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Von außen ein Kaufhaus. Von innen das vielleicht größte Kultureldorado der Republik.
Quelle: Line Krom©

Blaupausen | Jupiter Hamburg

Kommunales Kultur-Kaufhaus

Hamburg übt kulturellen City-Umbau

Innenstädte haben sich als Kommerzmeilen offenbar überlebt. Stadtregierungen suchen nach neuen Konzepten; mal halbherzig, mal recht konkret. In der Region haben etwa Fulda und Offenbach ihre »Kaufhöfe« erworben und versuchen, darin neue Konzepte für Bürger*innen umzusetzen. Hamburg hat die letzten beiden Jahre recht prominent mit einer Art »Kulturkaufhaus« experimentiert. 

Es hat etwas von einem »Kulturtempel«. Zumindest, wenn der Begriff nicht schon irgendwie anders besetzt wäre. Und doch: Das großflächige und mehrstöckige Kaufhaus mitten in Hamburg muss Kulturschaffenden wie ein Tempel vorkommen. Überall gibt es etwas Anderes, etwas Neues zu entdecken und zu Bespielen. Doch immer irgendwas mit Kultur im weitesten Sinne. Jede Etage wird von unterschiedlichen Projekten genutzt. Im Erdgeschoss finden sich Designershops und ein Café. Urban Art, Graffiti und Hip Hop-Kurse folgen im 1. OG, Kunst, Mode und Circular Economy im 2. OG, wechselnde künstlerische Nutzungen sind im 3. OG vorgesehen, Aktivitäten für Kids im 4. OG. Im 5. OG findet sich zwischen ausgesonderten Bühnenbildern und Requisiten großer Spiel- und Produktionsstätten die »Bar der Hanseatischen Materialverwaltung«, ein Pop-up-Ort für Konzerte, Bingo-Abende und sogar Tischtennisturniere. Der Rooftop schließlich kommt bei Yoga-Schüler*innen gut an. »Herzstück« ist gerade die den Kulturbetrieb spiegelnde Ausstellung »Imagine Transparency« im 3. Stock. Das »Kurativ«, das junge Kuratorinnen-Kollektiv Lara Bader, Sarah Thiemann und Manya Gramsch aus Hamburg, präsentiert darin eine kritische Auseinandersetzung mit Ausschlussmechanismen im Ausstellungsbetrieb. Mit 20 Künstler*innen vor Ort und über 50 im digitalen Raum suchen sie nach Antworten auf die Frage: Wer kann sich Zugang zur Kunst überhaupt leisten?

Der wechselweise als Kulturtempel oder auch scheinbares Eldorado für Kulturschaffende daherkommende Komplex ist ein von Leerstand betroffenes, also mehr oder minder ausgedientes Kaufhaus im Herzen der Hamburger Innenstadt. Passenderweise trägt es heute den Namen »Kreativplanet Jupiter« und ist ein von der Stadt Hamburg ins Leben gerufenes Projekt, um Leerstand kreativ zumindest zwischennutzen zu können. Stadtplanerin Celina Behn ist die Projektmanagerin und für das Förderprogramm »Frei_Fläche: Raum für kreative Zwischennutzung« zuständig. Auch wenn der Jupiter auf Grund seiner Größe und zentralen Lage am Bekanntesten sei, so die City- und Kulturmanagerin, sei er doch lediglich eines von zahlreichen Objekten, die sie an Hamburgs Kreativschaffende vermittele. Frei_Fläche kollaboriert mittlerweile mit über 100 Vermieter*innen. Mit Frei_Fläche haben die Behörde für Kultur und Medien, die Finanzbehörde und der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen ein attraktives Angebot geschaffen. Für lediglich 1,50 Euro pro Quadratmeter werden Kreativen Räume kurzfristig überlassen. Den Immobilienbetreibenden wird ein Pauschalbetrag für Betriebskosten gezahlt. Behn erklärt, dass die kostengünstige Nutzung der Gewerbeflächen auch eine Möglichkeit sei, um neue »Geschäftsmodelle« rund um Kultur zu testen. So entstehen etwa Produkt-Launches und Pop Up Stores. Doch das Angebot von Frei_Fläche besteht aus mehr als günstigen Mietkonditionen. Für die Kreativen bilden sie die Schnittstelle zwischen öffentlicher Verwaltung, Vermieter*innen oder Haustechnik. Auch Förder- und Miet-Verträge werden von ihnen vorbereitet. Außerdem organisiert Frei_Fläche den medialen Auftritt des Jupiter im Internet und weist auf die aktuellen Veranstaltungen hin.

Diese Mischung macht den Jupiter zu einem »Dritten Ort«, einem (halb-) öffentlichen Raum, in dem sich Menschen begegnen und Beziehungen aufbauen können. Dies bestätigen auch die drei Kuratorinnen aus dem 3. Stock. Sie berichten, dass ihre Ausstellung von Besuchenden und Flanierenden gut angenommen werde, insbesondere von einem sonst eher Kunst-fernen Publikum. Hier ging ihr Konzept, Hürden für Teilhabe am kulturellen Angebot zu verringern, auf. Anders als in vielen Off Spaces, wo die Kunstszene doch sonst oftmals unter sich bleibt, wird zudem im Jupiter die Kunst sowohl als Gesprächsanlass genommen, aber auch als Kulisse für Selbst-Inszenierungen in sozialen Medien. Eine andere Art von Einbindung der Kunst. Auch sonst gibt es gewollte Brüche. Wenn es sich etwa beim »Jupiter« auch um einen konsumfreien Ort handelt, prägen doch gewohnte Nutzungszusammenhänge des Shoppings und die Strukturen der Architektur Fragen so mancher Besucher*innen. Kaufhaus bleibt eben doch immer auch irgendwo Kaufhaus. Was aber auch Vorteile haben kann. Den Zweifeln, ob Kunst in der Innenstadt nicht Gefahr läuft, gleich kommerzialisiert zu werden, widersprechen die drei. Der Underground-Charakter von Kunst bleibe: Ausstellungen im Jupiter bleiben von der Presse oft unerwähnt, dafür werden die Projekte um so stärker von der Hamburger Szene rezipiert. Und dabei eben auch das, worum es in »Imagine Transparency« gehe: um die Zusammenhänge von Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit.

Trotz zwei recht erfolgreichen Jahren ist derzeit allerdings offen, ob der »Kreativplanet« weiter seine Bahnen im Orbit der Hamburger Kultur zieht – oder ob er schnöde verglimmen wird. Die Förderung läuft Ende des Jahres aus. Im kommenden Jahr finden in Hamburg Wahlen statt. Dann erst wird geklärt, ob weiterhin Fördermittel für ein solches Projekt zur Verfügung stehen werden. Um wenig Geld geht es dabei nicht: Die Betriebskosten für das ehemalige Kaufhaus sind hoch, Haustechnik und Energiekosten für 8.000 Quadratmeter Fläche wollen bestritten werden. Die Entscheidung wird dabei wohl eine »politische« sein. Die, ob man sich den Gegenpol zu den offenbar an ihr Ende gekommenen Kommerztempeln in den Innenstädten wird leisten wollen. Zu Gute kommt dem Projekt, dass hier vielerorts ein Umdenken in Städten stattfindet. Passend ins Bild der Claim von Jupiter: »das einzige Kaufhaus, das Dich reicher macht« (lkr.).