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Der Sommerbau - Prestige- und Vorzeigebau am Kaiserley
Quelle: Raumlabor / Mousonturm©

Kultur-Dates | Open Air-Bühnen

Offene Kulturlandschaften

Outdoor rettet Kultur über den Sommer

Wer dieser Tage in Theater und Ausstellungsräume schaut, sieht vielfach – nichts. Es sind vor allem wenig Menschen, die sich dorthin bewegen. Kunststück: Manche haben gleich ganz zu, doch auch andere begrüßen häufig gerade mal eine Handvoll Besucher*innen am Tag. Die Menschen gehen raus, dem Virus geschuldet und dem Sommer folgend. Im zweiten Corona-Sommer hat »die Politik« reagiert. Zahlreiche Bühnen sind outdoor in der Landschaft entstanden oder wurden unterstützt. Für das entwöhnte Publikum ebenso wie für die darbenden Kulturschaffenden. Selten sprudelte (Förder-) Geld dafür so erfreulich üppig.

Zugegeben: Der Sommer fehlt in FrankfurtRheinMain zuweilen noch. Dafür aber gibt es reihenweise Kulturorte, die ihn zumindest im Namen tragen. Sommerbau, Sommerwerft, Sommerwiese – Viele Kulturinstitutionen haben weder Kosten (genauer: Gelder von Kulturförderern) noch Mühen (hier vornehmlich die ihrer Mitarbeiter*innen) gescheut, zumindest dem Namen nach die Bühnen für einen veritablen und corona-konformen Outdoor-Kultursommer in die Landschaften zu stellen. Am eindrucksvollsten ist sicher der sogar Stadtkulturen übergreifende »Sommerbau« – ein luftiges und stahlgerüstiges, aka: corona-konformes, Amphitheater für zwei- bis dreihundert Gäste in Zweier-Logen auf der Stadtgrenze von Frankfurt und Offenbach. In Windeseile – bei der jedem privaten Bauherrn offenbar wurde, wozu Behörden so in der Lage wären – zusammengezimmert und wahrscheinlich mehr noch -gesteckt, soll der Bau nun bis Oktober von einem von Mousonturm, FrankfurtLab, Ensemble Modern und weiteren Partnern zusammengestellten Programm aus Tanz, Theater, Diskurs und noch einigen weiteren Genres bis hin zu einem Wahl- und einem Clubabend dienen (kurze Worterklärung: Clubs sind jene Orte, an denen vor Corona Partys und Konzerte stattfanden). Nimmt man die Vorstellung des Baus vor ein paar Wochen zum Maßstab, so hat er offenbar viele Mütter und Väter. Für die nächsten Wochen werden die Betreiber*innen nun allerdings hoffen, dass es das erst mal war mit dem (Rücken-) Wind. Denn schlechtes Wetter ist das einzige, was der Bau nicht brauchen kann. Immerhin ist soviel Geld in das Projekt geflossen, dass die Zuschauer*innen über ein »solidarisches Preissystem« ihren Eintritt sogar selbst bestimmen können.

Was das Projekt vor allem auszeichnet, ist seine Offenheit. Man könnte sogar im wahrsten Wortsinn von einer offenen Bühne sprechen. Nicht nur, was den luftigen corona-konformen Stahlbau angeht. Sondern auch, weil er grundsätzlich offen ist für viel Kultur und Kulturschaffende diverser Sparten. Das ist im zweiten Corona-Sommer 2021 so etwas wie das Übermotto der vielen neuen und diesmal auch gut von öffentlichen Geldern finanzierten Sommerbühnen, die nicht nur corona-affines Kulturgenießen ermöglichen, sondern auch corona-gebeutelten Kulturschaffenden das Überleben sichern sollen. Dafür haben Bund, Länder und Kommunen tatsächlich Zig-Millionen-Beträge zur Verfügung gestellt (das Land Hessen alleine 10 Millionen Euro im Programm »Ins Freie«). Das gilt in diesem Jahr auch für die altbewährte »Sommerwerft« mitten in Frankfurt am Main und für die noch ganz neue »Sommerwiese« neben der Jahrhunderthalle draußen im Frankfurter Stadtteil Höchst. Auch das Straßentheaterfestival »Sommerwerft« hatte 2021 wieder aus der Not eine Tugend gemacht und mangels internationaler Gäste seine Bühne regionalen Kulturschaffenden zur Verfügung gestellt. Mehr Hilfe zur Selbsthilfe waren die Förderprogramme hingegen bei der »Sommerwiese«, einem vor allem von der Kultlocation Brotfabrik bespielten temporären Open Air-Parkplatz neben der Jahrhunderthalle. Längst jedoch sind dies nicht die einzigen offenen Bühnen in der Region. In Rüsselsheim bespielt etwa das »Rind« (ebenfalls ein aus Vor-Corona-Zeit bekannter Club) zum zweiten Mal mit vielen Gästen den Adamshof der alten Opelwerke. In Darmstadt hat die »Centralstation« ebenfalls zum »Endlich Open Air« mit vielen Partnern aus der Stadt gebeten. In Wiesbaden ist es der »Schlachthof«, der seine großzügigen Outdoor-Flächen zwischen sich und dem nahen Bahnhof mit »Picknick-Konzerten« bespielen kann. Mainz schließlich bespielt erneut die »KulturGärten« im KUZ und im Schloss (letzteres arrangiert der Frankfurter Hof). Und nochmals in Frankfurt bekam das Stalburg Theater für sein beliebtes Open Air »Stoffel« diesmal die vielleicht ungewöhnlichste Bühne. Eine Art Wanderbühne sozusagen, zieht der Stoffel doch in diesem Jahr als »Guerilla-Stoffel« tatsächlich von einem Ort zum anderen, von der Dachterrasse des Hotel Alexander bis zum Biergarten in der eigenen Stalburg. Die Liste der Bühnen ließe sich in diesem Jahr tatsächlich vielfach fortsetzen. Ganz nebenbei ein treffliches Beispiel, wozu Kulturförderung auch so fähig wäre – wenn der politische Wille dazu da ist. Lang genug hat es für sie bekanntlich gedauert. Und man darf nur hoffen, dass für die Kultur nicht der alte Spruch »Die letzten werden die ersten sein« gilt – wenn es in einer hoffentlich nicht gar zu fernen Nach-Corona-Zeit dann ans Einsparen der ganzen Gelder geht … (vss.).