Blaupause Kultur | Künstlerinnen
Die Kunst der Gleichstellung
Die Arbeit des Frauenkulturbüros NRW
»Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass Künstlerinnen anständig bezahlt werden, und dass ihre Arbeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.« Der Satz von Ursula Theißen, der Geschäftsführerin des landesweit ziemlich einzigartigen »Frauenkulturbüros NRW« klingt eigentlich ziemlich banal. Und doch: Er ist es weit im 21. Jahrhundert mitten in Deutschland keineswegs. Knapp 30 Prozent weniger verdienen Künstlerinnen hierzulande immer noch im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen im Kulturbetrieb. Neben der Gender Pay Gap, dem üblichen Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern, gibt es in dieser Branche zusätzlich eine »Gender Show Gap«: 70 Prozent der Einzelausstellungen in renommierten Museen und Galerien präsentieren Kunst von Männern …
Vor gut drei Jahrzehnten, als das Frauenkulturbüro NRW in Krefeld gegründet wurde, sah es allerdings noch ungleich dramatischer aus. Initialzündung für die Gründung war damals die Tagung »Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts«, die im Museum Wiesbaden stattfand und das damals noch stärkere Ungleichgewicht schlagartig zum Thema in Deutschlands Kulturszene machte. Von einer Deutschen Mark öffentlicher Förderung (die Zahlen stammten noch aus der Zeit vor dem gerade erst eingeführten Euro) gingen nur 15 Pfennig an Frauen, obwohl diese schon damals die Hälfte der Bevölkerung stellten. Ein Unding, habe man sich damals zumindest in der Landesregierung Nordrhein Westfalens gesagt und das Frauenkulturbüro NRW gegründet. Das Logo, ein kleines Stück vom Kuchen, weißt seither auf die nach wie vor ungleiche Verteilung des Förderkuchens hin.
Seit 33 Jahren arbeitet Theißen nun eng mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft, dem Kulturrat NRW, dem Runden Tisch Diversität NRW und dem Deutschen Kulturrat zusammen (um nur einige ihrer größten Kooperationspartner*innen zu nennen). So entstand erstmals eine Lobby, die Frauen in allen Bereichen des Kulturbetriebs unterstützen soll. Dies reicht(e) von der Protegierung für Führungspositionen über die Förderung von Dirigentinnen bis zu Stipendien für Künstlerinnen mit Kindern. »Es geht in unserer täglichen Arbeit immer wieder darum, Rechtlosigkeiten in den Beschäftigungsformaten im Kulturbetrieb zur Sprache zu bringen«, erklärt Theissen. Die Gender Pay Gap bedeute Frauenarmut, Armut von Alleinerziehenden, aber auch Altersarmut, von der Frauen im unterfinanzierten Kulturbetrieb extrem betroffen seien. Anders als man auf den ersten Blick vermuten möchte, sind es aber nicht nur die Künstlerinnen im engeren Sinne, sondern viele Soloselbstständige in Kunst und Kultur, zu denen beispielsweise auch Kunstvermittlerinnen und Kuratorinnen, Bühnenbildnerinnen und Regisseurinnen zählen. Viele von ihnen arbeiten oft als freie Mitarbeiterinnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Oder in befristeten Verhältnissen, die meist an die Amtszeiten von (deutlich besser bezahlten) Intendant*innen oder Direktor*innen gebunden sind. Aber auch viele angestellte Frauen in Kulturbetrieben, die nicht Leitungspositionen innehaben, sind von Altersarmut betroffen, wenn sie zugunsten der Vereinbarkeit mit Familie und Beruf nur Teilzeit arbeiten und/oder nach einer Trennung alleinerziehend sind. 80 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind nämlich Frauen. In der Kulturbranche sieht es da nicht anders aus …
Bei der Arbeit des Frauenkulturbüros geht es dabei oft um weit mehr als um finanzielle Fragen. Unter anderem im Bereich der Darstellenden Künste liegt ein Fokus der Arbeit und der Unterstützung beim Thema »Familienvereinbarkeit«. Hierzu hat 2023 ein Symposium stattgefunden. Es handelte sich um eine Kooperation mit dem Institut für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim. In eine ähnliche Richtung zielte auch ein Symposium zu Kunst und Care (Arbeit), eine Kooperation mit dem dem Landesbüro für Bildende Kunst / Kunsthaus NRW und dem Masterstudiengang Kunstvermittlung und Kulturmanagement der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Machtmissbrauch, Familienvereinbarkeit, Generationengerechtigkeit – An vielen Stellen geht es um mehr als um »Frauen-Themen«, dicke Bretter müssen vom Team um Theißen beharrlich gebohrt werden. Um effizienter und nachhaltiger zu arbeiten, baut Theißen seit einigen Jahren Kooperationen mit Hochschulen aus, um wissenschaftliche Begleitung und eine Evaluation der Kulturbetriebe in NRW zu erreichen. So entstehe Wissen, das in die Bildung des Kultur-Nachwuchses einfließe und durch Publikationen anderen Expert*innen zur Verfügung stehe. Und nicht selten, weil nun wissenschaftlich »fundiert«, auch die Argumentation erleichtert. Auch über 30 Jahre nach seiner Gründung ist das Frauenkulturbüro NRW noch recht einzigartig im Land. Kulturbüros und Frauenlandesbüros existieren zwar in vielen Bundesländern, doch kaum übergreifende Institutionen speziell für Rechte von Frauen im Kulturbetrieb. Nun könnte man(n) zwar anmerken, dass die erreichten Verbesserungen auch in anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft in diesen drei Jahrzehnten stattgefunden haben. Doch dass ein solches Frauenkulturbüro eben genau daran seinen Anteil hatte, lässt sich kaum widerlegen. Und ebenso wenig, dass die Arbeit gerade hier auch weiter gebraucht zu werden scheint. Siehe die Zahlen oben … (lkr.).