Westbam oder Tomcraft. Doch ganz normal werden viele Kolleg*innen das Künstlerleben des Paul Schumacher nicht empfinden – zumindest nicht außerhalb des kleinen Fürstentums. Schumacher kann es nämlich entspannt angehen. Bereits seit zehn Jahren nutzt er eine Luxemburger Besonderheit der Kulturförderung: die Möglichkeit, sein Einkommen mittels einer speziellen Sozialhilfe für Kulturschaffende aufzustocken. Das sichert ihm immer ein Grundeinkommen von rund zweieinhalbtausend Euro. Auch dann, wenn – wie in diesem Metier üblich – die Einnahmen schwankend sind. In manchen Monaten jagt ein Event das andere, in anderen sind nur wenige Tage des Kalenders belegt. Der Künstler aber hat die Sicherheit, immer sein Existenzminimum zu erreichen und zuweilen auch einmal bezahlten Urlaub machen zu können. Und das Ganze ist auch akzeptiert: Er muss dafür nicht angestellt sein. Anders als in Deutschland, wo Jobcenter ausschließlich in sozialversicherungspflichtige Jobs vermitteln, ist es in Luxemburg möglich, als Kreative*r einfach freiberuflich tätig zu sein und eine Aufstockung zu erhalten. Und das auch über lange Zeiträume …

Was Luxemburg macht, ist schlicht eine Grundsicherung für Künstler*innen. Ein Stück Wertschätzung auch. Für Autor*innen, Bildende Künstler*innen, Musiker*innen oder Videokünstler*innen gibt es zwar verschiedene Antragsverfahren, die Grundsicherung des Existenzminimums bleibt jedoch gleich. Um als professionelle, freischaffende Künstler*innen in den Genuss der Sozialmaßnahme zu gelangen, muss man / frau mindestens sechs Monate in die Sozialkassen eingezahlt haben und die professionelle, freiberufliche Tätigkeit im kulturellen Feld nachweisen. Ebenso spielt der Bezug zur Kunstszene vor Ort eine wichtige Rolle. Ist alles erfüllt, hat man / frau Anspruch auf das Existenzminimum, das im Fürstentum zwischen 2.300  und 2.700 Euro im Monat liegt. Darauf berechnen sich die Abschläge für jene Kalendertage, an denen Schumacher nicht an einem Projekt arbeitet. Seinen Verdienstausfall reicht er jeden Monat ein, der Fehlbetrag wird ihm ausgezahlt. Der luxemburgische Staat gewährt diese Beihilfen für zunächst 24 Monate. Danach können die Anträge unbeschränkt erneuert werden. Luxemburg kann sich diese Förderung von Kultur und Kulturschaffenden leisten. Bei nur 650.000 Einwohner*innen passieren täglich zusätzlich 200.000 Menschen aus Frankreich, Belgien und Deutschland die Grenze, um in Luxemburg zu arbeiten. Das Land prosperiert und es gibt quasi keine Arbeitslosigkeit. Doch Luxemburg will sich Kultur und Kulturschaffende offenbar auch leisten. Schumacher sieht den Ursprung dieser honorigen und ungewöhnlichen Grundhaltung der Kultur gegenüber im Jahre 1995. Bis dahin sei das Fürstentum eine »kulturelle Wüste« gewesen. 1995 war die Kapitale Luxemburg zum ersten Mal »Europäische Kulturhauptstadt«. Dafür wurde viel »in Steine« investiert, in neue Museumsgebäude und Theater. Der Kulturhaushalt stieg stetig, hinzu kam ein Budget von Hunderten Millionen Euro für neue Kulturstätten. 2007 wurde Luxemburg erneut Kulturhauptstadt. In den zwölf Jahren dazwischen verdreifachte sich die Zahl der Kultureinrichtungen. Für eine »Kulturhauptstadt« sei es allerdings schon ein Problem, den Besucher*innen Museen zu präsentieren, in den keine luxemburgische Kunst hängt. Durch langfristige Investitionen wurde deshalb eine starke eigene Kunstszene aufgebaut. Damit das hohe künstlerische Niveau gehalten werden konnte, wurden Support-Strukturen entwickelt, die sich stärker als anderswo an der Arbeitsrealität der Kunstschaffenden orientierten. Ein Vorteil dabei: Die Szene ist klein, man kennt sich, nicht nur untereinander, auch viele Entscheidungsträger*innen in Politik und Ämtern kennen »ihre« Kunstschaffenden. Man könnte es ein wenig mit einer Stadt vergleichen. Zumal Luxemburg ja ohnehin kaum viel mehr als eine Großstadt mit Umland ist. Das hilft Kulturschaffenden offenbar sehr … (lkr.).