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Museen geschlossen. Viele Fragen offen. Und viele fragende Blicke. Aber nicht, weil man die Kultur nicht versteht ...
Quelle: Moritz Bernoully©

Eigenes Konzept für Kultur!

Vom Kopf her denken

... und die Kreativität der Kultur nutzen

Zugegeben: Auch für andere Bereiche ändert die Politik im Moment dauernd etwas. Doch für die Kultur ist besonders wenig Konzept zu erkennen. Konzepte gäbe es allerdings. Man müsste vielleicht nur mal Kulturschaffende fragen. Was die nicht brauchen, ist ein ständiges Stop and (auch noch segmentiertes) Go mit wirren Modellversuchen. Alles, was sie bräuchten, wäre eine stabile Lage im Lande und eine klare Perspektive, ihre Konzepte auch mal ganzheitlich umsetzen zu können. Dass sie es könnten, haben sie vielfach etwa letzten Sommer bewiesen, kreative Sicherheitskonzepte inklusive …  

Bayerns Wirtschaftsminister hat vor den vor-jüngsten Corona-Beschlüssen einen bemerkenswerten Satz gesagt: »Wir dürfen die Menschen nicht mehr länger in den Keller sperren«. Nun, unseres Wissens nach ist das selbst im Freistaat in Pandemie-Zeiten nicht geschehen. Aber sei’s drum: Er traf den Ton, der kurz danach zu den ebenso bemerkenswerten Öffnungsprozessen geführt hat, welche die Republik dann mitten in die steigenden Inzidenz-Zahlen hinein vielerorts erlebt(e). Dazu gehörte auch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine Öffnung der Museen und Ausstellungsräume. An sich eine gute Idee, sind doch gerade Museen, Ausstellungshallen und Galerien bestens präpariert; mit Platz, (Hygiene-) Plänen und guten Programmen. Und doch hinterlässt alles einen faden Beigeschmack. Nicht nur, weil man bald wieder schließen musste. Auch, weil der Rest der Kultur einfach gleich geschlossen blieb. Er sollte im nächsten Schritt an der Reihe sein – verkündet im Wissen, dass es ein Wettlauf gegen (verrinnende) Zeit und (steigende) Zahlen wird. Gleiches Bild nun wieder mit zahlreichen wirren Modellversuchen übers ganze Land. Irgendwie passte es schon beim letzten Versuch ins Bild, dass der ganze »Plan« auf eine DIN-A-4-Seite passen musste …

Ein Plan für die Kultur sieht anders aus. Das DIN-A-4-Blatt, es symbolisierte damals nur eines: dass Kultur für die Politik kein Wert an sich ist, sondern immer nur irgendwie im Paket mit Sport oder Gastronomie kommt. Und während man für Geschäftsinhaber*innen – click & collect und click & meet – und Gastronom*innen – mal außer Haus, mal Außenterrassen – zwar nicht für alle befriedigende, aber immerhin durchdachte Lösungen hatte, vermisste man diese bei den Kulturschaffenden völlig. Nur auf und zu, höchstens noch in Etappen oder nach »Gutsherrenart« in irgendwelchen Modellversuchen. Womit sich die Frage aufdrängt: Könnte man im Land der Dichter und Denker und der Region der Goethes und Adornos das Ganze nicht mal vom Kopf her denken und die Kultur als gerade in der Pandemie wertvolles Gut für sich sehen? Zugegeben: Man bräuchte für Kultur ein etwas differenzierteres Konzept als »click & meet«, da Einzelkonzerte und Face-to-face-Theater nicht der Bringer sind.

Überhaupt kann man »die Kultur« nicht komplett in den einen berühmten Topf werfen. Aber 90 Prozent der Theaterleute und Musiker*innen könnte man – die stabile Lage vorausgesetzt – bereits in wenigen Wochen in einer konzertierten Aktion locker mit Konzept und gutem Willen (und Wetter) nach draußen bringen. Da das mit Kunstwerken zu 90 Prozent nicht geht, wäre mit etwas differenzierendem Denken der Umkehrschluss möglich: Museen und Ausstellungsräume zum gleichen Zeitpunkt mit deren vielem, auch physischem Freiraum öffnen. Käme man dann noch auf die Idee, das Draußen entweder dezentral oder als Festival zu gestalten, zu dem Menschen nicht alle gleichzeitig kommen und gehen (und sich den Virus dann in der Kassen-Schlange oder in der U-Bahn einhandeln) und bei dem Kulturschaffende zwar nicht alleine viel, aber doch viele einiges zeigen könnten, könnte man sogar von einem durchdachten Konzept sprechen – auf das man kommen könnte, wenn man mit Kulturschaffenden spricht. Und wie wäre es, bei den Sicherheitskonzepten dann auch gleich mal die Kreativen ranzulassen? Wie wäre es zum Beispiel mit einem simplen Outdoor-Konzept mit Picknickdecken und Zollstöcken als Abstandshalter dazwischen? Kann jede/r locker mitbringen. Den Park untendrunter könnten Städte stellen. Zumal die originellsten Abstands-Konzepte mit Pool Noodle und Hula-Hoop-Reifen ohnehin aus der Kultur kamen. Vielleicht wären dann auch Tests nur sekundär. Denn die eigentliche Gefahr liegt weniger in solchen Kultur-Veranstaltungen auf Abstand, sondern auf den Opern- und Friedberger Plätzen der Republik, wo keiner vor dem Zugang Tests kontrolliert.

Nochmals zugegeben: Dies lässt sich nicht morgen früh verwirklichen. Es braucht zuerst eine stabile (niedrige) Inzidenzlage. Doch das wäre nun vielleicht umgekehrt mal die Vorgabe der Kultur an die Politik: Diese Lage zu schaffen – und eine klare zeitliche Perspektive zu geben. Modellberechnungen, wann was zu schaffen wäre und wie es in einigen Wochen aussehen würde, gibt es. Ein klar definierter Zeitpunkt in einigen Wochen – das wäre mithin eine kulturaffine Lösung. Von heute an betrachtet zum Beispiel Anfang Mai oder Mitte Mai – und nicht wie zuletzt rechtzeitig zu den Wahlen in drei Bundesländern; was zu der absurden Situation führte, dass in diesen Ländern und Städten die Museums- und Galerie-Leiter vielfach regelrecht zur Öffnung gedrängt wurden. Anfang oder Mitte Mai – weil bis dahin das Wetter besser, einige Rahmenbedingungen geschaffen und zusätzlich endlich Schnell- und Selbsttests vorhanden (oder sollte man besser sagen: bei den Menschen) sein sollten. Anfang oder Mitte Mai – weil dann viele Kulturschaffende mitspielen könn(t)en. Niedrige Inzidenz-Zahlen natürlich immer noch vorausgesetzt; aber wenn man diese bis dahin nicht hinbekommt, ist auch jede jetzige Lösung abgesehen von Placebo-Effekt und Politiker*innen-Profilierung unsinnig. Der Vorteil eines klaren Termins mit Vorlauf: Es wäre Zeit, passende Rahmen und Programme vorzubereiten. Und: Es wäre viel Kultur verfügbar – die Menschen würden sich verteilen. Das könnte diese auch wieder inspirieren – und zwar ebenfalls viele auf einmal. Und am Ende womöglich sogar jenen Minister aus Bayern. Das richtige Theater oder Museum vorausgesetzt, könnte er da sogar lernen, dass das mit jenen Menschen im Keller (egal, ob geflüchtet oder tatsächlich eingesperrt) in Deutschland nicht die Zeit der Pandemie war – zumindest nicht die der Virus-Pandemie … (vss.).