Spielerisch an Stadt und Gesellschaft bauen - kleine (Schreib-) Fehler inklusive
Quelle: Polytechnische©

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Ein Labor des Miteinanders

Polytechnische Stiftung und Gesellschaft

Kaum eine Stiftung symbolisiert die traditionelle Bürgerstadt Frankfurt so wie die »Stiftung Polytechnische Gesellschaft«. Gemeinsam mit ihrer Mutter-Gesellschaft, gestaltet kaum eine Stiftung Stadt und Gesellschaft an so vielen Stellen mit – und bietet Menschen in der Stadt so viele Experimentierräume zum Mitgestalten an. Erfreulicherweise gesteht sie sich dabei selbst zuweilen Dinge zu, zu denen sie andere ermutigen möchte. Was nicht der schlechteste Ansatz dazu ist … 

Frankfurt, im Sommer 2024, mitten in der Stadt und doch irgendwie in einem etwas abgelegenen Labor. Im mächtigen Hörsaalgebäude, gefühlt hoch droben auf dem Uni-Campus, tagte ein »Parlament«. Nun ja, ein selbst berufenes, um Stadt – diese Stadt – ein bisschen besser, lebenswerter, vielleicht nachhaltiger zu machen, idealerweise die Stadt der Zukunft zu entwickeln oder zumindest zu diskutieren. Gekommen waren zwei-, dreihundert Menschen, manche vertraten gesellschaftliche Organisationen, andere einfach sich selbst. Eineinhalb Tage lang stellten Stadt-Menschen Ideen vor, hörten andere Stadt-Menschen zu, debattierten alle miteinander – meist in kleinen »Podien«, irgendwo zwischen Hörsaal und Ausschuss. Es ging um nachhaltige Städte, um smarte Städte, um gesunde Städte, um gerechte Städte, um effiziente Städte. Um Gemeinschaft und viel um die Frage, wie Menschen daran mitwirken können. Manchmal waren es sogar kleine »Sternstunden«, wenn Migrant*innen aufzeigen konnten, wie sie anderen Mitgrant*innen in dieser migrantischen Stadt-Gesellschaft Wege auftun konnten. Manchmal auch vertane Chancen, wenn fast die ganze Zeit Stadtbedienstete und Immobilienentwickler ihre so vorbildlichen Projekte vorstellen konnten. Noch erstaunlich oft blieb die Frage im Raume: »Und wo können wir nun mittun …?«

»Frankfurt Next Generation« ist gerade das Vorzeigeprojekt der Polytechnischen Gesellschaft und ihrer Förderinstitution Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Und es atmet vieles von dem, was beide sein wollen: Labore einer neuen Stadt, eines neuen Miteinanders angesichts vieler Herausforderungen. Labore, in denen etwas entsteht, etwas wächst, sich etwas entwickeln kann. »Labor« meint aber auch, dass nicht immer alles gleich perfekt ist. »Nein, wir würden, wir werden beim nächsten Mal sicher nicht alles ganz genauso machen«, sagt Stiftungschef Frank E.P. Dievernich denn auch ohne Umschweife. Man würde es dann vielleicht nicht wieder »Parlament« nennen, vielleicht auch mehr einen offenen Ort im Stadtzentrum suchen. Kleine Details, die man bei der Fortsetzung berücksichtigen werde. Womit Dievernich direkt beim Kern seines »Polytechnikertums« ist: dem Experimentieren und dem Möglichmachen – mit dem implizierten Bestandteil, nicht alles richtig zu machen, sondern zu lernen, zu verbessern (wozu die Fähigkeit, auch bei eigenen Dingen noch Verbesserungspotential erkennen zu können, sicher nicht schädlich ist). Genau in diesem Sinne versucht die Stiftung, den Mikrokosmos (Frankfurter) Stadt zu fördern, mit zu gestalten und oft auch einfach zu begleiten. Der Bürger*innenkongress »Frankfurt Next Generation« ist dabei zwar das Vorzeigeprojekt. Doch genau genommen besteht das stete Wirken und Bewirken aus unendlich vielen Vorzeigeprojekten. Im Stadtteil Niederrad unterstützt man eine »Teilerei«, in welcher auf selbstorganisierter Basis junger Menschen Möbel, Bücher, Kleidung und tägliches Gerät abgegeben und mitgenommen werden können. Nahe dem Südfriedhof fördert man die »Stadtfarm«, auf der gemeinsam gegärtnert und Nahversorgung erlernt und betrieben werden kann. Über die ganze Stadt verteilt dürfen »Stadtteil-Botschafter« eigene Projekte verwirklichen. In einem Kulturförderprogramm wird Bridges, ein multinationales Musiker*innenprojekt, begleitet. Bereits seit Jahren unterstützt die Stiftung die »Babylotsen« zur Begleitung junger Eltern in den ersten Jahren der Elternschaft. Und ein neuer Bereich »Demokratiebildung« fördert gezielt »Demokratiemündigkeit« junger Menschen – sozusagen als Kontrapunkt zur »Demokratiemüdigkeit«.

Wichtig ist, dass bei diesem Tun die Stadt und die Menschen gestärkt werden, »ein Stück weiter kommen«. »Frankfurt Next Generation« war ein Auftakt. Vieles wurde angestoßen, viele Menschen wurden vernetzt, haben selbst untereinander neue Dinge angestoßen. »Stiftungen müssen ermutigen und ermöglichen«, sagt Dievernich. Menschen im besten Sinne »befähigen«. Und dabei das Ganze und die Teile im Blick haben. »Wir bauen am Wir«, sei das zentrale Motiv. Zum Beispiel auch beim »Diesterweg-Stipendium«. Gefördert werden vorderhand Kinder migrantischer Familien. Doch das Stipendium richtet sich an die Familie als Ganzes – nimmt Eltern und Geschwister mit in den Blick und die Verantwortung. Macht in gewisser Weise sie zu Befähigern ihrer Kinder. Einbindung als Ganzes. Immer die Gesellschaft im Blick. Ihr haben sich die Gesellschaft und die einst auf dem Vermögen der Frankfurter Sparkasse aufgebaute Stiftung verschrieben. Rund acht Millionen Euro im Jahr gibt man derzeit dafür aus, mit einem für Stiftungen hohen Anteil an Eigenprojekten. Ein »Wohlfühlverein« ist die Polytechnische nicht. »Irgendwas mit Kindern« hat jede Stiftung im Programm. Die Polytechnische rückt aber auch heikle Themen in den Fokus: etwa Altern oder (psychische) Gesundheit. Die »Gesunde Stadt« wird zunehmend zu einem Themenfeld. Gerade erst wurden fünf Projekte zur »Linderung der Einsamkeit im Alter« (LEA) bewilligt. Hier geht es um Spieletreffs oder Begleithunde. Manche Zugänge überraschen, wenn etwa unter »Gesunden Räumen« auch über Gestaltung von Gefängnissen geredet wird. »Zukunft geben« scheint ein Leitmotiv. Und die eigene Zukunft? »Auch Stiftungen«, so Dievernich, »müssen sich verändern«. Auch sie müssten den Fokus auf Zusammenarbeit legen. »Stiftungsallianzen für größere Projekte« ist ein Baustein. Nicht von ungefähr verstärkt er die Zusammenarbeit, etwa mit der Crespo- oder der Aventis-Foundation. Auch andere Kooperationen sollen aufgebaut werden, schon heute stellt man vielfach auch über die Stadtgrenzen hinaus (wo man nicht fördern darf) Know-How für Partner zur Verfügung. »Eine Gesellschaft, in der wir gut miteinander umgehen und gut miteinander leben können«, ist ein Satz, der aus einem Gespräch mit Dievernich in Erinnerung bleibt. Vielleicht gab es auf dem Uni-Campus einen Moment, in dem diese Philosophie für Gesellschaft und Menschen kurz kulminierte. Als Kadim Tas in einem Gespräch davon erzählte, warum er in seiner Initiative »Joblinge« jungen Migrant*innen Wege in Arbeit aufzeigt: »Weil sie es Wert sind«. Der Stiftungsvorsitzende daneben nickte leise, fast unmerklich. Solche Dinge, solche Haltungen zu fördern, scheint der Stiftung dabei fast wichtiger als große Ergebnisse ihres Kongresses. Das »Bauen am Wir« – es ist vielleicht in diesem Sinne viel mehr noch ein »Ermöglichen des Wir« … (vss.).