Bei den meisten Kulturprojekten gibt es irgendwo ökologisches Verbesserungspotential
Quelle: Barbara Walzer©

Blaupause Kultur | Fonds Zero

Mehr Umwelt fördern

Kulturstiftung unterstützt Nachhaltigkeit

Kulturinstitutionen – ein schön gewichtiges Wort – setzen sich oft für hehre Werte ein, sind aber in einer Hinsicht oft nicht vorbildlich. Theater- und Konzerthäuser fliegen Künstler*innen nicht selten um den halben Globus, um dem Publikum mal wieder einen »unvergesslichen Abend« zu kreieren. Museen benötigen oft sehr viel Energie, um Räume zu kühlen und abzudunkeln, um kostbare Gemälde oder Handschriften zu schützen. Für große Ausstellungen transportieren sie zudem Leih-Kunstwerke ebenfalls mit gewaltigem Aufwand durch die Gegend. Von zuweilen aufwendig  aufmerksamkeitsheischend produzierten Einladungskarten mal ganz abgesehen (Um das Gewissen zu beruhigen, reden sich Museumsdirektoren dann ein, dass es Sammlerstücke seien). Dabei ginge vieles auch anders. Die Dresden Frankfurt Dance Company und das Dresdner Künstlerhaus Hellerau arbeiten für den Herbst an einer Produktion, die in Frankfurt und Dresden gezeigt werden und mit möglichst wenig unnötigen (Umwelt-) Kosten entstehen soll, indem stark auf lokale Strukturen zurückgegriffen wird. Das Theater Regensburg arbeitet für die kommende Spielzeit an einem umweltsensiblen Ticketing, bei dem die Anreise mit Bus, Bahn oder Fahrrad gefördert werden soll. Das Zeppelin Museum in Friedrichshafen gibt einen Rabatt von 10 Prozent, wenn mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist wird. Ein Zeppelin muss es dabei übrigens nicht unbedingt sein …

Eines haben die genannten Projekte gemein: Sie wurden und werden von der Kulturstiftung des Bundes über den »Fonds Zero« gefördert. Acht Millionen Euro stehen bis 2027 für die Entwicklung und Umsetzung von ökologisch nachhaltiger Produktion von Kunst bereit. Drei Millionen wurden bereits im vergangenen Jahr für 25 Projekte gebilligt. Ziel ist, dass der Kulturbetrieb einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Nicht Projekte über die Umwelt, sondern Projekte für die Umwelt werden gefördert. Die Kulturstiftung weiß dabei sehr wohl, was sie von jenem Kulturbetrieb erwartet, denn sie arbeitet selbst seit langem möglichst klimaneutral, wie ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Sebastian Brünger berichtet. Den Anstoß gab 2011 ein von der Stiftung mitinitiiertes Symposium »Über Lebenskunst« im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Dort präsentierten internationale Projektgruppen Ideen zur Betriebsökologie im Kulturbetrieb. Es entstand ein Leitfaden, welcher der Stiftung seitdem als Maßstab dient. Darüber hinaus schloss sie sich auch den Zielen des EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) an und ist seit zehn Jahren zertifiziert. 2019 startete sie zudem das Pilotprojekt »Klimabilanzierung in Kultureinrichtungen«. Zunächst wurde dabei die Klimabilanz ausgewählter Einrichtungen erfasst. Hieraus entstand der »Fonds Zero«.

Seit 2022 fördert der Fonds klimaneutrale(re) Kultur. Eine neue Herangehensweise in der Kulturförderung, die nicht nur künstlerische Innovation und Kosteneffizienz bewertet, sondern den ökologischen Fußabdruck. Eine Möglichkeit, Einsparpotenziale zu nutzen, besteht in der Optimierung der Gebäude durch Klimakorridore. Sie dienen dazu, Energie für Kühl- oder Heizungszwecke zu sparen. Ein zweites Potenzial betrifft die Mobilität von Mitarbeitenden, Besucher*innen und Kunstschaffenden, die Rabatte oder kostenlose Getränke erhalten, wenn bei der Anreise auf das Auto verzichtet wird. Projekte mit vielen Künstler*innen, die aus dem Ausland eingeflogen werden, stoßen hingegen wie beim Berliner Theater Hebbel am Ufer schnell an ihre Klimabilanzgrenze. Im Gegensatz dazu belohnt das städtische Theater Regensburg nicht nur Besucher*innen, sondern konzentriert sich in ihrem geförderten Projekt auch auf regionale Schauspieler*innen – und konnte so die gesteckten Klimaziele  erreichen. Der Ausstellungsbetrieb verzichtet in geförderten Projekten auf den Transport von Kunstwerken und setzt Duplikate statt Originalen ein. Klimaneutralität betrifft aber nicht nur Gebäude und Personal, sondern auch Material, das in Kreisläufen wiederverwendet werden kann. Hier hatte noch vor Zeiten des Fonds Zero der Frankfurter Künstler Felix Große-Lohmann ein interessantes Projekt zum Recycling von Baustoffen und sogar Theaterkulissen auf den Weg gebracht. Im zunehmend auf Effizienz getrimmten Kulturbetrieb steht Kostenoptimierung oft im Vordergrund. Dies kann dazu führen, dass beim Bau eines Bühnenbilds kurz vor der Premiere auf schnell trocknende, jedoch toxische Lacke zurückgegriffen wird. Eine umfassende Planung und Vorbereitung mit neuen Materialien könne hingegen Wunder bewirken und neue alternative Wege ermöglichen, so Brünger.

Das Ziel des Fonds Zero ist es aber nicht nur, Geld zu geben. In dem Zusammenhang gilt auch, Kulturmitarbeiter*innen zu schulen und Projekte mit Vorzeigecharakter zu entwickeln. Das Fonds Zero hat dafür eigens eine »Akademie Zero« mit zahlreichen Fortbildungsmaßnahmen und regionalen Netzwerktreffen ins Leben gerufen. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Trotz sorgfältiger Planung nehmen kreative Projekte oft unvorhergesehene Wendungen. Sollten allerdings die Klimavorgaben nicht erfüllt werden, müssen eigene Mittel für einen Ausgleich aufgebracht werden und Fördermittel an den Fonds zurückgezahlt werden. Die Frage, ob die festgelegten Benchmarks angemessen sind, bleibt vor Antritt der Förderung allerdings offen und wird erst am Ende der Evaluationsphase beantwortet werden können. Hier sollte vielleicht noch nachgebessert werden, damit die an sich gute Idee nicht zum unplanbaren Risiko für die Kulturschaffenden wird … (lkr.).