Bildende Künstler*innen
Zwei neue Kunst-Geldtöpfe
Frankfurt experimentiert mit Künstlergagen
Der Stadt Frankfurt wurde oft vorgeworfen, zu wenig für ihre Künstler*innen zu tun. Gerne wurden ihr Berlin oder Stuttgart als leuchtende Beispiele vorgehalten. In diesem Herbst hatte das Kulturamt mit zwei Fördertöpfen reagiert, für die man sich mit Projekten und Ausstellungen im Bereich Bildende Kunst bewerben kann. Ein guter Schritt. Allerdings haben die Ausschreibungen ein paar Haken. Vor allem waren die Fristen knapp bemessen.
Man merkte schon ein wenig, dass »Künstlerhonorare« Neuland für Frankfurt sind. Wer in den Wochen nach Verkündung zweier neuer Geldtöpfe für Projektstipendien und Ausstellungsvergütungen auf den Seiten der Stadt nachsah, war ein wenig an erste Gehversuche der Finanzämter vor Jahren mit ihrer Software »Elster« erinnert. Oder an Bemühungen der Länder, in Corona Geld an Künstler*innen auszuschütten, ohne vorab genau zu wissen, wie. Bei den »Projektstipendien Bildende Kunst« etwa waren auch nach Wochen noch Formulare und vollständige Bedingungen teils falsch verlinkt, teils kaum auffindbar. Aller Anfang scheint schwer.
Die Idee immerhin ist löblich. Für künstlerische Projekte im ersten Halbjahr 2025 wurden jeweils 2.500 bis 10.000 Euro ausgeschrieben. Die Bandbreite wurde weit gefasst: »Gefördert wird die Durchführung von künstlerischen Recherche- und Forschungsvorhaben, die als Vorbereitung oder sogar Umsetzung eines konkreten Projektes dienen. Gefördert werden kann außerdem die Umsetzung eines konkreten, bereits begonnenen, künstlerischen Projektes, für dessen finale Realisierung die notwendigen Mittel fehlen.« Als eigene »künstlerische Arbeitsleistung« können dabei 1.500 Euro pro Monat angesetzt werden. Daneben müssen Künstler*innen noch ihren »Arbeitsmittelpunkt in Frankfurt am Main verorten«. Ansonsten musste man/frau aber vor allem schnell sein. Die Frist für die erste Ausschreibung dieser Art für 2025 betrug nur rund sechs Wochen bis zum 1. November.
Die Projektstipendien sind einer von zwei neuen Fördertöpfen für bildende Kunst, welche die Stadt im Herbst ausschrieb. Für sie konnten sich Kunstschaffende selbst bewerben. Und es scheint der einfachere von beiden Töpfen, soll es doch recht viele Rückmeldungen gegeben haben. Für den anderen Topf konnten und können sich Institutionen bewerben, die Kunst ausstellen, keine städtischen Institutionen mit eigenem Etat sind und schon mal vom Kulturamt gefördert wurden. »Ausstellungsgrundvergütung« nennt sich das, was ausgeschüttet und dann von den Einrichtungen an Künstler*innen vergeben werden soll. 60.000 Euro (abzüglich Künstlersozialabgabe) stehen jeweils zur Verfügung für 2025 und 2026; gestaffelt nach Zahl beteiligter Künstler*innen zwischen 100 und 1.500 Euro pro Kopf. Bestehen die Ausstellungen, die in diesem Falle fürs erste Jahr sogar bis 30. Oktober einzureichen waren, ausschließlich aus förderwürdigen Künstler*innen, dürfte dies für plus/minus 40 Ausstellungen pro Jahr reichen – und soll sich möglichst »auf eine Vielzahl von Institutionen« verteilen. Womit man beim ersten Haken wäre: Sollten sich alle in Frankfurt in Frage kommenden Institutionen für ein Jahr bewerben, dürfte kaum eine damit alle Ausstellungen übers Jahr gefördert bekommen. Bleibt die Frage, was mit den Künstler*innen der anderen Ausstellungen sein wird. Zum Vergleich: Das gleichgroße Stuttgart hat ungefähr dreieinhalb Mal so viel Geld bereitgestellt.
Bei einigen Institutionen tauchten 2024 durchaus Fragen auf. Einige reichten erst auf den berühmten »letzten Drücker« ein. Allerdings dürfte sich zumindest die Auswahl der Ausstellungen anfangs noch übersichtlich gestaltet haben, da aus dem Topf fast ausschließlich Künstler*innen mit »Arbeits- und Lebensmittelpunkt in Frankfurt« gefördert werden sollen. Das erklärt den knappen Etat, passt aber nur bedingt zur weltoffenen und derzeit oft für eine Region Frankfurt RheinMain werbenden Metropole. Zumal in den letzten Jahren viele Künstler*innen Wohnsitz oder Atelier vor die Tore der Stadt verlegen mussten. Das könnte in Gruppenausstellungen zu »Schieflagen« führen, wenn Frankfurter und auswärtige, etwa Offenbacher, Künstler*innen zusammenkommen (zumal sich die Honorare laut Ausschreibung an der Gesamtzahl der Künstler*innen bemessen). Doch wirklich leichter dürfte dies das Antragstellen nicht gemacht haben, mussten die Ausstellungsmacher*innen zumindest diesmal binnen kürzester Zeit ihr komplettes Programm 2025 aufarbeiten und sorgfältig nach Einheimischen und Auswärtigen sortieren sowie Ausnahmen »im Einzelfall« begründen. »Etwas wesensfremd« nannte denn auch ein nicht ganz unerfahrener Ausstellungsmacher dieses Verfahren …
Ein »Ei« besonderer Art könnte das Kulturamt den Institutionen noch mit der Formulierung, dass man »möglichst viele verschiedene Künstler*innen« berücksichtigen wolle, ins Nest gelegt haben. Das könnte bei Ausstellungsmacher*innen neben der Jonglage zwischen Einheimischen und Auswärtigen sowie gelegentlicher Berücksichtigung künstlerischer Kriterien bei Ausstellungen Frankfurter Künstler*innen künftig auch die Frage aufwerfen, ob man sie eher einzeln präsentiert (mit höherem Honorar) – oder als Gruppe (die wohl bevorzugt berücksichtigt würde). Oder ob man nicht überhaupt vermehrt Ausstellungen Frankfurter Künstler*innen machen sollte. Damit könnte sich das Kulturamt das »Ei« womöglich aber auch selbst ins Nest gelegt haben. Ausreichend Anträge vorausgesetzt, könnte das Ganze nämlich schnell zum hübschen vorweihnachtlichen Gesellschafts-, Knobel- und Sortierspiel im Amt mutieren – vor allem im zweiten Jahr, wenn die Ausstellungsmacher*innen mehr Zeit, das Förderkonstrukt durchdrungen und ihre Anträge darauf ausgerichtet haben. Wenn man dann allerdings alles sorgsam austariert hat, könnten sich die Honorare für viele Beteiligte durchaus am Ende in überschaubaren dreistelligen Größen im Jahr bewegen …
Erkennbar ist der (gute) Wille der Politik, etwas für Frankfurter Künstler*innen zu tun und möglichst viele daran zu beteiligen. Beim Verfahren fragt sich aber, ob nicht ein bisschen vieles vermengt wurde, und ob es nicht fast einfacher gewesen wäre, den Künstler*innen das Geld direkt zukommen zu lassen (und damit womöglich sogar steuerfrei). Kurios am Rande: Stuttgart verzichtete auf solche Windungen. Nicht nur, dass dort mehr Geld zur Verfügung steht. Dort heißt es auch nur lapidar in der Ausschreibung: »Die Ausstellungsgrundvergütung dient der Förderung professioneller bildende Künstler*innen in der Landeshauptstadt Stuttgart«. Dafür nahm Frankfurt den Satz auf: »Die Förderung soll sowohl für die Institutionen als auch für die Verwaltung möglichst praktikabel und einfach sein«. Für die Verwaltung könnte das im laufenden Jahr sogar zutreffen. Die angegebene Mail-Adresse verlinkte zumindest teilweise zum Kulturamt in Stuttgart … (vss./sfo.).