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Abendlicher Gang durch die Ausstellungs-Galerie
Quelle: Ruth Luxenhofer©

Orte & Menschen | West Ateliers

Künstler-Schauen im May-Ensemble

West Ateliers und Hellerhofsiedlung in Frankfurt

Kunst lässt sich an vielen Stellen der Region oft auch im Vorbeigehen bzw. mit etwas Distanz genießen. Ein Beispiel dafür sind die West Ateliers und die Hellerhofsiedlung im Frankfurter Gallus. Und bei näherem Interesse lässt sich oft auch nähertreten.  

Das Atelier ist lichtdurchflutet, gelegen in einem früheren Ladengeschäft in der neueren Hellerhofsiedlung im Frankfurter Gallus. Der Laden liegt zur Idsteiner Straße hin und besticht durch die großen Fensterfronten. Wenn die Frankfurter Künstlerin Maike Häusling sich den Blicken vorbeilaufender Passanten entziehen und in Ruhe arbeiten möchte, bestreicht sie das untere Drittel dieser Glasfront allerdings einfach mit Buttermilch. Diese, so erzählt sie, bietet effektiven Sichtschutz – und sei dennoch leicht und ohne Rückstände wieder abzuwaschen.

Maike Häusling ist eine von stets rund zehn Künstler*innen, die hier in diesen Ladenlokalen der alten Siedlung ihre Ateliers haben. Die Ladengeschäfte in der zwischen 1929 und 1932 nach den Plänen des niederländischen Architekten Mart Stam (1899 – 1986) gebauten neueren Hellerhofsiedlung im Frankfurter Gallus waren ursprünglich einmal für die Nahversorgung ihrer Bewohner gedacht. Stam gehörte zum Team, das der frühere Stadtplaner, Architekt und Siedlungsdezernent Ernst May (1886 – 1970) für die Umsetzung seines im Jahr 1925 initiierten Wohnungsbauprogramms »Das Neue Frankfurt« zusammenstellte. Hiermit wollte er der Wohnungsnot seiner Zeit entgegentreten sowie Moderne und Funktionalität miteinander verbinden. Bis zum Ende seiner Amtszeit 1930 entstanden durch das Projekt rund 12.000 neue Wohnungen in der gesamten Stadt. Bevor dieser Abschnitt der heute zu den May-Siedlungen zählenden Gebäude der Hellerhofsiedlung errichtet wurde, gab es bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in westlicher Richtung und unweit der Bahngleise gelegen ein großes Bauprojekt: Dort stehen Häuser aus traditionell roten Backsteinen gebaut, in denen einst die Arbeiter der früheren Philipp Holzmann & Cie GmbH lebten. Dieser Teil wird als alte Hellerhofsiedlung bezeichnet.

Wer jetzt durch die neuere Hellerhofsiedlung flaniert, zwischen Frankenallee und Idsteiner Straße, der spürt noch den Geist der Moderne, den Geist von May und seinem Team – diese kubischen Grundformen, die schlicht und seriell aneinandergereiht wirken, sind von einer zeitlosen Ästhetik geprägt. Während die von Mart Stam nach den Prinzipen der kurzen Wege für die Nahversorgung mitgeplanten Geschäfte durch die Konkurrenz der Supermarktketten aus dem Straßenbild verschwanden, werden die Flächen selbst seit 2013 durch Künstler*innen wie Maike Häusling, Ruth Luxenhofer oder Michael Bloeck belebt, die dort ihre Ateliers und praktischerweise auch gleich die passenden Ausstellungsräume haben. Schlicht »West Ateliers« nennen sie diesen besonderen Ort der Kreativität, der dazu einlädt, entdeckt zu werden – architektonisch und künstlerisch. Was sich in den Atelierräumen abspielt, kann immer wieder auch von außen betrachtet werden. Die großen Fensterfronten ermöglichen den Künstler*innen Ausstellungen zu realisieren, die sogar coronakonform umgesetzt werden konnten. Immer wieder laden die Künstler*innen der Ateliers zu Schaufenster-Ausstellungen, die jeweils rund um die Uhr »geöffnet« sind. Das Ganze unter Titeln wie »Es gibt nichts Schöneres als hier zu sein!« oder »Trottoir-wunderbar!«, bei der auch die nahe Litfaßsäule und das Trottoir wie die Arkadengänge vor den Ateliers selbst mit einbezogen wurden. In diesem Jahr beteiligten sich einige der Künstler*innen im Frühjahr auch wieder an den »Tagen der Druckkunst«, bespielten mit ebensolcher zwei Wochen lang ihre Schaufenster und öffneten zwischendrin an zwei Sonntagen auch ihre Arbeitsräume als »Offene Ateliers«. Und nach und nach folgen weitere Schaufensterausstellungen, im Sommer etwa zum 10-jährigen Jubiläum in den Räumen. Verbunden mittlerweile immer öfter auch wieder mit offenen Ateliers. Die Buttermilch als Sichtschutz entfernt Maike Häusling dann natürlich, denn, so sagt sie, wer möchte, kann uns zu diesem Anlass ja erst recht auch von außen bei der Arbeit über die Schulter schauen. Oder einfach wieder reinkommen … (alf.).