
Impulse | Kulturkooperationen
FrankfurtRheinMain? Och nö …
Kultur muss zum Kooperieren oft getragen werden
Politiker*innen sitzen bei festlichen und kulturellen Veranstaltungen oft nicht ungern in der ersten Reihe. Da wird man/frau gesehen (und fotografiert), da fällt einiges vom Glanz auf die dort Sitzenden ab. Ob sich im Mai beim Geburtstagsempfang für Frankfurts langjährige Oberbürgermeisterin Petra Roth Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und Roths Nach-Nachfolger Mike Josef in jener ersten Reihe auch durchgängig wohlgefühlt haben, war ihren Minen nicht anzumerken. Vor allem gegen Ende der Dankesrede könnten sie sich durchaus etwas unwohl gefühlt haben. Obwohl sie schon zwei Geschenke der Herren bekommen hatte, hob die gerade 80 Lenze gewordene Roth noch zu einem eigenen Geburtstagswunsch an. Beide mögen doch das einst von ihr mit auf den Weg gebrachte stadt- und kulturpolitische Leuchtturmprojekt des »Kulturcampus« in der gemeinsamen Stadt (auch Rhein ist Frankfurter) nun endlich mal vollenden. Gemeinsam! »Fies« könnte man das nennen. Hinter Rhein und Josef saß im vollbesetzten Römer so ziemlich alles, was in der Stadtgesellschaft Rang und Namen hat. Seit Roths Abschied vor gut einem Jahrzehnt kommt das Projekt Kulturcampus allerdings gefühlt keinen Meter voran. Stadt und Land schoben sich hinter und zuweilen auch vor den Kulissen immer wieder den schwarzen Peter zu. Was Roth den beiden beim Stammbucheintrag großzügig ersparte, waren Hinweise darauf, dass Rhein als zeitweiliger Kunst- und Wissenschaftsminister und Josef als Planungsdezernent nicht unwesentlich beteiligt waren. Und dass es eigentlich schon zwei Monate vor dem Roth’schen Festakt bereits ein anderes Jubiläum zu feiern gegeben hätte. Im März jährte sich zum 25. Mal der erste Vertrag zwischen Stadt und Land zur Idee des Kulturcampus’. Der Festakt fiel aus – wahrscheinlich wollte niemand in der ersten Reihe sitzen …
Der Kulturcampus – Man wartet eigentlich schon auf die erste Theaterinszenierung zu diesem Schauspiel, ist er doch ein Lehrstück für das oft schwierige Zusammenspiel kultureller und kulturpolitischer Akteur*innen in FrankfurtRheinMain. Wobei manche sicher eher von einem »Leerstück« reden würden. Doch es ist nicht das einzige Beispiel. Da gibt es schon mal zwei große Museen in Frankfurt und Darmstadt, die sich in stark geförderten Ausstellungen zwei kulturell-gesellschaftlichen »Randströmungen« wie Hip Hop und Horror (etwa mit den breit vertretenen Goth-Vertreter*innen) sowie deren künstlerischen Spuren gleichzeitig widmen – man aber bei Eröffnungen und Pressekonferenzen eher den Eindruck hat, dass die einen von den knapp 30 Kilometer entfernten anderen in der gemeinsamen Region kaum etwas mitbekommen haben. Synergien? Fehlanzeige. Da gibt es auch ein großes, in die Region strahlendes Fotofestival, das es schafft, drei zusammen konzipierte und -hängende Leit-Ausstellungen an drei Orten zu stemmen – aber nicht gemeinsam zu eröffnen, weil ein Partner in Eschborn offenbar vom engen dreijährigen Triennale-Turnus des in Deutschland größten derartigen Festivals etwas überfordert schien und den vor ihm liegenden Festivalabschnitt noch durch eine andere Ausstellung belegt hatte. Nein, es war weder die Bahn noch ein kleiner ehrenamtlicher Kulturverein. Es war das kulturelle Aushängeschild der Deutschen Börse, die Deutsche Börse Photography Foundation. Die Liste ließe sich durchaus erweitern. Gäbe es nicht eigens regionale Kulturförderer wie Kulturfonds Frankfurt RheinMain oder Kulturregion FrankfurtRheinMain, die mit viel Geld und offenbar aus Erfahrung auch mit vielen eigenen oder eigen-initiierten Produktionen (wie etwa dem aktuellen, breit gefächerten Schwerpunkt »Wald«) regionale Kooperationen massiv fördern, wäre es schlecht bestellt um die Region, die sich vielleicht nicht von ungefähr gerade auf die Fahne – hier vielleicht eher: die Fahnen – geschrieben hat, im Jahr 2026 eine vorzeigbar-geeinte WDC-Kulturlandschaft zu sein. Doch auch hier ist viel Geld als beförderndes Schmiermittel im gesellschaftlich-künstlerischen Getriebe-Spiel.
Große Träger erweisen sich in der Kultur bei Kooperationen oft als träge. So sind es denn bisher neben besagten Aktivitäten der Kulturförderer vor allem Eigeninitiativen vermeintlich »kleinerer« Akteur*innen, welche die Region als Humus und Fundus für gemeinsame Kultur verstehen. Vor einigen Jahren etwa nahmen drei Ausstellungshäuser in Wiesbaden, Offenbach und Rüsselsheim die sie verbindende S-Bahn-Strecke S8 zum Anlass dreier lose verbundener Ausstellungen zu Artenvielfalt. Einen ähnlichen Anlauf nehmen einige Häuser rund ums Bad Homburger Sinclair Haus in diesem Herbst. Ebenso nutzt LaProf, ein Verbund der Freien Szene, seine landesweiten Strukturen für ein gemeinsames Performance-Festival namens »MADE.« in Marburg, Gießen und Darmstadt. Gemeinsam haben übrigens alle Projekte, dass sie mit ihrer Regionalität reichlich offene Tresortüren bei Fördern wie dem Land oder besagtem Kulturfonds einrennen – die andere offenbar noch gar nicht zu sehen scheinen. Auffällig daran ist, dass die wenigsten der Ideen aus Frankfurt angestoßen werden. Ganz im Gegenteil: Einen Coup hatte die Offenbacher Hochschul-Kreativenschmiede HfG gelandet, indem sie mit kräftiger Hilfe des Landes eine Außenstelle in der einstigen Höchster Porzellanmanufaktur eröffnet und diese quasi »übernommen« hat. Kreativität scheint in den Weiten der Region durchaus vorhanden zu sein. Ach ja: Vielleicht färben solche überraschenden Zusammenarbeiten auch auf den Kulturcampus ab. Einen Lichtblick immerhin gibt es: Stadt und Land verkündeten kurz nach Roths Geburtstag gemeinsam die Nutzung der Dondorf-Druckerei auf dem Gelände als Interim für die Schirn während deren bevorstehenden Sanierungsarbeiten. Wer allerdings die ersten 25 Jahre Kulturcampus – und die fidele Petra Roth bei ihrem 80ten – miterlebt hat, wäre auch nicht überrascht, wenn die Jubilarin bei ihrem 105. Geburtstag die Nachfolgerinnen von Rhein und Josef nochmals an ihren Geburtstagswunsch erinnern müsste. Dann zum runden 50. der Idee eines Kulturcampus in Frankfurt (ohne RheinMain) (vss.).