Was hat ein Frankfurter Künstler*innenhaus mit dem Hamburger-Brater McDonald’s zu tun? Im ersten Moment würde uns da mal lange Zeit nichts einfallen. Außer dem »M«. Das jedoch reichte den Mousonturm-Macher*innen 2016 für eine bemerkenswerte Kooperation. Im Mittelpunkt: ein ambitioniertes performatives »Lecture-Programm«, bei dem diverse Dichter und Denkerinnen irgendwie konspirative Vorlesungen hielten. Zu Urban Research, Journalism, Cooking oder Philosophy. Gehalten von Architektinnen oder Kulturproduzentinnen, Autoren oder Musikern – aus Afghanistan, Syrien, Eritrea oder anderen Teilen der Welt. Innovativ waren aber erst recht die Orte der Handlungen: in Frankfurter McDonald’s-Filialen und im eigens umgebauten Mousonturm-Filialcafé …
Frankfurts Mousonturm – eigentlich eine erste Tanz-Adresse der Stadt – steht auch gerne für Experimente, und dies als Haltung und Dauerzustand. Intendant*innen (von denen es seit einem Jahr gleich zwei am Turm gibt), Künstlerinnen und Künstler mieden und meiden dabei allzu ausgetretene Pfade. Sind gerne mal unbequem, politisch, diskursiv. Rausgehen gehört bei ihnen mit zur Kunst – auf die Straße, in die Bahn oder wohin auch immer. Gerne mit Erwartungen und Gewohnheiten spielend. Gerne überraschend – manchmal auch ein bisschen verrückt. Hilmar Hoffmann hatte dies in seiner Eröffnungsrede für das Haus 1988 im Wunsch nach einem »Werkstattcharakter« beschrieben. Ein Auftrag, den das Haus immer wieder auch erfüllt(e). Mit Avantgarde und politischer Kunst für das 21. Jahrhundert oder mit impulsreichen Themenschwerpunkten – »Flucht und Migration« mit Brett Baileys Labyrinth oder »Eine Stadt wie Frankfurt« mit gleich mehreren bemerkenswerten Rimini-Protokollen, zuletzt damals als Schaubude in der Stadt unterwegs. In Corona-Zeiten ging dies soweit, dass man auch gleich mit ganz neuen Bühnen experimentierte. Eine baute man sich als Haus im Haus mit lauter kleinen Logen zum Abstandhalten. Eine andere auf den Frankfurt-Offenbacher Kaiserlei – quasi mitten ins kulturelle Niemandsland …
Rimini Protokoll gehören auch zu den vielen jungen Kreativen, die hier immer wieder eine Plattform erhalten, nicht selten ihre erste, um oftmals wieder zurückzukehren. Dazu gehören auch die Frankfurt-Offenbacher YRD.Works. Der Mousonturm nimmt dabei mehr als andere seinen Auftrag als »Künstler*innenhaus« wahr, das weniger das eigene Haus als viel mehr die Akteur*innen auf den Bühnen in den Mittelpunkt stellt. Doch trotz einem riesigen Kreis mehr und weniger verbundener Künstlerinnen und Künstler, regionalen Größen, bunten Gästen und Sympathisanten hat der Mousonturm auch etwas Familiäres. Ein intimer – und nicht ganz endgültiger – Abschiedsabend von Tänzer und Choreograf Toni Rizzi war einst berührend und beispielhaft dafür, wie sehr der Mousonturm Teil des Netzwerks und der Szene FrankfurtRheinMain ist. Und trotz aller Progressivität darf es in der denkmalgeschützten früheren Seifenfabrik durchaus unterhaltsam sein: mit populären Konzerten und legendären Partys. Liebgewonnene Traditionen gehören genauso zum Programm. Man denke nur an die Max Goldt-Lesungen rund um die Weihnachtstage. Auch ein Michael Quast stand immer mal wieder auf dieser Bühne. Von Hannelore Elsner bis Pussy Riot: Alles subjektive Fragmente eines Künstler*innenhauses, das sich als progressive Kunst-Brutstätte etabliert hat – ohne bereits ganz etabliert zu sein … (pem./vss.).