
Möglichmacher*innen | Gemüseheldinnen
Von Städter*- zu Gärtner*innen
Aktiv in Markt-, Wald- und Mirabellengärten
An diesem Morgen ist es ruhig in den Gärten der »GemüseheldInnen Frankfurt«, hier in der »Grünen Lunge«, einem ihrer Refugien nur wenige Schritte vom Günthersburgpark entfernt. Selbst im nun beginnenden Herbst gedeihen in den Gärten verschiedene Gemüse wie Salate, Auberginen, Paprika und Kräuter. Setzlinge von Feldsalat wurden gerade erst eingepflanzt und können bald abgeerntet werden. »Der Market Garden, in dem wir hier stehen, folgt dem Vorbild der Pariser Marktgärtnerinnen aus dem 19. Jahrhundert, die eine ganze Stadt mit Gemüse versorgt und dabei rein auf Wissen und Handarbeit gesetzt haben«, erzählt Chris Kircher, eine der Gründerinnen der GemüseheldInnen. Beim »Market Gardening« seien die Beete normiert und die Bepflanzung sehr dicht, wodurch der Boden zwar geschützt, der Ertrag pro Quadratmeter aber trotzdem maximiert werden könne. Damit sei es für jedermann/jederfrau im Prinzip möglich, bereits kleinste Flächen zu bewirtschaften, auch weil der Einsatz von Maschinen fehle und damit Investitionskosten niedrig wären.
Wer in die »Grüne Lunge« am Günthersburgpark kommt, findet meist zweierlei: einerseits ein üppiges grünes Refugium und lebendiges Biotop, andererseits aber auch viel geteiltes Wissen und zahlreiche Anregungen für eigenes (Mit-) Tun. Was 2019 mit der Idee begann, städtische Landwirtschaft nach Frankfurt am Main zu bringen sowie in Gemeinschaft nach den Prinzipien von Permakultur und Market Gardening eigenes Gemüse anzubauen, hat sich mittlerweile zu einer Bewegung in der Mainmetropole entwickelt, mit der nachhaltige Alternativen zum konventionellen Anbau aufgezeigt werden sollen. Eben Gärtnern im Einklang mit der Natur – ohne Einsatz von Düngemitteln und schwerem Gerät, regional angebaut und saisonal geerntet. Dabei werden allerdings auch, abhängig von Lage und Bedingungen, durchaus ganz verschiedene, gärtnerische Konzepte auf unterschiedlichen Flächen umgesetzt. Während im Market Garden das meiste Gemüse, aber auch meterhohe Sonnenblumen wachsen, weil es dort sonnig ist, liegt der »Mirabellengarten« vor allem im Schatten. Dieser wird nach den Prinzipien des »Waldgärtnerns« bewirtschaftet, mit dem nicht nur in der Fläche, sondern auch in die Höhe gedacht wird. »Dieser Garten«, so Kircher, »ist in gewisser Weise auch ein Experiment, um zu zeigen, was möglich ist«. Wie der Anbau von alten, einheimischen und auch wildwachsenden Kräutern, die teils geschmacklich ähnlich denen sind, die für das Frankfurter Traditionsgericht »Grüne Soße« genutzt werden. Anstelle von in großen Mengen angebautem Schnittlauch gibt es dann seine wildwüchsige Form, anstelle der Petersilie den ihr verwandten Giersch.
Doch die Gärten sind nicht nur Mitmach- und Experimentierfläche. Sie dienen oft auch als Lehrpfad, mit dem beispielhaft erklärt wird, wie alles zusammenhängt, um in Einklang mit der Natur zu Gärtnern. Schilder, die auf den Flächen angebracht sind, klären auf, etwa über das »Ökosystem Boden«, in dem es nur so wimmelt von Leben. Es ist der Ort, an dem Würmer, Insekten, aber auch Bakterien und Pilze ihren Anteil dazu beitragen, dass der Boden überhaupt erst fruchtbar wird. Die »GemüseheldInnen« haben im Garten selbst sogar eine kleine »Wurm-Farm« angelegt – in einer Wanne, in der Kompost von Regenwürmern in Humus verwandelt und zum Gärtnern auf den Flächen genutzt wird. Dabei sind die Gärten in der Grünen Lunge aber schon lange nicht mehr die einzigen Flächen, in denen die Akteur*innen nachhaltig anbauen (lassen). Mit der »Stadtfarm« am Hainer Weg 255 in Sachsenhausen bewirtschaften sie gar eine mehrere Hektar große Fläche. Gepflanzt werden ganzjährig Gemüse, Kräuter und Blumen nach den Prinzipien von Permakultur und Market Gardening. Es ist auch der Ort, an dem sich Interessierte – etwa solche, die ähnliche Projekte in anderen Städten und Orten realisieren möchten – zu »Stadtfarmer*innen« ausbilden lassen können. Darüber hinaus unterhalten die GemüseheldInnen an weiteren Orten in der Stadt Projekte wie etwa das »Fechenheimer Pflegegärtchen« – eine gemeinsame Aktion mit dem Heinrich-Schleich-Haus des Frankfurter Verbandes, bei der es darum geht, Mobilität im Alter und soziale Aspekte wie das Miteinander zu fördern, indem Kontakte zu anderen Menschen aus dem Stadtteil durch gemeinschaftliches Gärtnern geknüpft und gepflegt werden können. Weitere Projekte der GemüseheldInnen gibt es unter anderem auch auf dem Westend-Campus der Goethe-Universität oder in einem Kleingarten am Bornheimer Hang. Eines haben alle diese Gärten neben dem ertragreichen Gärtnern gemein: In allen Projekten sind Städter*innen, ganz gleich, ob jung oder alt, zum Mitmachen eingeladen (alf).