©
Abgesagt • Conference of Trees - Konzert-Gastspiel im Mousonturm
Quelle: Mousonturm / Stephan Abry©

Kolumne von Jan Deck [5]

Solidarität statt ALG II

Andere Hilfen für Künstler*innen

Ein paar Tage lang gab es Hoffnung. Hinter den Kulissen wurde um Anpassungen am Soforthilfeprogramm des Bundes gerungen, um speziell Künstler*innen und manchen kleinen Solo-Selbständigen ohne große Mietkosten, Dienstwagen und Leasinggeräten mehr zu helfen. Doch trotz des Einsatzes von Hessen und anderen Ländern wird das Programm nicht verändert. Weiterhin bleiben Liquiditätsengpässe die Grundlage für die Unterstützung, Einnahmeausfälle und Lebenshaltungskosten werden nicht anerkannt. Das macht die Situation vieler Solo-Selbständiger und Kulturschaffender weiter schwierig. Sie werden weiter auf die erleichterte Corona-Variante von ALG II verwiesen.

Ein Verweis, mit dem viele Künstler*innen aber verständlicherweise psychologisch ein Problem haben. Der Verweis auf »Instrumente« wie ALG II und Hartz IV wirken wie die Elendsvariante eines bedingungslosen Grundeinkommens für Kulturschaffende. Und klingen eher wie ein schlechter Scherz. Auch der deutsche Kulturrat und dessen Vorsitzender Olaf Zimmermann fanden diese Lösung großartig. Sicher, es gibt positive Veränderungen: Für bis zu sechs Monate werden bei Antragsteller*innen Ersparnisse oder Wohneigentum nicht geprüft oder angerechnet. Die tatsächlichen Kosten für Wohnung und Heizung werden akzeptiert, unabhängig davon, ob sie als »angemessen« gelten. Auch unklare Anspruchsvoraussetzungen werden nicht geprüft.

Doch es hat eben etwas von einem »Stigma«, dem sich andere nicht aussetzen müssen. Und es gibt obendrein noch einige, die selbst durch dieses Raster fallen, weil sie auch das veränderte ALG II nicht beantragen können. Allen voran Künstler*innen ohne deutschen Pass, die in keinem Fest-Engagement stehen. Einige von ihnen haben kurzfristig viele Jobs verloren. Einige Kolleg*innen befinden sich zudem in Masterstudiengängen zur Weiterbildung (als Studierende können sie kein ALG II bekommen). Andere sind bereits in Rente. Trotz jahrzehntelanger Arbeit reicht diese jedoch nicht zum Leben, sie müssen deshalb weiterarbeiten. Statt ALG II müssen sie nun Grundsicherung beantragen, die jedoch nicht so gelockerte Bedingungen hat. Und das sind nur drei Beispiele.

So sind Künstler*innen nun mehr denn je auf Solidarität angewiesen. Die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig hat schon frühzeitig reagiert mit einem Notfallfonds, der helfen soll bei bei existenziellen Notlagen und wenn andere Förderprogramme nicht greifen. Antragsberechtigt sind Einzelkünstler*innen, Künstlergruppen und Kollektive aller Genres aus Frankfurt am Main. Die Höhe der Förderung kann zwischen 500 und 5000 Euro gestaffelt sein. Doch leider muss dieser Betrag im Regelfall zurückbezahlt werden (nur ausnahmsweise kann er behalten werden). Immerhin entstehen derzeit zahlreiche private Initiativen. Es gibt Crowdfunding-Aktionen, um einzelne Künstler*innen und Kulturorte zu retten. Die Frankfurter Künstlerhilfe unterstützt mit 500 Euro Soforthilfe und mit Arbeitsstipendien. Gerade ist aber auch die Webseite kulturzeiterin.de online gegangen. Sie ruft zu Spenden für Kulturschaffende auf, um ihnen ebenfalls eine unbürokratische Unterstützung von 500 Euro zukommen zu lassen. Viele Menschen aus Kultur und Gesellschaft haben sie gemeinsam initiiert (auch ich gehöre dazu). Und auch wenn die Förderung und Absicherung von Kultur Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden ist: Vielleicht sorgt gerade diese Form der Solidarität für mehr Zusammenhalt innerhalb der Szene, aber auch zwischen der Kultur und ihren Liebhaber*innen. Vielleicht ein bemerkenswerter Effekt von Corona …