Jedes Jahr Gastgeber von GoEast und exground: das Caligari - eine echte Filmbühne
Quelle: Barbara Staubach / Caligari©

Orte & Menschen | Wiesbaden

Eine der letzten Filmbühnen

Kino-Klassiker mit Plüsch und feinem Programm

Wenn die »CaligariFilmbühne« im Herzen der alten Kurstadt Wiesbaden buchstäblich ihren roten Teppich ausrollt, sind internationale Filmgrößen in der Regel nicht weit. Zugegeben: nicht die ganz berühmten »Celebrities« aus Hollywood (die finden sich nur auf der Leinwand). Dafür aber ein Volker Schlöndorff (den die Stadt gerade um die Ecke mit einer großen Ausstellung ehrt), so manche Tatortkommissarin und unzählige renommierte und undergroundige Film- und Regiegrößen etwa aus Frankreich, aus Osteuropa oder aus anderen Teilen der Welt. Und das Kino selbst, benannt nach dem berühmten expressionistischen Stummfilmklassiker »Das Kabinett des Doktor Caligari«, versteckt sich zwar etwas in einem hinteren Winkel des Wiesbadener Marktplatzes, strahlt dafür aber um so schöner, wenn man den Kinosaal betritt. Tief einladende rote Sessel, goldene Ornamente an den Wänden und reichlich Platz – etwa für einen Flügel, auf dem Stummfilme live begleitet werden – erinnern an und versetzen ganz in die Glanzzeiten des Genres.

Kein Wunder, dass mehrere Filmfestivals die CaligariFilmbühne als Festivalzentrum und Hauptspielort ausgewählt haben. Allen voran sicher jenes ost- und mitteleuropäische »GoEast Filmfestival«, das in diesem Jahr erneut im Schatten von Putins Krieg in der Ukraine Ende April einmal mehr im Caligari zu Hause war – und seinen Beitrag zum Verständnis Osteuropas beitrug. Oder eben »exground«, das durch seine feine Auswahl an internationalen Independent-Produktionen bekannt geworden ist. Mittlerweile sind dort aber auch Raritäten wie das »Internationale Trickfilm-Wochenende«, das längst legendäre »Fernsehkrimi-Festival« (mit seiner mindestens ebenso legendären eigenen 24-Stunden-Nonstop-Krimiparade) oder die »Homonale« gerngesehene Gäste.  Kleine, feine Festivals, die sich fast wie an einer Perlenkette durchs Caligari-Kinojahr ziehen. Diese und andere Events, die das Caligari veranstaltet, und allem voran natürlich das sorgfältig ausgewählte Filmprogramm mit unzähligen Originalfassungen, hat dem alteingesessenen Ufa-Kino 2018 auch den Hessischen Kulturpreis eingebracht. Wer einmal in diesem außergewöhnlichen Kino einen Film gesehen hat und dabei wortwörtlich tief in die Sessel und die einmalige Atmosphäre eingetaucht ist, versteht warum … (ojs.).

Orte & Menschen | Frankfurt

Wasser am Wegesrand

Zwei Dutzend städtische Trinksäulen

Alle Jahre wieder: die Sommerhitze. In Zeiten des Klimawandels wird es besonders in den Städten immer heißer. Umso größer der Wunsch nach Abkühlung und Erfrischung. Und umso wichtiger, die körpereigenen Flüssigkeits- und Mineraliendepots aufzufüllen. Doch nicht Jede*r kann oder möchte dafür ständig zum nächsten Kiosk oder in den Supermarkt rennen. Sei es aus finanziellen Gründen oder aufgrund eines grünen Gewissens. Mehr Nachhaltigkeit, weniger Plastik – so der Wunsch von Vielen.

Eine gute Alternative zu Einweg & Co bieten jedoch einige der historischen Trinkbrunnen auf Frankfurter Stadtgebiet. Insgesamt 35 Brunnen an der Zahl gibt es, zumeist an ihren Säulen aus Mainsandstein zu erkennen. Seit 2022 sind mittlerweile sieben davon erneut als »Trinkwasserbrunnen« ausgezeichnet, womit eine regelmäßige Kontrolle der Wasserqualität zugesichert wird. Allein im Stadtteil Sachsenhausen befinden sich drei dieser historischen Wasserspender: Hirschbrunnen, Paradiesbrunnen und Bäckerbrunnen – allesamt in der Großen Rittergasse gelegen. Bornheim nennt mit dem Hohen Brunnen und dem Bernemer Brunnen auf der Berger Straße zwei weitere dieser Schmuckstücke sein Eigen. Etwas abgelegener findet sich die Oberräder Gartenpumpe im gleichnamigen Stadtteil – passenderweise an der Wasserhofstraße. Und in der Innenstadt zählt noch der historische Löwenbrunnen in der Fahrgasse dazu, ebenfalls leicht zu erkennen am markanten Mainsandstein …

Doch damit nicht genug. Bereits seit 2016 wird dieses Reservoir unweit des Löwenbrunnens von einer Trinkwasser-Zapfsäule des städtischen Wasserversorgers Mainova ergänzt. Sie befindet sich in der Liebfrauenstraße nahe der Hauptwache und glänzt im schicken Chrom. Weitere solcher wasserspendenden Chromsäulen neuerer Zeit befinden sich in der Fressgass‘ und in der Kaiserstraße. Somit gibt es auch in diesen hochfrequentierten Bereichen der Stadt Möglichkeiten, den Durst zu stillen. Mittlerweile existieren bereits 17 dieser neueren Zapfsäulen im gesamten Stadtgebiet. Günthersburgpark, Hafenpark und Paulsplatz sind etwa weitere Standorte. Bis Ende des Jahres sind mindestens fünf weitere geplant, welche vornehmlich in den Sommerwochen installiert werden sollen. Nutznießer hiervon werden die Menschen im Niddapark und am Paul-Arnsberg-Platz im Ostend sein. Insgesamt wird dieses Angebot laut Angaben der Stadt auf rund 50 Trinkwasser-Säulen ausgeweitet, welche dann in der Saison von Ende März bis Ende Oktober tagsüber kostenfrei genutzt werden können (ver.).

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Viel Platz im Hafen 2 - Und seit diesem Wochenende wieder Freiluftkino
Quelle: Catalina Somolinos©

Orte & Menschen | Offenbach

Sheep and Screens

Subkulturelles Biotop par excellence

»Soziokulturelle Zentren«, in denen meist mehr oder weniger alternativ angehaucht Kultur und Gesellschaft zusammenkommen, werden für eine offene und demokratische Kultur im Lande immer wichtiger. Ein solches Zentrum par excellence ist der Hafen 2 in Offenbach. 

Sie gehörten zu jenen Kultur- und Gastro-Orten, die selbst in heftigeren Corona-Tagen eine Chance hatten, zu öffnen. Zumindest, wenn nicht alles geschlossen war. Wo anders schließlich als im Offenbacher Kultur-Biotop »Hafen 2« gibt es sonst Kultur und Chillen mit so viel Auslauf? Weite und Freiraum waren schon immer dessen Markenzeichen – im übertragenen Sinne und auch wortwörtlich. Das gilt für das Programm: von den vielen fremdsprachigen Filmen bis zu coolen Singern und Songwritern. Und es gilt für das Drumherum. Nicht von ungefähr tummeln sich hier vor allem von Frühjahr bis Herbst Familien und Freidenkende, um im gepflegt-alternativen Ambiente eben diese Filme und Konzerte zu genießen oder die Kids im ausufernden Sandkasten und bei Schafen und Hühnern spielen zu lassen.

Nicht von ungefähr hatte sich auch Hessen Kulturministerin Angela Dorn vor zwei Jahren eben diesen Hafen 2 ausgesucht, um die Verdoppelung der Fördermittel für soziokulturelle Zentren im Lande auf rund zwei Millionen Euro zu verkünden. Nun hat man zwar zuweilen den Eindruck, dass ganz Offenbach mit seinem Stadtprojekt »UND«, den »Kunstansichten« sowie anderer Events ein einziges soziokulturelles Zentrum ist. Doch für »den Hafen« gilt dies besonders. Möglich macht es der in der Region wohl einmalige Open Air-Kino- und Konzertsaal mit echten Tieren, viel Kinder-Freifläche und dem chilligen Blick aufs Wasser. Das kleine Café auf einer Brache im sich wandelnden Hafen konnte so gerade in Corona-Sommern punkten, auch mit viel freiem Grün und dünigem Sand, mit locker gestellten Bierbänken, beweglichen Sonnen-Stühlen und Platz für Picknickdecken. Alles übrigens gepaart mit viel Engagement für Migrant*innen und Flüchtende. Apropos Engagement: Im Jahr 2020 profitierte der Hafen auch vom besonderen Engagement seiner Fan-Gemeinde. Die Filme fanden zwar statt, fielen aber lange als Haupteinnahmequelle bei mühsam die Kosten deckenden 100 Plätzen praktisch weg. Erst später spülten erlaubte 250 Gäste wieder etwas mehr Geld in die Kassen. Konzerte waren – auch wegen vieler Tournee-Absagen – lange praktisch komplett verschoben und fanden erst vereinzelt wieder statt. So startete der Hafen einen Spenden-Aufruf. Der brachte mehrere Zehntausend Euro ein – und den Hafen 2 schließlich zusammen mit einigen öffentlichen Geldern in den letzten beiden Jahren doch über die Runden. Wobei es zwischenzeitlich allerdings auch schon mal sehr knapp gewesen sein soll …

Seit Anfang März hat »der Hafen« nun auch in diesem Jahr wieder geöffnet, unterstützt auch aus dem aufgestockten Etat des Landes und getragen von seinen vielen Fans. Vor allem im Sommer ist er ein echter Place to be. Und bei Nicht-Sommer geht es in den Schuppen nebenan. Vor allem Konzerte und kleine Ausstellungen können dort immer wieder stattfinden. Zwischenzeitlich lebt immer auch mal wieder eine andere Hafen-Tradition auf: die üblichen Fußball-Live-Übertragungen, meist zu EM oder WM gibt es dann im Schuppen ein Public Viewing. Ein Stück weit ist Hafen 2 aber immer auch Impro-Theater: Was wann so zu erleben ist, muss man stets den aktuellen Ankündigungen entnehmen – egal ob die für das Virus oder die für das Wetter … (vss.).

Catalina Somolinos©
Das Filmmuseum - Zentrum und Spielort zahlreicher Festivals
Quelle: Barbara Walzer©

Die Region | Filmfestivals

Nonstop-Filmfest FrankfurtRheinMain

Keine Berlinale - aber über 50 Filmfestivals in der Region

Wer in Deutschland an Filmfestivals denkt, denkt zuerst an die Berlinale. Mit Cannes und Venedig spielt sie – Corona hin, Corona her, ob offline oder online – in der ersten Reihe europäischer Festivals und misst sich zuweilen gar mit Hollywood und seinen Oscars. FrankfurtRheinMain hingegen kann nichts derartiges aufweisen. Oder doch? FrankfurtRheinMain besitzt zwar keine Berlinale, ist aber wohl die Region in Deutschland und vielleicht sogar in Europa mit den meisten einzelnen Festivals überhaupt. Über 50 Filmfeste stehen im Laufe des Jahres im Kalender – im Schnitt eines pro Woche. Die Palette beginnt bei relativ großen Akteuren wie Lichter und Nippon Connection in Frankfurt oder GoEast in Wiesbaden. Und sie reicht bis hin zu den »Perlen« wie das Kurzfilmfestival in Weiterstadt mitten in einem Wald bei Darmstadt oder gar zu den »Exoten« wie Reflekta oder dem Putzfilmfestival, das 2018 Premiere hatte, danach aber offenbar leider wieder in der Abstellkammer verschwunden ist …

Besonders auffällig sind viele internationale Festivals, vom panafrikanischen Africa Alive, das außerhalb von Corona meist am Jahresanfang steht, bis zum italienischen Verso Sud im Dezember. Dazwischen geht es locker in zwei Dutzend Festivals um die Welt: von Japan (Nippon Connection) über China (Golden Trees), Korea (Project K) und Indien (New Generations), Europa und den Nahen Osten (GoEast, Jüdische Filmtage oder das Türkische Filmfestival), eben Afrika (Africa Alive) bis hin auf den amerikanischen Doppelkontinent. Letzterer steht richtig weit vorne. Die Dias de Cine beleuchten gleich ganz Lateinamerika, mehrere Länder wie Brasilien (CineBrasil) oder Cuba (Cuba im Film) und sogar die Dominikanische Republik haben eigene Festivals. Und manchmal gibt es wie 2019 beim Kultfestival exground in Wiesbaden noch einen Festivalschwerpunkt wie Brasilien op top. Nicht von ungefähr kann FrankfurtRheinMain auch mit vielen Orten aufwarten, die Originalfilmreihen im Programm haben. Doch die Palette reicht auch quer durch Generationen und Geschlechter: vom Europäischen Filmfestival der Generationen und dem Frauenfilmfestival Remake über das Queer Filmfest Weiterstadt und die Homonale Wiesbaden bis zu den vielsprachigen Jugendfestivals Lucas, visionale, Cinéfête oder Britfilms (auch wenn manche davon unter Corona mächtig gelitten haben). Ganz eigen ist auch die Landschaft für Kurzfilme vom kleinen Waldfestival in Weiterstadt über die Shorts at Moonlight bis zu den Rüsselsheimer Filmtagen. Und seit 2018 gibt es neben dem Urgestein der Animationsfilmszene, dem Internationalen Trickfilm Wochenende Wiesbaden, auch noch das neue, fast jugendliche Pendant Sweat & Tears in Frankfurt. Ach ja. Noch gar nicht erwähnt sind die sommerlichen Freiluftkinos wie der Lichter-Ableger Freiluftkino Frankfurt, die Filmtage in den Reisinger Anlagen in Wiesbaden, das Open Air-Programm im Hafen 2 in Offenbach oder der Filmsommer in Mainz. Und wem das nicht reicht, der findet an den Rändern der Region mehr: bei den Openeyes in Marburg, dem Dokfest in Kassel, dem Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen oder dem Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Kurzum: FrankfurtRheinMain ist eigentlich von Januar bis Dezember ein einziges großes Nonstop-Filmfestival. Für eine Berlinale wäre wohl gar kein Platz mehr frei im regionalen Festivalkalender … (vss.).

Barbara Walzer©
The Cube von Jens J. Meyer
Quelle: Internationaler Waldkunstpfad©

Orte & Menschen | Darmstadt

Zur Kunst in den Wald

Der Internationale Waldkunstpfad

In Europa lebten die Menschen ja bekanntlich vornehmlich im Wald. In manchen Ländern wie Österreich gäbe es sogar ganze »Waldstädte«. Zugegeben: Das war ein Gerücht, in die Welt gesetzt von einem einst im Weißen Haus residierenden einschlägigen Europa-Experten, der noch dazu Fachmann für Gerüchte und Fake News war. Doch so ganz Fake war diese News dann ausnahmsweise mal doch nicht. Zwar scheint an den Waldstädten wenig dran zu sein. Aber ein Internationales Waldkunstzentrum gibt es sehr wohl in Europa. Und das liegt im Wald bei Darmstadt. Und das ist durchaus renommiert, war es doch das erste seiner Art, das auch bereits Nachahmer in China, den USA und sogar in Österreich gefunden haben soll (was vielleicht auch das Gerücht wiederum erklärt).

Nun, mit Venedig oder der Documenta kann das seit nunmehr bereits zwei Jahrzehnten bestehende Zentrum mit dem zugleich ersten Internationalen Waldkunstpfad noch nicht mithalten. Doch eine Biennale gibt es auch im Wald bei Darmstadt. Im Sommer 2022 war zu sehen: die Jubiläumsbiennale unter dem Motto »Kunst/Natur/Wandel«. Rund zwei Dutzend Künstler*innen aus verschiedenen Ländern füllten dabei den Wald mit Kunst rund um Klima-, sozialen und digitalen Wandel. Zuvor war im Corona-Jahr 2020 »Kunst/Natur/Identität« das Biennale-Motto. Die Künstler*innen füllen diese Themen dann immer wieder aufs Neue mit Leben und mit zahlreichen Installationen, Performances und BankART. Da man im Waldmuseum aber nicht dazu neigt, nach einer Biennale alles wieder wegzuräumen, lassen sich auch nach und zwischen den Biennalen viele der Kunstwerke immer noch auf eigenen Führungen oder auch einfach so besichtigen. Und auch zur Zeit sind nicht nur Werke von 2022 zu sehen. Der digitale Wandel ist übrigens auch im Waldkunstzentrum und auf dem zugehörigen Pfad eingekehrt. Gemeinsam mit dem Verein »Kultur einer Digitalstadt« wurde das Ganze auch digital vermessen und digitalisiert. Zum einen, um den Waldkunstpfad auch im Netz zugänglich zu machen. Zum anderen, um eingeladenen Künstler*innen auch ein Vorbereiten oder sogar Gestalten ihrer Werke aus der Ferne zu ermöglichen. Der Fokus soll allerdings weiterhin darauf liegen, ein realer Ort der Begegnung zu sein, Natur, Kunst und Menschen zueinander zu bringen; 2022 sogar erstmals mit einem »Jungen (Kunst-) Wald«, den Schulklassen gestaltet haben. Ach ja, schlecht besucht ist das »Waldmuseum« auch nicht gerade. Bis zu 200.000 Menschen sollen sich dort pro Jahr einfinden. Deutlich weniger zwar als im Städel, der Schirn oder dem Senckenberg-Museum in Frankfurt, aber ebenso deutlich mehr als im Historischen Museum, dem für Angewandte und erst recht dem für Moderne Kunst in Frankfurt. Und das sind denn in der Tat keine Gerüchte, sondern ganz und gar belastbare Fakten … (ver.).

Internationaler Waldkunstpfad©
Das Gude - ein Wasserhaus der neuen Art. Nur an der Distanz muss noch etwas gearbeitet werden ...
Quelle: Catalina Somolinos©

Orte & Menschen | Frankfurt

Neues Trinken an alten Mauern

Frankfurt und seine wiederbelebten Wasserhäuschen

Über Jahrzehnte gehörte das Wasserhäuschen in Frankfurt zum Alltag, ein sozialer Ort, an dem alle Generationen und Milieus einander trafen. Wo es menschelte und der Büdchenbesitzer schon wusste, wie viele Biere oder Schokoriegel man abends so kaufen wollte. Doch gerade das wollten viele Menschen irgendwann nicht mehr und haben die Anonymität eines Supermarktes oder einer Tankstelle vorgezogen. Am Büdchen strandeten nur noch die, die man lieber nicht treffen wollte. »Büdchensterben« nannte man das dann irgendwann. Doch was da starb, waren nicht nur ein paar Steine. In Zeiten, in denen über Zusammenhalt, Integration und Partizipation viel diskutiert wird, war am Büdchen eigentlich genau das gelebt worden. Und dies ist keineswegs nur als Wasserhäuschen-Romantik zu verstehen. Vielerorts ist der Büdchen-Alltag auch rauh und traurig. Wie das Leben in der Großstadt eben. Und gerade das schätz(t)en die Menschen.

Schon vor Corona erlebten diese Büdchen ihre Renaissance. In den Corona-Monaten jedoch lebten sie regelrecht auf. Für die einen wurden sie ein wichtiger Ort der Grundversorgung, wenn man sich nicht mit vielen Menschen im Supermarkt aufhalten wollte. Für die anderen wurden sie ein letzter Ort des Socialising mit ausreichender Social Distance in diesen Tagen. Vor allem in der  zuweilen etwas feineren Variante: wie eben wortwörtlich das »Fein« oder etwas abgespacter auch das »Gude« im Nordend. Das eine, sonst die kleine feine Plüsch-Oase mit der oft sehr kreativen Kuchen-Auswahl in der lauschigen Wallanlage, das in Corona-Tagen zur Ausgabe-Theke für frischen Kaffee und Kuchen wurde, den man und frau dann weitläufig rundum auf Parkbänken oder Picknickdecken im zwischenzeitlich vielleicht größten Café Frankfurts nutzen konnte. Das andere der (großflächige) Viertel-/ Kaltgetränke-Treff an der Hauptverkehrsachse, bei dem zwar die 1,50-Meter-Abstandsregel auf einer Verkehrsinsel mitten auf der Friedberger Landstraße selten ganz berücksichtigt, dafür aber ein letztlich auch nicht ganz unwichtiger letzter Teil von Miteinander gepflegt werden konnte (auch wenn mit zunehmender Lockerung nicht wenige es auch lockerer mit Müll und Lautstärke sahen). Überhaupt: Egal, wo das Büdchen steht, in der an Grünflächen reichen Bürgerstadt Frankfurt fand sich immer eine passende Außenfläche. Oder man stand mit dem entsprechenden Abstand einfach so auf einem freien Platz …

Doch schon vor Corona wurde das Kulturgut »Trinkhalle« Kult. Vereine und Initiativen entstanden rund um die Wasserhäuschen. Die »Linie 11« etwa, die einmal im Jahr sogar den »Frankfurter Wasserhäuschentag« feiert. Was vor Jahren zunächst als Aktion einiger Frankfurter Jungs im besten Partyalter startete, ist heute mittlerweile ein ordentlicher kleiner Verein, der als Experte in Sachen »Wasserhäuschen« gefragt ist. Die »Linie 11« hat den Kult nicht unwesentlich mitbegründet und setzt sich für den Erhalt sowie die Pflege eines vom Aussterben bedrohten Frankfurter Kulturgutes ein. Und das Engagement kommt von Herzen – nicht nur, wenn von der legendären gemischten Tüte oder von dem einzigartigen Charme der so ganz unterschiedlichen Büdchen geschwärmt wird. Ob die interaktive Wasserhäuschen-Karte, das erste Wasserhäuschen-Infomobil der Welt oder die Vernetzung der Büdchen-Betreiber: Die Macher haben immer wieder frische Ideen, um die Menschen der Stadt für ihre Traditionshäuschen zu begeistern. Und auf der Karte können auch Neu-Frankfurter oder Corona-Gestrandete ihr persönliches Wasserhäuschen finden …

Begonnen hat alles übrigens um die letzte Jahrhundertwende, als Frankfurt schon einmal boomte. Sauberes Wasser kam damals nicht aus dem Hahn, sondern eben vom Wasserhäuschen, für das die Stadt gesorgt hat. Heute ist es längst als Treffpunkt und kleiner Laden »um die Eck« wiederentdeckt worden und Teil einer neuen Kultur des urbanen Zusammenlebens. Viele alt eingesessene und auch neue Büdchen mit kreativen Geschäftsideen gehören mittlerweile fest zum Leben im Quartier mit dazu. Genauso wie der Kult um sie, wie es die »Linie 11« oder auch die normalerweise einmal im Jahr auf Tour gehenden Jungs und Mädels vom »Trinkhallen Hopping« pflegen. Um es mit der »Linie 11« zu sagen: »Wir lieben Wasserhäuschen«. Und sie stehen damit offenbar längst nicht mehr alleine – am Wasserhäuschen. Und das bestimmt auch noch lange nach Corona-Zeiten … (pem.).